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# taz.de -- Kommentar Strategien gegen Rechts: Gewalt öffnet das Tor zur Hölle
> Der Kampf um einen gewaltfreien Umgang wird in der Zivilgesellschaft
> entschieden. Nicht von Schlägern in dunklen Unterführungen in Bremen.
Bild: Staatliches Gewaltmonopol? Politische Gewalt kann in einzelnen Fällen au…
Ein Bundestagsabgeordneter der AfD wurde kürzlich in Bremen [1][körperlich
angegriffen]. Die Täter waren vielleicht Linksautonome, vielleicht nicht.
Sicher ist: Die AfD hat die Attacke [2][fälschlich zum Mordversuch
deklariert]. Eine linke Journalistin hielt es für angesagt, den Angriff
gegen den AfD-Mann, trotz unklarer Täterschaft, zur „konsequenten
Durchführung von [3][#NazisRaus]“ zu veredeln und den Kampf gegen
faschistische Politik „mit ALLEN Mitteln“ zu loben.
[4][In einem Text in der taz] wurde Gewalt gegen Rechtsextreme als legitime
Art akzeptiert, ihnen zu zeigen, wo der Hammer hängt: „‚Keine Gewalt‘ ist
kein Slogan, auf den sie hören.“ Militante Gegengewalt ist demnach eine
legitime Vorwärts-Verteidigung. Und die AfD leiste dabei ja rhetorisch
rassistischer Gewalt Vorschub.
Also: Gewalt ist okay, wenn es die Richtigen trifft? Schlagt die
Faschisten, wo ihr sie trefft? Das war der Slogan der KPD 1932 und, wie man
weiß, kein erfolgreicher. Nun ist die AfD keine faschistische Partei, sie
steht eher in der trüben Tradition der völkischen, nationalistischen
Rechten. Aber man kann von 1933 doch etwas lernen: Militanz und
Sektierertum helfen nicht gegen rechtsextreme Bedrohungen.
Im Gegenteil: Es gilt Bündnisse zu knüpfen und die soziale und politische
Mitte gegen radikale Sirenengesänge zu imprägnieren. Dafür sind Überfälle
auf AfD-Politiker oder Sprengstoffanschläge auf deren Parteibüros nicht
bloß moralisch fragwürdig. Sie sind dumm, schädlich, politisch fatal.
## Keine Echoräume für Hetze
Die Schlacht um zivile Standards wird nicht auf den Straßen von Dresden
oder Leipzig gewonnen oder verloren, sondern in der Kreishandwerkerschaft
in Pirna, der Feuerwehr in Prenzlau, dem Mieterbeirat in Ludwigshafen. Die
Verbündeten im Kampf für das Recht aller, sich frei und ohne rassistische
Bedrohungen bewegen zu können, sind nicht kräftig gebaute, linksautonome
Jungmänner, sondern der CDU-Ortsverband, der sich für einen Ausländerbeirat
einsetzt oder die freiwillige Feuerwehr, bei der Geflüchtete mitmachen.
Oder die Schule, die sich der Initiative „Schule ohne Rassismus“ anschließt
und der Stadtkämmerer in der sächsischen Kleinstadt, der sorgenvoll auf
sinkende Einnahmen blickt, weil die Touristen wegen mieser Schlagzeilen
einen Bogen um die Stadt machen.
Der Kampf um die Etablierung einer gewaltfreien Leitkultur wird in der
Zivilgesellschaft entschieden – nicht von Schlägern in dunklen
Unterführungen in Bremen oder linksautonomen Bürgerwehren. Rechtsextreme
fühlen sich zur Militanz ermutigt, wenn sie glauben, dass sie tun, was die
Mitte der Zivilgesellschaft will, sich aber nicht traut. Wenn es in der
Feuerwehr, dem Fußballverein und dem Schulbeirat keine Echoräume für ihre
Hetze gibt, resignieren sie.
Das kategorische, unzweideutige Nein zur Gewalt gegen rechte Politiker und
Anschlägen auf AfD-Parteibüros ist kein hypermoralisches [5][„If they go
low, we go high“], sondern politische Abwägung. Die AfD fühlt sich [6][in
der Rolle des Opfers] äußerst wohl – wahlweise der Medien, der
Linksliberalen, der Antifa, der Migranten, der Merkel-Regierung oder des
Verfassungsschutzes. Sie inszeniert sich gern als verfolgte Unschuld, schon
um zu vernebeln, dass sie zu den drängenden sozialen und ökologischen
Problemen so viel zu sagen hat wie Trump zu Adornos negativer Dialektik.
Man sollte der AfD nicht den Gefallen tun, diese Opferrolle durch
Brandanschläge mit dem Anschein von Plausibilität zu versehen.
Privatisierte Gewalt hat zudem eine gefährliche Eigenschaft: Sie neigt zur
Verselbstständigung. Was, wenn Rechtsextreme, über [7][Drohungen gegen
Anwälte] und Angriffe auf Büros der Linkspartei und Flüchtlingsheime
hinaus, beginnen, verstärkt [8][PolitikerInnen körperlich zu attackieren]?
Auge um Auge, Zahn um Zahn? Die extreme Rechte will genau diese
Eskalation. Der rechte Verleger Götz Kubitschek träumt vom
[9][„Vorbürgerkrieg“ in der multikulturellen Gesellschaft]. Identitäre
fantasieren von der „Zurüstung zum Bürgerkrieg“. Björn Höcke redet von …
legitimen Notwehr gegen den „Volkstod“, der bevorsteht, weil Merkel
bekanntlich Deutsche gegen Muslime austauscht.
Der feuchte Traum der harten ideologischen Rechten ist der Bürgerkrieg
zwischen Biodeutschen und Migranten, zwischen völkischen und
„rot-grün-versifften“ Demokraten. In diesen Kreisen fiebert man mitunter
mit Angstlust dem kommenden Chaos entgegen, wenn das eigene Haus mit der
Kalaschnikow gegen einen anstürmenden Migrantenmob verteidigt werden muss.
Sind das nur schwüle, größenwahnsinnige Fantasien? Vielleicht. Allerdings
sind manche Propagandisten dieser Szenarien einflussreiche Figuren in der
größten Oppositionspartei im Bundestag. [10][Seit Chemnitz] ahnt man, wie
solche Eskalationsszenen auf der Straße aussehen. Wenn Linke sich an dieser
Gewaltspirale aktiv beteiligen, werden sie die nützlichen Idioten von Höcke
& Co.
## Politische Gewalt kann auch nützlich sein
Bei aller grundlegenden Zwiespältigkeit kann politische Gewalt in einzelnen
Fällen auch nützlich sein. Der [11][Widerstand gegen die
Wiederaufbereitungsanlage in Wackersdorf] oder der Häuserkampf in Frankfurt
und Berlin wären wohl weniger erfolgreich gewesen, wenn die Demonstranten
der Staatsmacht nur Blumen in die Hand gedrückt hätte. Auch, wenn
Gelbwesten-Aktivisten einen Chanel-Laden auf den Champs-Elysées zerlegen
oder [12][sich mit Polizisten prügeln], üben sie Gewalt aus. Sie nutzen ein
illegales Mittel, um den Kampf von an den Rand Gedrängten gegen die Elite
nachdrücklich zu symbolisieren.
In Wackersdorf, bei Hausbesetzungen oder [13][bei den Gelbwesten] war
Gewalt ein Mittel, um einem politischen Ziel näherzukommen. Individuelle
Attacken gegen Rechte, jenseits von Notwehr, bringen aber das Ziel einer
Gesellschaft ohne Rassismus nicht näher – im Gegenteil. Sie scheuchen
verunsicherte Konservative, die wir als Bündnispartner brauchen, ins Lager
der Rechtsextremen. Sie schwächen das Lager der zivilen antirassistischen
Kräfte.
Zudem zeigt die Geschichte der Linken nach [14][1968], dass Gewalt gefräßig
ist, sie verkehrt edelste Absichten in ihr Gegenteil. Was als hochmoralisch
aufgeladener Gerechtigkeitsimpuls begann, endet oft in blinder Wut oder
bösartigem Terror. Organisierte Gewaltpraxis erzwingt, wie die Geschichte
fast aller Guerillas zeigt, klandestine, autoritäre, militärische
Strukturen. Die Selbstermächtigung zur Gewalt beflügelt oft Hybris.
Es mag nachvollziehbar sein, dass, wer von Neonazis verfolgt wurde, es
erfreulich findet, wenn AfD-Politikern widerfährt, was ihm selbst drohte.
Aber als politische Taktik ist eine Vendetta gegen Politiker mit
missliebigen Ansichten oder Anschläge auf Büros einer demokratisch
gewählten Partei ein Kamikazekurs. Damit öffnet man das Tor zu einer Hölle,
in der jede zivile Toleranz zerstört wird.
20 Jan 2019
## LINKS
[1] /Neues-zum-Ueberfall-auf-AfD-Politiker/!5561196
[2] /Neues-zum-Ueberfall-auf-AfD-Politiker/!5561196
[3] /Nazis-raus-trendet-auf-Twitter/!5561024
[4] /Rechte-Gewalt-Notwehr-und-Nothilfe/!5563181
[5] https://www.youtube.com/watch?v=mu_hCThhzWU
[6] /Kommentar-AfD-gegen-freie-Presse/!5513710
[7] /Rechte-Polizisten-Gang-in-Hessen/!5564910
[8] /Gewalt-gegen-linke-Politiker/!5505498
[9] /Nach-rechten-Demos-in-Chemnitz/!5533023
[10] /Rechte-Gewalt-in-Deutschland/!5538716
[11] /30-Jahre-nach-den-Wackersdorf-Protesten/!5265313
[12] /Protestieren-in-Frankreich/!5563591
[13] /Gelbwesten/!t5552947
[14] /Schwerpunkt-1968/!t5493520
## AUTOREN
Stefan Reinecke
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