# taz.de -- Interview mit dem SPD-Fraktionschef: „Wohnen ist wie Essen und Tr… | |
> Das Volksbegehren zu Enteignung beschäftigt am Rande auch die | |
> SPD-Fraktionsklausur in Rostock. Raed Saleh ist dafür, der Deutsche | |
> Wohnen Grenzen aufzuzeigen. | |
Bild: SPD-Fraktionschef Raed Saleh will mehr Schutz für Mieter vor gierigen Ei… | |
taz: Herr Saleh, die SPD-Fraktion geht am Freitag in Rostock in Klausur, | |
Themen sind Arbeit, Pflege und Demokratie. Müssten Sie nicht umdisponieren | |
und besprechen, wie die Fraktion zum drängenden Thema des | |
Enteignungs-Volksbegehrens steht? | |
Raed Saleh: Wir werden natürlich am Rande über das Volksbegehren sprechen. | |
Aber ich finde, dass die Themen, die wir auf der Tagesordnung haben, | |
wichtige für die Berliner sind. Die haben wir uns ganz bewusst vorgenommen. | |
Trotzdem zum Thema Enteignung: Ist das wirklich hier ein verhältnismäßiges | |
Mittel? Beim Autobahnbau etwa stehen die Interessen weniger Hausbesitzer | |
denen von Millionen künftiger Nutzer entgegen. Bei einer | |
Deutsche-Wohnen-Enteignung würden 100.000 Mieter auf Kosten von fast vier | |
Millionen Berlinern geschützt. | |
Unabhängig davon, wie man zu dem Volksbegehren Enteignung steht – wir | |
werden als SPD die Gespräche noch führen –: Wenn eine Umfrage belegt, dass | |
eine Mehrheit der Berliner eine Enteignung der Deutsche Wohnen in Kauf | |
nehmen würde, dann zeigt das, dass es bei ganz vielen Menschen die | |
Unsicherheit und Sorge gibt: Kann ich mir die Stadt Berlin noch leisten? | |
Ich finde, diese Sorge muss man ernst nehmen. Und deshalb gibt es einen Mix | |
an Instrumenten, wie man dieser Sorge begegnen kann: gute Gesetze, um | |
Mietwucher zu verhindern, Neubau und Rückkauf. | |
Für das Mietrecht ist aber der Bundestag zuständig. | |
Aber auch im Abgeordnetenhaus haben wir einiges geschafft: | |
Zweckentfremdungsverbot, Modernisierungsverbot, Umwandlungsverbot. | |
Außerdem haben wir in Berlin die Verpflichtung, dass es auch bei privaten | |
Bauvorhaben einen Sozialwohnungsanteil von 30 Prozent geben muss. Aber | |
vieles entscheidet sich auf der Bundesebene. | |
Da ist ja die Mietpreisbremse entstanden, die nachgebessert werden soll. | |
Das reicht nicht aus. Wir brauchen eine mietenpolitische Revolution. Im | |
Grunde muss man die Frage stellen: Was darf man in einer Marktwirtschaft in | |
einem Bereich regeln, der zur Daseinsvorsorge gehört? Wohnen ist wie essen | |
und trinken. Da müssen wir über einen Renditedeckel reden – irgendwann ist | |
eine Wohnung mal abgezahlt, alles andere ist nur noch Gier. | |
Die anderen Instrumente – Neubau und Rückkauf – kosten aber Geld, das Sie | |
nicht doppelt haben: Wenn Sie Wohnungen in großem Umfang kaufen wollen, | |
fehlen Ihnen die Milliarden anderswo – für Neubau, Schulen, S-Bahn. Wie | |
soll beides gehen? Über Kredite geht es nicht, ab 2020 gilt die | |
Schuldenbremse. | |
Ich würde nicht diese verschiedenen Felder, die alle wichtig sind, | |
gegeneinander ausspielen. | |
Was heißt ausspielen? Der Landeshaushalt hat dieses Jahr 29 Milliarden Euro | |
– da passt keine Enteignungsentschädigung im zweistelligen | |
Milliardenbereich oder ein großes Rückkaufprogramm rein. | |
Uns geht es ja zurzeit wirtschaftlich ganz gut, manche sagen, wir schwimmen | |
im Geld … | |
… wobei der Finanzsenator zum aktuellen Haushaltsüberschuss gesagt hat, der | |
sei überhaupt nicht selbstverständlich. | |
Aber eine Wohnung, die wir zurückkaufen, ist gut angelegtes Geld: Die | |
Mieten fließen dann doch in unsere Tasche. Und wir wünschen uns auch, | |
Mietern zu ermöglichen, ihre Wohnung als selbst genutztes Eigentum zu | |
erwerben. Das Konzept in der Karl-Marx-Allee – Erwerb durch die | |
landeseigene Gewobag, aber teilweise auch durch die Mieter – halte ich für | |
vernünftig. Und es ist gut, dass wir der Deutsche Wohnen da eine Grenze | |
aufgezeigt haben. | |
Wo überschreitet das Unternehmen denn derzeit Grenzen? | |
In meinen Sprechstunden und Stammtischen höre ich immer wieder, dass sich | |
die Deutsche Wohnen nicht mieterfreundlich verhält, sondern Wohnraum – und | |
damit auch die Mieterinnen und Mieter – als reine Gewinnobjekte betrachtet. | |
Ich wünsche mir in einer Stadt wie Berlin, dass man die Sensibilität hat, | |
dass man ein Wohngebäude nicht auspressen kann wie eine Zitrone. | |
Wenn Sie von Rückkauf sprechen: An wie viele Wohnungen denken Sie dann? | |
Das wird sich in den Gesprächen zeigen, die die Senatskanzlei mit der | |
Deutsche Wohnen führen wird. Unabhängig davon haben wir uns ja vorgenommen, | |
den Bestand an landeseigenen Wohnungen zu erhöhen … | |
… auf 400.000 bis zum Jahr 2025, steht im Koalitionsvertrag – aktuell sind | |
es rund 310.000. | |
Und die gehören dann den Berlinerinnen und Berlinern. Wir müssen dafür | |
sorgen, dass die Stadt bezahlbar bleibt, wir können es uns gar nicht | |
leisten, die Wohnungen nicht zurückzukaufen. Dieser Rückkauf, wo immer er | |
möglich ist, ist eine Sache des Anstands. | |
Ist es nicht auch eine Sache des Anstands, die über 40.000 Menschen, um die | |
Berlin jährlich wächst, mit Wohnraum zu versorgen? Rückkauf verhilft zwar | |
zu mehr Markteinfluss, sorgt aber für keine einzige zusätzliche Wohnung. | |
Deswegen sagen wir als SPD nach wie vor: „Bauen, bauen, bauen“, und werden | |
Stadtentwicklungssenatorin Lompscher (Linkspartei; Anm. d. Red.) nicht aus | |
der Pflicht entlassen, ob es ihr passt oder nicht. Wir profitieren doch von | |
der wachsenden Stadt: über mehr Jobs und mehr Steuereinnahmen. | |
Wenn wir nun auf die Straße gingen und Leute fragten, ob sie das mit dem | |
Wachstum auch so toll finden wie die SPD, würde das mit Sicherheit nicht | |
jeder so sehen. Volle U-Bahnen, kaum noch Wohnungen: Es wird gefühlt enger. | |
Da haben Sie recht, weil es an vielen Stellen nicht läuft. Was das Thema | |
Verkehr betrifft: Die Leute ärgern sich – volle Busse, volle Bahnen, | |
falsche Taktzeiten. Trotzdem ist Wachstum richtig, man muss es nur richtig | |
begleiten, damit die Wachstumsschmerzen so gering wie möglich ausfallen. | |
Um auf die Klausur in Rostock zurückzukommen: Wenn es um das Thema Armut | |
geht, reden Sie dann auch über Michael Müllers Vorstoß für ein | |
Grundeinkommen? Auch so eine Sache, die Geld kostet. | |
Das Solidarische Grundeinkommen haben wir ja schon auf dem Parteitag im | |
vergangenen Jahr beschlossen, und die Fraktion unterstützt das. Wir reden | |
gerade über konkret 1.000 Menschen, die das betreffen würde. | |
Pflege als weiteres Thema – da ist doch das meiste in Bundesgesetzen | |
geregelt. Was kann da die Berliner Landespolitik noch mitreden? | |
Eine ganze Menge. Etwa bei der Frage, ob wir nicht selber Pflegewohnhäuser | |
bauen. | |
Ist das dasselbe wie ein Pflegeheim? | |
Jein. Erst einmal: Ich finde den Begriff „Pflegewohnhaus“ schöner – niem… | |
lässt sich gern ins Heim abschieben. | |
Dann muss sich aber innen drin auch etwas verbessern, sonst ist das ja nur | |
ein neues Etikett. | |
Gerade darüber wollen wir ja reden. Wir haben als Land Berlin auch die | |
Möglichkeit zu Bundesratsinitiativen. | |
17 Jan 2019 | |
## AUTOREN | |
Stefan Alberti | |
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