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# taz.de -- Deutsche-Wohnen-Debatte: Mieterschutz gleich Freibier für alle?
> Der Senat soll sich vom Enteignungs-Volksbegehren distanzieren, fordern
> Wirtschaftsverbände. Denn Enteignung sei gesetzwidrig und
> kontraproduktiv.
Bild: Mieter der Karl-Marx-Allee protestierten gegen eine Übernahme durch die …
Führende Wirtschaftsverbände lehnen das Volksbegehren zur Enteignung großer
Wohnungsunternehmen, das laut einer Umfrage von einer Mehrheit der Berliner
unterstützt wird, eindeutig ab. „Wir erwarten, dass der Senat klar sagt,
dass so etwas keine Aussicht auf Erfolg hat“, erklärte am Mittwoch der Chef
der Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg (UVB), Christian Amsinck. Für
den Wohnungsverband BBU, der landeseigene wie private Unternehmen vertritt,
ist die Forderung nach Enteignung „populistische Stimmungsmache, durch die
nicht eine einzige Wohnung zusätzlich entsteht“. Ähnlich äußerte sich die
Industrie- und Handelskammer (IHK).
Die Intitiative [1][„Deutsche Wohnen enteignen“] – hinter ihr stehen laut
Homepage „einige Leute vom Mietenvolksentscheid, Kotti & Co, weitere
Mieterinitiativen, Mieter*innen der Deutschen Wohnen, die
Interventionistische Linke, Mitglieder von verschiedenen Parteien und
andere“ – hat ihr Vorhaben im November auf den Weg gebracht. Ihr Sprecher
Rouzbeh Taheri war auch Sprecher des Mieten-Volksbegehrens von 2015.
Per Volksentscheid will die Initiative durchsetzen, die Deutsche Wohnen
und weitere Unternehmen, die in Berlin mehr als 3.000 Wohnungen besitzen,
zu enteignen. Die nötige Sammlung von Unterschriften – in der ersten Stufe
sind 20.000 erforderlich – soll im Frühjahr beginnen. Die Deutsche Wohnen
als hauptsächlich Betroffene mochte sich dazu gegenüber der taz nicht
äußern.
Enteignung kommt bislang meist bei großen Bauvorhaben vor, wenn etwa ein
Hauseigentümer einer Autobahn nicht weichen will. Das geschieht aber stets
nur gegen Entschädigung. So müsste auch die Deutsche Wohnen vom Land für
ihre Wohnungen so viel Geld erhalten, wie sie bei einem freiwilligen
Verkauf dafür auf dem Wohnungsmarkt bekäme. Nach Daten des Unternehmens
selbst wären das für seine ungefähr 100.000 Wohnungen in Berlin – insgesamt
gehören ihr 163.000 – rund 15,6 Milliarden Euro. Die Enteignungsinitiative
bezeichnet die Deutsche Wohnen als „das führende Unternehmen im Berliner
Immobilienmarkt“.
Bei einer [2][am Dienstag veröffentlichten Umfrage] im Auftrag des
Tagesspiegels hatte eine Mehrheit der Berliner eine Enteignung befürwortet:
Rund 55 Prozent fanden sie richtig, nur 34 Prozent falsch, der Rest war
unentschieden. Selbst jeder dritte Anhänger der FDP, Partei von
Marktwirtschaft und Liberalismus, unterstützte in der Umfrage eine
Enteignung.
„Das ist wirklich irritierend“, sagte UVB-Chef Amsinck zu der
Enteignungsdebatte. Die Umfrage verglich er mit der Frage, ob man für oder
gegen Freibier sei: Da werde man immer eine Mehrheit bekommen, „weil es ja
irgendjemand anders zahlt“. In diese Richtung geht auch die Einschätzung
von IHK-Hauptgeschäftsführer Jan Eder. „Die Umfrageergebnisse zeigen aus
Sicht der Wirtschaft, dass offenbar die Empfänglichkeit für populistische
Vorschläge angesichts des Drucks auf dem Wohnungsmarkt groß ist“, sagte er
der taz.
Maren Kern, Vorstandsmitglied des Wohnungsverbands BBU, mochte die
Ergebnisse nicht einfach vom Tisch wischen: „Die Umfrage zeigt die Sorgen
der Berlinerinnen und Berliner rund um das Wohnen, die ernst genommen
werden müssen“, sagte sie der taz, „die Enteignungsinitiative gibt darauf
aber nicht ansatzweise die richtigen Antworten.“
UVB-Chef Amsinck störte sich außer an der für ihn „abenteuerlichen
Vorstellung“ einer Enteignung an der Haltung der rot-rot-grünen
Landesregierung. „Mich verwundert das verdruckste Nicht-Stellung-Nehmen des
Senats“, sagte er, „hier brauchen wir eine klare Haltung.“ IHK-Chef Eder
wirft der Enteignungsinitiative vor, eine wirtschaftsfeindliche Stimmung zu
schüren, „die für das Prosperieren der Stadt kontraproduktiv ist“. Und
nicht nur das: „Dass Enteignungen nicht nur in den allermeisten Fällen
gesetzwidrig, sondern auch wirtschaftlich auf Dauer wenig
erfolgversprechend sind, konnte man bis 1989 im Ostteil der Stadt ja
durchaus hautnah miterleben.“
Die Linkspartei als einer von drei Koalitionspartnern hatte im Dezember
beschlossen, das Volksbegehren zu unterstützen. Die CDU-Fraktion im
Abgeordnetenhaus warnte SPD und Grüne davor, einen ähnlichen Weg zu gehen :
„Sollte die Koalition auch noch Enteignungskampagnen gegen Unternehmen
wie die Deutsche Wohnen unterstützen, wäre das nichts als reiner
Populismus“, sagte ihr Wohnungsexperte Christian Gräff. „Damit würde man
die Tür für Verhandlungen zuschlagen und sich jede Möglichkeit nehmen, für
Mieter Zugeständnisse zu erreichen.“
10 Jan 2019
## LINKS
[1] https://www.dwenteignen.de/
[2] /Umfrage-zu-Volksbegehren/!5561050
## AUTOREN
Stefan Alberti
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