| # taz.de -- Die Wahrheit: Kartoffeldruck mit Quark | |
| > Ganz rechts außen ist schon wieder eine Postille für den deutschen | |
| > Volltrottel aus der Taufe gehoben worden. Sie heißt „Deutschland Kurier“. | |
| Bild: Merkel auf dem Schafott? Gab es auch schon mal. Oder war's bloß eine Heb… | |
| In Zeiten, in denen die Presse in der Krise steckt, eine Zeitung nach der | |
| anderen aufgeben muss, ist es ohne Zweifel Grund zur Freude, wenn eine neue | |
| Publikation das Licht der Welt erblickt. | |
| Ein Hoch darum auf den Deutschland Kurier, die „Wochenzeitung für Recht und | |
| Freiheit“, die neuerdings die Leser vergnügt! Neider und Feinde wollen in | |
| dem achtseitigen Blatt eine inoffizielle Parteizeitung der Alternative für | |
| Deutschland erkennen. Doch sind keineswegs alle Autoren der Wochenzeitung | |
| Parteifunktionäre der AfD, einige stehen ihr nur sehr nahe. Um den | |
| deutschen Journalismus macht sich der Deutschland Kurier in jedem Fall | |
| verdient, da er abgehalfterten Schriftführern wie Nicolaus Fest, Michael | |
| Klonovsky und Matthias Matussek das Gnadenbrot gewährt. | |
| Ihren eigenen Wert taxiert die Zeitung mit gesundem Realismus auf „0.30 | |
| Euro“. Doch dürfte noch nie jemand diese Summe wirklich als Preis | |
| entrichtet haben, da das Blatt von den Machern recht großzügig im | |
| öffentlichen Raum verteilt wird und auch im Altpapier oft kostenfrei | |
| vorrätig ist. Der einzige Redakteur der Zeitung, David Bendels, verzichtet | |
| nicht in falscher Bescheidenheit darauf, sich als Chefredakteur zu | |
| bezeichnen. Er hat seinem Blatt einen ganz eigenen Stil gegeben. Der | |
| Deutschland Kurier wirkt, als hätten Frührentner beschlossen, noch einmal | |
| eine Schülerzeitung herauszugeben. Die Rubriken heißen hier wirklich und | |
| wahrhaftig „Klartext des Chefredakteurs“, „Die spitze Feder aus Österrei… | |
| oder „Die gute Nachricht“. Zielgruppe sind offenbar vor allem Leser, die | |
| noch die Presse des Deutschen Reiches zu schätzen wussten. | |
| ## Einsender ohne Spur | |
| Auch optisch hat das Blatt einiges zu bieten. So befriedigt eine | |
| Fotomontage, die Angela Merkel in Zwangsjacke und mit blauem Auge zeigt, | |
| jede Woche wieder die Folterfantasien der sexuell abseitig veranlagten | |
| Konsumenten. Es gibt eine Rubrik für Leserbriefe, selbstverständlich unter | |
| dem Titel „Ihre Meinung ist gefragt“. Wie es sich so trifft, schreiben die | |
| Leser alle den gleichen Stil, den des Chefredakteurs nämlich, der | |
| vorsichtshalber die Namen der Einsender so abkürzt, dass niemand ihnen auf | |
| die Spur kommen kann. Der ehemalige Sozialdemokrat „Sven K.“ aus Essen gibt | |
| da etwa kund, von den Sozialdemokraten verraten worden zu sein: „Für Nahles | |
| und Co. ist das Wohl der Zuwanderer wichtiger als das Wohl der | |
| einheimischen Malocher. Und bei der Ausbildung unserer Jugend versagt der | |
| Staat völlig. Mit dem Ergebnis, dass die allermeisten Migranten uns | |
| lebenslang auf der Tasche liegen bzw. mit uns um Arbeitsplätze | |
| konkurrieren.“ Was der Ausländer auch tut, er macht das Falsche, er mag | |
| arbeiten oder nicht. Für das Migrationsproblem, so lernen wir, kann es | |
| logisch nur eine Endlösung geben. | |
| ## Claas Relotius würde erbleichen | |
| Der Rest der Zeitung besteht aus Meldungen über Verbrechen von | |
| Flüchtlingen, wobei die Autoren es nie versäumen, den „Flüchtling“ in | |
| Anführungszeichen zu setzen. Hier ist Kritik angebracht, der mangelnden | |
| Originalität wegen. Wie „der Flüchtling“ in endloser Wiederholung als | |
| Verbrecher angeklagt wird, das erinnert stark an die Presse des | |
| Nationalsozialismus, wo die gleiche Schurkenrolle „der Jude“ zu spielen | |
| hatte. | |
| Es gibt auch große Reportagen, so etwa über die Stadt Duisburg, unter dem | |
| pfiffigen Titel „Vom Schmelzofen zum Multikulti-Schmelztiegel“. Der | |
| zupackende Text hält sich mit Nebensächlichkeiten nicht lange auf. „Kohle | |
| und Stahl haben an Bedeutung verloren“ – wohl noch nie wurden die | |
| ökonomischen Ursachen für die Probleme des Ruhrgebietes prägnanter | |
| analysiert. Der Rest des doppelseitigen Beitrags widmet sich den | |
| drängenderen Fragen von „Osmanisierung“, „Asyl-Ansturm“ und „Roma-In… | |
| sowie den Sorgen der Restdeutschen, die in Duisburg „ums Überleben“ | |
| kämpfen. Selbst Claas Relotius müsste bei der Lektüre dieser Reportage | |
| neidvoll erbleichen: Nichts in dem Text deutet darauf hin, dass der Autor | |
| die Stadt Duisburg je betreten hat. Keine konkrete Person wird zitiert, | |
| kein konkreter Ort beschrieben, kein konkretes Ereignis erzählt. Die | |
| Informationen stammen aus dem Netz, alle Fotografien aus dem Lager von | |
| Bildagenturen. Man würde dem Autor Florian Hofstetter allzugern zu seiner | |
| trefflichen Ferndiagnose persönlich gratulieren, aber das Internet kennt | |
| leider gar keinen Journalisten dieses Namens. | |
| ## Nah am Leser | |
| Der Deutschland Kurier scheint also eine Zeitung zu sein, in der | |
| Journalisten, die es nicht gibt, über Orte schreiben, die sie nie gesehen | |
| haben, und Menschen verurteilen, die sie nicht kennen. Politische | |
| Objektivität beweist das Blatt, indem es den Politikern einer einzigen | |
| Partei gleich selbst das Wort erteilt. Wie soll man eine solche Leistung | |
| angemessen würdigen? Kein Lob scheint ausreichend dafür, wie hier der | |
| Presse eine Sorte Leser zurückgewonnen wird, die für den Alphabetismus | |
| allzu lange verloren schien: der deutsche Volltrottel. | |
| 9 Jan 2019 | |
| ## AUTOREN | |
| Michael Bittner | |
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