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# taz.de -- Weniger Zucker, Salz und Fett im Essen: Nur wenn die Industrie es w…
> Keine verbindlichen Vorgaben: Für weniger Zucker und Salz in
> Lebensmitteln setzt Julia Klöckner (CDU) auf freiwillige Vereinbarungen.
Bild: Belag mit weniger gesunden Beigaben
Berlin taz | Die Beschreibung des Problems fällt durchaus drastisch aus. Es
sei wissenschaftlicher Konsens, „dass ein übermäßiger Konsum von Zucker,
bestimmter Fette und Salz das Risiko für nichtübertragbare Krankheiten
erhöhen kann“, etwa Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes. So steht es
in der „Nationalen Reduktions- und Innovationsstrategie“ für diese Stoffe,
die das Bundeskabinett am Mittwoch verabschiedet hat. Zudem stellt die
Regierung fest, dass „der Konsum von Zucker, Fetten und Salz in Deutschland
trotz umfangreicher Aufklärungs- und Informationsmaßnahmen“ weiterhin „ü…
den wissenschaftlichen Empfehlungen liegt“.
Doch staatliche Vorgaben zur Reduzierung dieser Inhaltsstoffe, die von
Ärzten gefordert und in anderen Ländern bereits umgesetzt wurden, soll es
in Deutschland nicht geben. Landwirtschafts- und Ernährungsministerin Julia
Klöckner (CDU) setzt stattdessen auf freiwillige Vereinbarungen mit der
Industrie. Damit ließen sich „viel ambitioniertere Ziele erreichen“, sagte
sie am Mittwoch in Berlin.
Im Mittelpunkt stehen zunächst Lebensmittel, die speziell für Kinder
gedacht und oft besonders ungesund sind. „Cerealien für Kinder enthalten 20
Prozent mehr Zucker als vergleichbare Produkte für Erwachsene“, sagte
Klöckner. Nun hätten die Hersteller angekündigt, den Zuckergehalt dieser
Produkte bis zum Jahr 2025 um 20 Prozent zu senken. In
Erfrischungsgetränken für Kinder soll der Zuckergehalt bis dahin um 15
Prozent sinken, in Kinderjoghurts um 10 Prozent. „Außerdem wurde eine
Vereinbarung mit dem Bäckerhandwerk zur Reduktion von Salzspitzen in Brot
und eine Selbstverpflichtung zur Salzreduktion in Fertigpizzen getroffen“,
erklärte Klöckner.
Schriftliche Vereinbarungen zu den konkreten Reduzierungen liegen
allerdings noch nicht vor, räumte das Ministerium ein. Das Deutsche
Tiefkühlinstitut kündigte am Mittwoch in einer Erklärung an, man strebe bis
2025 einen durchschnittlichen Salzgehalt von 1,25 Gramm pro 100 Gramm
Tiefkühlpizza an. Was das bedeutet, bleibt aber unklar – wie hoch der
Salzgehalt aktuell ist, konnte der Verband auf Anfrage nicht sagen.
Der Dachverband der Deutschen Lebensmittelwirtschaft BLL lehnt selbst die
zurückhaltenden Pläne der Regierung ab. „Die vorgelegte Strategie enthält
zu weitreichende Forderungen und Ambitionen“, teilte der Verband mit. Dass
der Staat sich überhaupt in die Zusammensetzung der Lebensmittel einmischt,
sieht BLL-Hauptgeschäftsführer Christoph Minhoff kritisch. „Unser Maßstab
bleiben ganz klar die Kunden, die in einer freien und sozialen
Marktwirtschaft das Sortiment nach ihrer eigenen Entscheidung und
geschmacklichen Vorlieben bestimmen“, erklärte er. Für Klöckner, die die
Forderung nach staatlichen Vorgaben abgewehrt hat, findet die
Lebensmittelindustrie dagegen höchstes Lob: Sie habe sich „von Beginn an
als faire und konstruktive Taktgeberin gezeigt“, so Minhoff.
Völlig gegenteilig fällt erwartungsgemäß das Urteil des Verbraucherverbands
Foodwatch aus. „Jetzt ist es amtlich: Diese Ministerin ist
gesundheitsgefährdend“, sagte Geschäftsführer Martin Rücker. „Frau Klö…
nimmt grassierendes Übergewicht, Diabeteserkrankungen und frühzeitige
Todesfälle billigend in Kauf.“
## Keine Zuckersteuer
Statt freiwilliger Selbstverpflichtungen der Industrie fordert Foodwatch
eine „Lebensmittelampel“, die vor überhöhtem Zucker-, Salz- und Fettgehalt
warnt, Beschränkungen für an Kinder gerichtete Werbung und eine Steuer auf
zuckerhaltige Getränke, die unter anderem in Großbritannien erfolgreich
eingeführt wurde.
Eine solche Steuer lehnt das Agrarministerium aber explizit ab – mit der
Begründung, dass deren „langfristige Effekte bisher nicht geklärt“ seien.
Zudem sinke bei einer Steuer der Zuckergehalt „nur minimalst unter die
Schwelle“, ab der die Steuer greife, sagte Ministerin Klöckner – und
kündigte an: „Wir wollen viel ambitioniertere Ziele erreichen.“ Das
verwundert insofern, als in Großbritannien durch die Steuer der
Zuckergehalt etwa von Fanta und Sprite um ein Drittel sank. In Deutschland
liegt das freiwillige Ziel für Kinderlimonaden bei 15 Prozent.
Und was passiert, wenn die Hersteller ihre Zusage nicht einhalten? „Das ist
mir zu pessimistisch“, antwortete Klöckner. Die Fortschritte würden aber in
einem Monitoringprozess regelmäßig überprüft.
19 Dec 2018
## AUTOREN
Malte Kreutzfeldt
## TAGS
Lebensmittel
Zucker
Salz
Zucker
Schwerpunkt Coronavirus
Nährwerte
soziale Klassen
Musterfeststellungsklage
Coca-Cola
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