# taz.de -- Die Wahrheit: Mensch, ärgere dich | |
> Tagebuch einer Spielerin: Dass soziale Konflikte mit harten Bandagen | |
> ausgefochten werden, lässt sich auch am Gesellschaftsspiel studieren. | |
Spätestens an Neujahr geht es ja wieder mit den guten Vorsätzen los. Deren | |
Umsetzung ist ungefähr so wahrscheinlich, wie dass die Hölle zufriert, und | |
trotzdem soll es ja immer wieder Leute geben, die daran glauben. Was mein | |
eigenes kleines Leben angeht, komme ich jedenfalls ganz gut ohne beides | |
aus, aber ich hätte auch nix dagegen, wenn die CO2-Ausstoß-Verursacher, die | |
unbedingt Schnäppchen-Golfurlaub in wasserarmen Wüsten machen müssen, oder | |
die Idioten, die Feuerwehrleuten Böller um die Ohren schmeißen, mal ein | |
paar Vorsätze zum Wohle der Allgemeinheit fassten. | |
Ich dagegen widme mich in meiner Freizeit dem Gesellschaftsspiel, einer an | |
den Feiertagen wiederentdeckten CO2-freien Leidenschaft. Es sollte erwähnt | |
werden, dass ich einen Ruf zu verteidigen habe und den Sinn des Spielens im | |
Gewinnen sehe. „Dabei sein ist alles“ ist für Weicheier. Meine Auftritte | |
als Sechsjährige beim „Mensch ärgere Dich nicht“ – eine Aufforderung, d… | |
eindeutig an mir vorbeiging – waren bereits eindrucksvoll, aber spätestens | |
seit meiner ersten Bekanntschaft mit Monopoly gilt „No more Mr. Nice Guy“! | |
Meine Erbarmungslosigkeit hätte mich für eine Karriere bei einem | |
Immobilien-Investmentfonds qualifiziert, ich könnte jetzt in Talkshows | |
sitzen und erklären, es sei nun mal der Lauf der Welt, aus der Wohnung zu | |
fliegen und den eigenen Kiez von Airbnb und Hotels zugepflastert zu sehen, | |
die Leute sollten sich mal nicht so haben. Ebenso hätte ich eine effektive | |
Diktatorin abgeben können, in langen Malefiz-Sessions habe ich die Methoden | |
verfeinert, meine Mitspieler aussichtslos einzumauern. | |
Ich erinnere mich auch an einen Scharade-Abend, an dem ich den schönen | |
Begriff „Geburtenkontrolle“ darstellen durfte. Meine pantomimische | |
Performance lief wohl etwas aus dem Ruder, das Team brüllte „Massaker“ und | |
„Serienkiller“, es hörte sich an wie eine Demo radikaler Abtreibungsgegner. | |
Jetzt Heiligabend ging es weniger blutrünstig zu. Gespielt wurde „Wer bin | |
ich?“, bei dem die Namen bekannter Personen auf die Stirnen gepappt werden. | |
Die Namen müssen die Teilnehmer dann per Ja-Nein-Antwort herausfinden. Die | |
Enttarnung meines Alter Egos verlief höchst unspektakulär: „Weiblich?“– | |
„Ja.“ – „Tot?“ – „Ja.“ – „Schon länger?“ – „Hmhm.“… | |
Hildegard von Bingen.“ Nach der zweiten Runde – Fred Feuerstein, fünf | |
Anläufe – wurde gemutmaßt, ob ich über das Zweite Gesicht verfüge. Weshalb | |
beschlossen wurde, mich wegen unlauterer Konkurrenz von weiteren „Wer bin | |
ichs“ auszuschließen. Mein „Ich will doch nur spielen!“ verhallte unerh�… | |
mit dem Argument, der Geist des Namensbesitzers, der meine Stirn zierte, | |
fahre offenbar in mich und die Gefahr für den Fortbestand der Welt sei zu | |
groß, sollte mich jemand statt Mutter Teresa aus Versehen mit Kim Jong Un | |
betiteln. Ihr habt es so gewollt – bis ich wieder mitmachen darf, übe ich | |
am Laptop schon mal „Schiffe versenken“! | |
3 Jan 2019 | |
## AUTOREN | |
Pia Frankenberg | |
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