# taz.de -- Demokraten führen Repräsentantenhaus: Raus aus der Minderheit | |
> Die US-Demokraten haben am Donnerstag die Führung des | |
> Repräsentantenhauses übernommen. An ihrer Spitze steht: Nancy Pelosi. | |
Bild: Nancy Pelosi kann Donald Trump eine politische Agenda entgegensetzen | |
Nach acht Jahren in der Minderheit haben die US-Demokraten am Donnerstag | |
erneut die Führung des Repräsentantenhauses übernommen. Die 78-jährige | |
kalifornische Abgeordnete Nancy Pelosi, die schon 2007 bis 2011 die erste | |
Frau an der Spitze des Repräsentantenhauses war, wurde erneut zur | |
Sprecherin gewählt. Eine auch protokollarisch mächtige Position: Sollten | |
Präsident Donald Trump und sein Vize Mike Pence gleichzeitig verunglücken, | |
würde Pelosi noch am gleichen Tag zur Präsidentin vereidigt. | |
Ihre eigentliche Macht aber liegt im Kongressalltag. Pelosi kann darüber | |
entscheiden, welche Gesetzesentwürfe zur Abstimmung kommen und welche | |
nicht, sie kann dem omnipräsenten Donald Trump eine politische Agenda | |
entgegensetzen. | |
Damit hat die neu installierte demokratische Mehrheitsfraktion auch gleich | |
am Donnerstag angefangen: Wie angekündigt, verabschiedete sie mit | |
deutlicher Mehrheit einen Haushaltsentwurf, der [1][den derzeitigen | |
„Shutdown“] beenden würde. Seit zwei Wochen schon sind etliche | |
Regierungsbehörden wegen dieser Haushaltssperre geschlossen. Rund 800.000 | |
öffentlich Angestellte sind entweder im Zwangsurlaub oder müssen | |
unentgeltlich arbeiten. | |
Das würden die nun verabschiedeten Beschlüsse beenden: Mit dem einen wären | |
alle Regierungsbehörden außer dem Heimatschutzministerium bis zum Ende des | |
Haushaltsjahres finanziert – der Entwurf ist im Prinzip parteiübergreifend | |
unstrittig und beruht auf in den Ausschüssen beider Kammern längst | |
abgestimmten Positionen. Mit dem anderen würde das Heimatschutzministerium | |
finanziert – aber nur bis zum 8. Februar und ohne Geld für die von Trump so | |
unbedingt gewollte Mauer zu Mexiko. | |
## Streit um die Mauer | |
Über diesen letzten Punkt bleibt der Streit: Das Weiße Haus gab sofort zu | |
verstehen, dass Trump das Gesetz per Veto stoppen würde, woraufhin der | |
republikanische Mehrheitsführer im Senat, Mitch McConnell, erklärte, er | |
werde es in der zweiten Kammer gar nicht erst zur Abstimmung bringen, man | |
wolle ja nicht seine Zeit verschwenden. Am Freitag wollte Trump sich erneut | |
mit führenden Kongressvertretern treffen, um eine Lösung zu suchen. | |
Die allerdings ist kaum vorstellbar, denn politisch geht es auf beiden | |
Seiten ums Ganze. Trump selbst soll beim letzten derartigen Treffen gesagt | |
haben, so berichten es US-Medien unter Berufung auf Anwesende, er könnte | |
die Forderung nicht aufgeben, weil er dann dumm aussähe. Und Nancy Pelosi | |
fragte am Donnerstag öffentlich, wie oft die Demokraten eigentlich noch | |
erklären sollten, [2][dass sie der Mauerfinanzierung nicht zustimmen | |
würden]. Basta. | |
Ergo: Trump hat sich in seiner Ecke eingegraben und kommt derzeit ohne | |
Gesichtsverlust da nicht heraus. Pelosi ihrerseits, die als Sprecherin | |
durchaus nicht unumstritten war – sie musste zusichern, sich spätestens | |
2022 zurückzuziehen, und immerhin 15 der 235 demokratischen Abgeordneten | |
verweigerten ihr die Stimme – kann ebenfalls nicht nachgeben, ohne die | |
demokratische Wählerbasis und ihre eigene Fraktion gegen sich aufzubringen. | |
Der Shutdown wird also vermutlich noch einige Wochen bleiben. Eine Lösung | |
wird es erst dann geben, wenn eine der beiden Seiten das Gefühl bekommt, | |
durch Beharren mehr zu verlieren als durch Nachgeben. Bis dahin wird es | |
darum gehen, der jeweils anderen Seite die Schuld an der verfahrenen Lage | |
zuzuweisen. | |
## Die eigenen Reihen zusammenhalten | |
Pelosis wichtigste Aufgabe in den kommenden zwei Jahren wird es sein, die | |
eigenen Reihen zusammenzuhalten und vom Repräsentantenhaus aus eine harte, | |
aber konstruktive Oppositionspolitik zu betreiben. Ungeteilte | |
Aufmerksamkeit ist ihr dabei bestenfalls in den ersten neun Monaten dieses | |
Jahres sicher: Denn Anfang Januar 2020 beginnen mit den Iowa Caucuses | |
bereits wieder die Vorwahlen um die demokratische | |
Präsidentschaftskandidatur, und schon ab Herbst, wenn das Kandidatenfeld | |
sich herausgebildet hat, werden Medien und Öffentlichkeit eher dorthin | |
sehen als ins Capitol. | |
Und das macht den Demokraten durchaus auch Angst. Einen zerstörerischen | |
Vorwahlkampf, wie ihn sich 2016 Hillary Clinton und ihr linker Gegenspieler | |
Bernie Sanders lieferten, möchte niemand erneut sehen – umso weniger, als | |
die Demokraten zumindest davon geheilt sind, wie 2016 Trumps Siegeschancen | |
zu unterschätzen. | |
Im Idealfall müsste also die parlamentarische Oppositionsarbeit insgesamt | |
dafür sorgen, die Chancen jedes möglichen demokratischen Herausforderers zu | |
erhöhen. Was das aber heißt, ist umstritten. | |
Die Kontrolle des Repräsentantenhauses gibt den Demokraten die Möglichkeit, | |
durch Untersuchungsausschüsse und Vorladungen viel aggressiver die | |
Verfehlungen des Präsidenten und Unternehmers Donald Trump an die | |
Öffentlichkeit zu bringen, bis hin zur Einleitung eines | |
Amtsenthebungsverfahrens. Ob das aber in der Öffentlichkeit gut ankäme, ist | |
ungewiss: Sehr erfolgreich hat Trump jedenfalls bislang die Vorwürfe | |
abweisen und die Demokraten einfach als schlechte Verlierer dastehen lassen | |
können. | |
## Eine andere Agenda | |
Die jungen, progressiven Abgeordneten, die nach den Wahlen im November neu | |
in den Kongress eingezogen sind, verfolgen ohnehin eine andere Agenda. Sie | |
wollen möglichst rasch an Gesetzesentwürfen etwa für eine Ausweitung von | |
Sozialleistungen, öffentliche Gesundheitsversorgung und kostenlose | |
Universitätsbildung arbeiten – Forderungen, für deren immer allgemeinere | |
Akzeptanz im demokratischen Lager der Sanders-Wahlkampf 2016 das Fundament | |
gelegt hatte. | |
Auch das aber kann im Parlament zu innerdemokratischen Verwerfungen führen. | |
Als Pelosi etwa am Donnerstag auch einen Gesetzesentwurf abstimmen ließ, | |
nach dem jede neu beschlossene Ausgabe entweder durch den Wegfall eines | |
gleichhohen anderen Haushaltspostens oder aber durch entsprechende | |
Steuererhöhungen finanziert werden solle, gingen Jungstar Alexandra | |
Ocasio-Cortez und andere auf Distanz. | |
Die auch international viel beachtete 29-Jährige schimpfte, dass sich die | |
Demokraten damit selbst die Hände bänden – während den einst so | |
fiskalkonservativen Republikanern die Erhöhung des Staatsdefizits | |
inzwischen vollkommen egal sei. Sie sah überhaupt keinen Anlass, jetzt von | |
demokratischer Seite aus Austeritätspolitik voranzutreiben – und stimmte | |
wie auch einige andere der jungen Linken mit Nein. | |
Natürlich sind beide Positionen realpolitisch irrelevant, weil eben ohnehin | |
kein von den Demokraten verabschiedetes Gesetz die Chance hat, auch im | |
Senat verabschiedet und von Trump unterzeichnet zu werden. | |
## Der Anti-Trump-Impetus trägt nicht ewig | |
Aber was könnte andererseits wichtiger sein als Symbolpolitik, wenn es der | |
Opposition vor allem darum gehen muss, Trump über eine erste Amtszeit nicht | |
hinauskommen zu lassen und 2020 ihrerseits wieder die Kontrolle über das | |
Weiße Haus und beide Kongresskammern zu übernehmen? | |
Die Demokraten müssen es schaffen, eine sichtbare Alternative aufzubauen, | |
die Trumps Rechtspopulismus kontern kann – und eine*n dazu passende*n | |
Kandidat*n zu nominieren. Hillary Clintons Niederlage 2016 bietet im | |
Prinzip das analytische Rohmaterial, aus dem sich eine neue Linie formen | |
kann. Das aber ist keineswegs gewiss. Noch ist die demokratische | |
Parteiführung in den Händen des alten Lagers – auch etliche der neuen | |
Hoffnungsträger mussten sich mit aller Gewalt gegen die eigene Führung | |
durchsetzen. | |
Und das ist eine der Bürden, die auch Nancy Pelosi mit sich herumträgt – | |
für einen Neuanfang innerhalb der Demokraten kann sie nun wahrlich nicht | |
stehen. Das kann sie ausgleichen, indem sie sich als harte und | |
unerbittliche Gegenspielerin des Präsidenten präsentiert. Aber auch der | |
Anti-Trump-Impuls trägt nicht ewig. Die Demokraten haben 2020 beste Chancen | |
– aber sie können es auch ganz leicht vermasseln. | |
4 Jan 2019 | |
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## AUTOREN | |
Bernd Pickert | |
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