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# taz.de -- Kroatien betreibt illegale „Push backs“: Flüchtlinge nach Bosn…
> Aktivisten legen Aufnahmen vor, die erstmals belegen sollen, wie die
> kroatische Polizei Asylsuchende illegal abweist.
Bild: Unter schwierigsten Bedingungen harren Asylsuche in Bosnien nahe der kroa…
Zagreb/Berlin taz | Mit versteckten Kameras haben AktivistInnen gefilmt,
wie kroatische Polizisten offenbar Flüchtlinge über die Grenze zurück nach
Bosnien schicken. Die Gruppe Border Violence Monitoring gab am Wochenende 6
Gigabyte entsprechendes Material mit 113 Videos an Medien weiter und
veröffentlichte das Material [1][auf der eigenen Webseite]. Die Aufnahmen
sollen zwischen dem 29. September und dem 10. Oktober 2018 in einem Wald
bei der bosnischen Stadt Lohovo entstanden sein, 150 Kilometer südlich von
Zagreb.
Die AktivistInnen hatten Kameras an einem Waldweg montiert. 54 verschiedene
Situationen sind darauf zu sehen. Insgesamt laufen etwa 350 Menschen,
darunter Kinder, durch das Waldstück, begleitet von kroatischen Polizisten,
teils am Tag, teils in der Nacht. Manche sind in Decken gehüllt, tragen
Plastiktüten oder Taschen. Einige kroatische Polizisten haben automatische
Waffen, andere Schlagstöcke. Sie fordern die Menschen auf, in einer Reihe
zu laufen, durchsuchen sie, schubsen oder treten sie dabei.
Die Aktivistengruppe Border Violence Monitoring, an der auch Deutsche
beteiligt sind, will die Aufnahmen anonym zugespielt bekommen haben. „Wir
wissen nicht, wer sie gemacht hat“, sagt Sprecher Max Büttner der taz. „Die
Absender wollen anonym bleiben, um sich zu schützen.“
Das kroatische Innenministerium in Zagreb wollte am Sonntag gegenüber der
taz nicht Stellung nehmen. Die genauen Umstände, unter denen die Videos
entstanden, sind nicht zu überprüfen. Die AktivistInnen haben auf einigen
markante Punkte der Umgebung gefilmt, die den Aufnahmeort bei Lohovo
belegen sollen. Das Dorf liegt direkt an der Grenze von Bosnien und
Kroatien, eine halbe Stunde südlich des Nationalparks Plitvicer Seen. Dort
ist kein offizieller Übergang.
Kroatien ist als EU-Mitglied verpflichtet, Asylanträge von Ankommenden vor
einer Abschiebung zu prüfen. Seit 2016 gibt es Berichte, dass Kroatiens
Polizei dieser Pflicht nicht nachkommt und Ankommende zum Teil
[2][gewaltsam zur Grenze zurückbringt] und zwingt, zurück nach Bosnien oder
an anderer Stelle nach Serbien zu gehen. Das UN-Flüchtlingshilfswerk hat
entsprechende Aussagen Tausender Flüchtlinge in Bosnien und Serbien
gesammelt und allein in der ersten Hälfte 2018 1.954 Zurückweisungen aus
Kroatien dokumentiert. Auch der Europarat hat die Vorwürfe untersucht und
im September 2018 von Kroatiens Premierminister Andrej Plenković
Ermittlungen verlangt.
## Seit dem Sommer sitzen Tausende Flüchtlinge fest
Der UNHCR stuft Bosnien und Herzegowina sowie Serbien als „nicht sicher“
ein. „Dort gibt es noch kein Asylsystem. In Kroatien schon“, sagte
UNHCR-Sprecher Jan Kapic der taz. Deshalb dürfe Kroatien Schutzsuchende
nicht sofort zurückschicken. Im Norden Bosniens sitzen deshalb seit dem
Sommer Tausende Flüchtlinge fest. Vor allem im Winter ist ihre Lage sehr
prekär, ihre Versorgung nicht gewährleistet. Zwar werden jetzt einige
winterfeste Unterkünfte weiter südlich errichtet, doch der Bedarf wird
nicht gedeckt.
Der Kanton Bihać, wo sich die Flüchtlinge konzentrieren, versuchte
verzweifelt, Hilfe von der Regierung in Sarajevo zu erhalten. Doch nur
wenig ist geschehen. Die Bahn- und Busverbindungen zwischen Sarajevo oder
anderen Teilen Bosnien und Herzegowinas werden jetzt durch bosnische
Polizisten kontrolliert. Flüchtlinge werden an der Fahrt nach Bihać
gehindert, Busfirmen dürfen keine Flüchtlinge dorthin bringen.
Kroatien hat Vorwürfe von Polizeiübergriffen und Zurückweisungen stets
zurückgewiesen, Beweisfotos gab es bisher nicht. Flüchtlinge berichten seit
Monaten aber übereinstimmend, dass die kroatische Polizei ihnen bei
Zurückweisungen auch Handys und Geld abgenommen hat. Kroatien ist seit 2013
Mitglied der EU, aber noch kein Mitglied im Schengenraum. Die Regierung in
Zagreb strebt die Aufnahme für 2019 an. Bisher war ein wichtiges Kriterium
für die Aufnahme neuer Mitglieder in den Schengenraum, ob diese die
EU-Außengrenzen auf ihrem Territorium sichern können. Bulgarien etwa wurde
deshalb nicht aufgenommen. Die EU-Kommission fördert den Ausbau des
kroatischen Grenzschutzes.
16 Dec 2018
## LINKS
[1] https://www.borderviolence.eu/proof-of-push-backs/
[2] /Gefluechtete-in-der-EU/!5521293
## AUTOREN
Christian Jakob
Erich Rathfelder
## TAGS
Schwerpunkt Flucht
Kroatien
EU
Abschiebung
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