# taz.de -- Queere Traditionskneipe bedroht: Ein Hafen geht unter | |
> Am 3. Januar soll nach 28 Jahren Schluss sein mit der queeren Kneipe | |
> „Hafen“ in der Motzstraße. Dagegen protestiert sogar die CDU. Und es gibt | |
> tatsächlich Hoffnung. | |
Bild: Nach wie vor braucht die queere Szene sichere Anlaufstellen | |
Nein, die Umzugskisten seien noch nicht gepackt, sagt Ulrich Simontowitz. | |
Und das, obwohl er auch in diesen Tagen nach Weihnachten täglich in seiner | |
Kneipe in der Motzstraße ist. „Wir suchen im Moment nach einer Lösung. Und | |
das innerhalb einer wirklich verdammt kurzen Frist. Wir geben aber die | |
Hoffnung noch nicht auf, dass wir doch bleiben können.“ | |
Die Hoffnung scheint berechtigt. | |
Eigentlich war der Mietvertrag schon verlängert, „wir wussten, dass der | |
bestehende Vertrag am 31. 12. 2018 ausläuft“, es gab lange Verhandlungen zu | |
den Bedingungen einer Verlängerung, Mieterhöhung inklusive, „am Ende war | |
das Ding unterschriftsreif“, erzählt Simontowitz. | |
Aber dann die Überraschung: „Der neue Mietvertrag – und damit die | |
Verlängerung – wurde zurückgezogen.“ Ein Nachbar, ebenfalls aus der | |
schwulen Szene, hätte Interesse an dem Ladenlokal angemeldet, offenbar mit | |
besseren Konditionen, und so habe der Hauseigentümer entschieden, dem | |
„Hafen“ zu kündigen. „Reine Marktlogik“, kommentiert Simontowitz das | |
trocken. | |
## Ein Rückzugsort | |
Nach 28 Jahren sei das trotzdem keine einfache Sache – auch emotional. | |
Simontowitz gehört mit zu den Gründern des Hafens, er hat verdammt viel | |
erlebt mit und in seiner Kneipe. Die eben für ihn mehr als eine Kneipe ist. | |
„Wir haben das Motzstraßenfest mit gegründet und veranstaltet. Wir haben | |
Partys gefeiert. Und – das ist mir am wichtigsten – wir sind Teil der | |
queeren Community hier im Kiez, wir sind Ansprechpartner und Rückzugsort. | |
Und das soll jetzt vorbei sein.“ Simontowitz spricht mit fester Stimme, | |
klingt dadurch kämpferisch. | |
Der Hafen war ein sicherer für viele Menschen, die jenseits der | |
Geschlechter- und der sexuellen Norm leben – und deshalb weit über die | |
Motzstraße hinaus bekannt. Hat sich das schwule Sexleben schon lange von | |
Nollendorfkneipen in virtuelle Chats verlagert? Und war das Aus für den | |
Hafen damit nur eine Frage der Zeit? | |
Es sei ein großer Irrtum, die schwule Szene als zu normal anzuerkennen, | |
findet Ulrich Simontowitz und ermahnt damit die jüngere Generation. „Denn | |
wenn ich so sehe, dass die schwule Szene in Hamburg oder München so | |
zusammengebrochen ist, dann tut das schon weh. Das ist mehr als ein Ort zum | |
Saufen, für den wir da kämpfen, das ist eine wertvolle Struktur.“ | |
## Große Solidarität | |
Und tatsächlich – die Resonanz auf die Ankündigung, dass der Hafen | |
dichtmacht, war groß, Solidaritätsbekundungen kamen aus allen Ecken. Der | |
linke Kultursenator Klaus Lederer twitterte: „Berlin braucht diese Orte!“ | |
Und die queerpolitischen Sprecher*innen der Berliner SPD, Grünen und Linken | |
erklären, dass Berlin durch die Verdrängung aus dem Regenbogenkiez ärmer | |
würde. | |
Selbst CDU-Mann Jan-Marco Luczak, der Tempelhof-Schöneberger | |
Bundestagsabgeordnete, stimmt ihnen zu. Sie alle schieben die Verantwortung | |
für das Aus ausschließlich dem Hauseigentümer zu und fordern ihn auf, zu | |
handeln. Die eigene politische Verantwortung, für solche Schutzräume per | |
Gesetz einzutreten, klammern sie aus. | |
Auf Anfrage der taz wollte sich der Eigentümer nicht äußern. Als die | |
Betreiber angekündigt haben, am 3. Januar zwar die Schlüssel zu übergeben, | |
dies aber zusammen mit rund 1.600 feierwütigen Kiez-Liebhaber*innen tun zu | |
wollen, knickt der Hauseigentümer ein, zumindest ein bisschen. Er fordert | |
sowohl die Hafen-Betreiber als auch den potenziellen Nachmieter auf, sich | |
zu einigen. Simontowitz: „Wir sind durch die breite Solidarität echt | |
ermutigt worden zu sagen: Wir bleiben.“ Fragt sich nur, wie lange noch. | |
2 Jan 2019 | |
## AUTOREN | |
Marc Feuser | |
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