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# taz.de -- Kolumne Habibitus: Ab heute bin ich wieder antideutsch
> Viele antideutsche Positionen sind antimuslimisch oder transfeindlich.
> Und doch gibt es auch antideutsch Gelabeltes, das unverzichtbar ist.
Bild: Es gibt es auch antideutsch Gelabeltes, das unverzichtbar ist
„Voll antideutsch, ey!“ Ob in Kommentarspalten oder an Stammtischen: Wo
Menschen ihre düstersten Gedanken ausschütten, fällt oft dieser Spruch.
„Antideutsch“ – als sehr schwammiges Synonym für „scheiße“ – benu…
sowohl völkische, äh, besorgte Deutsche, die so meine Kolumnen bezeichnen,
als auch andere Linke, die damit „irgendwie israelsolidarisch“ meinen.
Zugegeben: Vor ein paar Jahren gehörte ich noch selber zu der Gruppe, die
eine Summe aus Israelsolidarität, Queerbashing, antimuslimischem Rassismus
und Adorno-Groupietum (ich bin für Israelsolidariät und für Adorno) mit
„antideutsch“ gleichsetzte. Ich schrieb Texte darüber, wie sehr es mich
aufregt, dass sie als weiße, christlich sozialisierte Deutsche
Jüdinnen_Juden gleichzeitig bevormunden und fetischisieren. Lese ich diese
Texte heute, schäme ich mich für manche der Passagen.
Mittlerweile weiß ich: Nicht alles, [1][was antideutsch ist], ist
automatisch schlecht. Schließlich bin ich mit antideutscher Jugendkultur
sozialisiert worden und habe von Antideutschen viel gelernt. Zum Beispiel,
dass sich nicht alle antirassistischen Konzepte aus den USA ohne jegliche
geschichtliche Transferleistung auf Deutschland übertragen lassen.
Oder über die Komplexität von Antisemitismus, unter dem eben mitnichten
einfach nur „was gegen Juden haben“ zu verstehen ist, sondern der sehr
häufig den Kitt bildet, der unterschiedliche politische Gruppierungen
zusammenhält. (Gut, das meiste brachten mir meine jüdischen Freund_innen
bei, aber auch antideutsche Kritik.) Es ist schade, dass nicht alle
antirassistischen Aktivist_innen Antisemitismus mitdenken und dass sie ihn
zum Teil sogar reproduzieren. Trotzdem sollte Anti-Antisemitismus nicht nur
Kartoffeln überlassen werden.
## Manches Antideutsche ist unverzichtbar
Von sogenannten „Rechtsantideutschen“ über Kommunist_innen bis zu
linksradikalen Antifaschist_innen ist die Bandbreite derer, die andere
diffamierend als antideutsch bezeichnen, sehr groß. Auch hinter dem Label
„Feminist_in“ kann eine böse Überraschung stecken, man denke nur an Alice
Schwarzer, Ivanka Trump oder Lena Dunham. Höre ich deshalb auf, mich als
Feminist_in zu bezeichnen? Nein.
Es stimmt, dass zu viele antideutsch gelabelte Positionen
ressentimentgeladen sind und einen Rattenschwanz aus
Rape-Culture-Apologetik, antimuslimischem Rassismus,
Kolonialismus-Relativierung, Transfeindlichkeit oder Schmusereien mit
Rechten hinter sich herziehen. Und doch gibt es auch antideutsch
Gelabeltes, das unverzichtbar ist. Das beweist allein ein Blick auf die
Entstehungsgeschichte.
Vielleicht reclaime ich einfach diese Selbstbezeichnung aus meiner
Jugendzeit: Ab heute bin ich wieder antideutsch! Ist doch auch schön: Das
Einzige, was Almans mehr Angst bereitet als linksradikale, queere, trans,
feministische, antirassistische, dicke Kanax sind antideutsche,
linksradikale, queere, trans, feministische, antirassistische, dicke Kanax.
17 Dec 2018
## LINKS
[1] /Morddrohungen-gegen-Hamburger-Linke/!5442781
## AUTOREN
Hengameh Yaghoobifarah
## TAGS
Antideutsche
Antisemitismus
Feminismus
Kolumne Habibitus
Antideutsche
Lost in Trans*lation
Queerfeminismus
Schwerpunkt Rassismus
Kolumne Habibitus
Trans
Kolumne Habibitus
#Unteilbar
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