Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Scheidende Chefredakteure 2018: Gehen, ging, gegangen
> „Spiegel“, „Bild“, „Stern“ und „Frankfurter Rundschau“ wechse…
> ihr Spitzenpersonal aus. Das Ende älterer weißer Männer in
> Chefredaktionen?
Bild: Tanit Koch verließ die „Bild“ im Februar
Wenn es in offiziellen Verlagsmitteilungen heißt, ein Mitglied der
Chefredaktion höre auf eigenen Wunsch auf, um noch einmal etwas völlig
anderes auszuprobieren, ist Skepsis geboten. Zu oft wurde solchen Wünschen
in der Vergangenheit mehr als nur ein bisschen nachgeholfen. Und ehrliches
Zugeben, dass sich die Wege aufgrund unterschiedlicher Auffassungen über
das, was kommt, kommen soll oder kommen muss, trennen, hat in Deutschland
weiterhin Seltenheitswert. Gerade in der Medienbranche.
Womit wir bei Tanit Koch wären: Was war das für ein Hoffnungsschimmer auf
dem Boulevard, als sie 2016 als erste Frau die Chefredaktion der täglichen
Bild vom etwas lustlos gewordenen Kai Diekmann übernahm. Doch dann setzte
man ihr bild.de-Chef Julian Reichelt vor die Nase, als „Vorsitzenden der
Bild-Chefredaktionen“, und im Februar 2018 hatte Koch selbige voll – und
machte daraus auch keinen Hehl: „Es hat in der Konstellation schlicht nicht
funktioniert“, sagte sie so offiziell wie ehrlich der dpa. [1][Abgang mit
Stil]. Und jetzt? Freie Journalistin.
Drei Männer werden 2019 auch nicht mehr Chefredakteure sein. Alle drei
kommen von national beachteten Medien, denen der digitale Wind ins Gesicht
bläst und die zudem noch ihr ganz hausgemachtes Süppchen kochen. Die Rede
ist von Spiegel, Frankfurter Rundschau (FR) und Stern.
Okay: Arnd Festerling, der mit Ex-taz-Chefin Bascha Mika die Geschicke der
FR leitet, ist auch 2019 noch nicht so richtig weg. Festerling werde das
Blatt „Mitte des kommenden Jahres auf eigenen Wunsch verlassen, um noch mal
etwas anderes auszuprobieren“, so die FR in eigener Sache Mitte Dezember.
Und als ob es Steuervorteile gäbe, wenn man derlei Personalrochaden noch
kurz vor Weihnachten durchzieht, teilte einen Tag später auch der Stern
mit, das sein Chefredakteur Christian Krug nach vier Jahren auf dem nicht
mehr ganz so sonnenverwöhnten Oberdeck des Gruner-+-Jahr-Dampfers demnächst
etwas anderes macht. Da war Klaus Brinkbäumers Abgang beim Spiegel schon
vollzogen.
Drei weitere „Longseller“ der deutschen Zeitungs- und Zeitschriftenbranche
wechseln also 2018 auf der Brücke mal eben durch. Schon raunt es
schaurig-schön „Chefredakteursdämmerung“ durchs (Fach-)Publikum. Ja, was
sollen sie denn auch machen, wenn es nirgendwo so richtig läuft – und die
Läden selbst auf der Verlags- beziehungsweise Gesellschafterseite auch
nicht so viel schlauer aus der Wäsche gucken?
Zwischen dem jeweiligen Schicksal der drei Herren tun sich indes deutliche
Unterschiede auf, die zu einer ganz hübschen Typologie führen.
Da ist zunächst einmal der tragische Held, 2018 gegeben von Klaus
Brinkbäumer: Nach den Querelen um seinen Vorgänger Wolfgang Büchner galt
Brinkbäumer als Hoffnungsträger. Zunächst schien auch alles gut anzulaufen,
zu Brinkbäumers Verdiensten gehört etwa, dass er die vom Streit um Büchner
höchst verkeilte Print- und Online-Belegschaft wieder einigermaßen
versöhnte. Als Blattmacher hatte er aber kein glückliches Händchen, und
dass der Spiegel so lange in zwei Welten – Print und Digital – existiert,
hat offenbar auch den Hoffnungsträger geschreddert. [2][Weshalb Brinkbäumer
das Haifischbecken vorfristig schon im Herbst verließ]. Und jetzt immerhin
nicht noch den Relotius-Skandal als volle Breitseite mitbekommt.
Arnd Festerling dagegen ist der Typ „treuer Arbeiter im Weinberg“ – ja von
wem eigentlich? Im Februar 2018 hatte die Fazit-Stiftung die FR nebst der
lokalen Frankfurter Neuen Presse an die Ippen-Gruppe verkauft. Das
Schicksal der FR ist hart: Von überregionalen Ambitionen musste sich die FR
längst verabschieden. Mit Festerling verliert sie 2019 den Mann, der sie
lokal als Marktführer in der Stadt Frankfurt lange hat auf Kurs halten
können.
Bleibt noch Christian Krug: Seine Ablösung beim Stern hatte keiner so
richtig auf dem Zettel, sie hat aber auch niemanden aufgeregt. Krug ist
mindestens ebenso viel Manager wie Journalist, und dass sie vor allem
Erstere wollen, hatte Gruner + Jahr schon 2014 mit seiner Berufung an die
Spitze der schwächelnden Hamburger Wundertüte klargemacht.
Jetzt wird Krug andernorts gebraucht – mancher sagt auch, wegen insgesamt
doch mauer Performance beim Stern (harte Auflage im 3. Quartal 2018 knapp
450.000 Exemplare – der Spiegel liegt fast 200.000 darüber) weggelobt. 2019
wird er „Chefredakteur Neue Geschäftsfelder“ und soll „weitere inhaltlic…
Geschäfte entdecken, entwickeln und fördern“. Das klingt hübsch unkonkret
und erinnert an einen schönen Satz, den Krugs Vorgänger Dominik Wichmann
vor ein paar Wochen dem Branchenmagazin Horizont gesagt hat. Die Annahme,
dass die Auflage mit dem Auswechseln von Chefredaktionen plötzlich wieder
steigen könnte, sei „geradezu lächerlich falsch“.
Immerhin das scheint den obersten Verlagsleitungen jetzt auch zu dämmern:
Beim Stern übernehmen nun Stern.de-Chefredakteurin Anna-Beeke Gretemeier
und Florian Gless, bislang als Publisher Wissen bei G+J im Dienst, als
gleichberechtigte Chefredakteure. Beim Spiegel tritt gleich ein Triumvirat
aus Spiegel-Online-Chefin Barbara Hans, Spiegel-Reporter Ullrich Fichtner
und Steffen Klusmann, dem letzten Chefredakteur der untergegangenen
Financial Times Deutschland, an.
Ist die Zeit der älteren weißen Männer, die alleine Chef spielen durften,
also endlich vorbei? Geht der Trend klar zur crossmedialen Doppelspitze mit
Dame? Schön wär’s! Doch warum passt dann beim Stern noch Frank Thomsen als
„Publisher“ auf die Chefedaktion auf? Und warum ist beim Spiegel Klusmann
als „Vorsitzender“ des Chefteams gesetzt? Nur bei der FR haben sie keine
Angst. Dort darf demnächst Bascha Mika ganz allein ans Ruder.
28 Dec 2018
## LINKS
[1] /Tanit-Koch-verlaesst-Springer/!5481850
[2] /Der-Spiegel-wechselt-Chefredaktion-aus/!5527525
## AUTOREN
Steffen Grimberg
## TAGS
Klaus Brinkbäumer
Bild-Zeitung
Stern
Der Spiegel
Frankfurter Rundschau
Tanit Koch
Printmedien
Der Spiegel
Der Spiegel
Tanit Koch
Schwerpunkt Brexit
Lesestück Recherche und Reportage
Der Spiegel
Digitale Medien
## ARTIKEL ZUM THEMA
Barbara Hans verlässt den „Spiegel“: Traditioneller Machtkampf
„Spiegel“-Chefredakteurin Barbara Hans geht zum Monatsende. Ihr Abschied
zeigt, dass die Fusion von Online und Print längst nicht abgeschlossen ist.
Interner Streit beim „Spiegel“: Hang zur „Selbstzerfleischung“
„Spiegel“-Mitarbeiter*innen sind empört über den Umgang mit Chefredakteur…
Barbara Hans. Ein interner Beschwerdebrief bekam 136 Unterschriften.
Büchner verlässt Madsack: Try Again. Fail again. Fail better.
Vor zwei Jahren hatte Wolgang Büchner beim RND als Chefredakteur
angefangen, im Januar wurde er Geschäftsführer. Nun verlässt er das
Redaktionsnetzwerk.
Tanit Koch wechselt zu n-tv: Die Ruhige
Tanit Koch steigt wieder ein: Nach einem Jahr Auszeit beginnt die
Ex-Bild-Chefin nun beim Fernsehsender n-tv. Es ist ein später Triumph.
Kolumne Flimmern und Rauschen: Hey „Mr. Speaker“
Die Debatten im britischen Parlaments-TV sind derzeit echter Shakespeare.
May ist in ihrer betonfrisierten Hartnäckigkeit schon zu bewundern.
Der Fall Claas Relotius und Journalismus: Das Problem der Geschichten
Claas Relotius ist Produkt eines journalistischen Zeitgeistes, der
Schönschreiben feiert. Und Recherche und Quellen-Transparenz
vernachlässigt.
Kolumne Flimmern und Rauschen: Eine der großen Antipoden
Beim „Spiegel“ in Hamburg ist immer was los. Während die neue Chefredaktion
ihren Start vorbereitet, schaut ein Ehemaliger freimütig zurück.
Zukunft der Zeitung: Wie machen es die anderen?
Redaktionsfusionen, Podcasts, Bezahlschranken – so verhalten sich deutsche
Zeitungshäuser in digitalen Zeiten.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.