# taz.de -- Interner Streit beim „Spiegel“: Hang zur „Selbstzerfleischung… | |
> „Spiegel“-Mitarbeiter*innen sind empört über den Umgang mit | |
> Chefredakteurin Barbara Hans. Ein interner Beschwerdebrief bekam 136 | |
> Unterschriften. | |
Bild: Barbara Hans im Jahr 2007, seit 2019 Teil einer dreiköpfigen Chefredakti… | |
HAMBURG taz | Gerade noch hatte die Spiegel-Chefredakteurin [1][Barbara | |
Hans] in einem Essay angemerkt, dass „viele Redaktionen gespalten“ seien: | |
„Alt gegen Jung, Print gegen Digital, Männer gegen Frauen, Redaktion gegen | |
Verlag“, [2][schrieb Hans im Journalist], dem Medienmagazin des Deutschen | |
Journalistenverbands. | |
Nur eine Woche später scheint es, als gälte das ganz besonders für den | |
Spiegel selbst. 136 Spiegel-Mitarbeiter*innen erheben in einem offenen | |
Brief an Chefredaktion und Teile der Geschäftsführung schwere Vorwürfe, was | |
den internen Umgang mit Barbara Hans angeht. „Andere Medien“ hätten „in | |
einer Art und Weise“ berichtet, die manche von uns an Mobbing erinnerten“, | |
steht in dem Schreiben. Eine in der Redaktion geachtete Chefredakteurin sei | |
mit „teils ehrabschneidenden Darstellungen überzogen“ worden. | |
Denn kürzlich war beim Branchendienst Horizont ein Artikel erschienen, der | |
nahelegte, Hans solle aus der Chefredaktion gedrängt werden. Nachdem Hans | |
aus dem Mutterschutz zurückgekehrt sei, heißt es in dem Text, habe sie | |
[3][„ihre Rolle nicht finden können oder wollen, ihre Aufgaben seien | |
unklar, in der fusionierten Redaktion nicht mehr vorhanden oder anderweitig | |
verteilt, sagen manche“]. Das Fachmagazin kam zu dem Fazit, Hans werde | |
„ihren Posten in der nächsten Zeit verlassen“. | |
Man stelle sich vor, jemand verbreite über eine männliche Führungskraft, | |
sie habe nach der Elternzeit ihre „Rolle nicht finden können“ – so etwas | |
wäre wenig wahrscheinlich. Allerdings müssen derartige Informationen ja von | |
jemandem aus dem Spiegel-Verlag an Horizont durchgestochen worden sein. | |
Unter anderem über die Weitergabe von „Interna nach außen“ beschweren sich | |
nun die 136 Spiegel-Mitarbeiter*innen in dem offenen Brief. Die ganze Sache | |
sei „menschlich, kommunikativ und strategisch fatal“. | |
## „Selbstzerfleischung“ | |
Und ja, wenn man sich zwecks Beschleunigung einer Personalentscheidung zum | |
Waidwundschuss in einem Branchendienst entschließt, dann ist das in der Tat | |
unappetitlich. Unabhängig davon, was es an der Arbeit von Hans zu | |
kritisieren geben mag: Die Art, wie gegen sie agiert wird, spricht nicht | |
für ihre Kritiker*innen. | |
Das sehen aber offenbar nur wenige Spiegel-Führungskräfte so. Unter den | |
Briefunterzeichner*innen finden sich nur drei der 19 CvDs. Unter den | |
Ressort- und Teamleiter*innen und ihren Stellvertreter*innen ist | |
die Quote noch geringer. | |
Die Unterzeichner*innen betonen, sie seien zuletzt von Außenstehenden | |
oft gefragt worden, „warum das Haus gefühlt alle zwei Jahre einen Prozess | |
der Selbstzerfleischung benötige, um strategische Diskussionen und | |
Veränderungen herbeizuführen“. Eine berechtigte Frage. Um nur Schlaglichter | |
zu nennen: In der jüngeren Vergangenheit zerfleischte sich schon eine | |
Doppelspitze (Georg Mascolo/Mathias Müller von Blumencron), ein | |
Kurzzeitchef (Wolfgang Büchner) scheiterte danach mit unausgegorenen | |
Reformplänen an Teilen der Belegschaft. Die größte Imagekrise resultierte | |
schließlich Ende 2018 aus den Enthüllungen über das Wirken des | |
schwindelnden Reporters [4][Claas Relotius]. | |
Neigt man zur Mystik, könnte man vermuten, dass der Hang zur | |
„Selbstzerfleischung“ beim Spiegel stets weiter „vererbt“ wird, unabhä… | |
davon, welche Personen gerade an welchen Schalthebeln sitzen. Ein ähnliches | |
Phänomen gibt es in der Spiegel-Stadt Hamburg noch bei einem anderen | |
bundesweit bekannten Unternehmen: dem Fußball-Zweitligisten HSV. | |
## „Personalroulette“ | |
In ihrem Journalist-Essay erwähnt Hans auch, es sei notwendig, dass sich | |
Medienhäuser fundamental neu organisieren. Dazu schreibt sie: „Das | |
Personalroulette vieler Verlage ist Ausdruck dieser teils erratischen Suche | |
nach Lösungen, die Personen zu Problemen erklärt und in der Folge auf der | |
Stelle tritt. Die Akteure variieren, die strukturellen Probleme aber | |
bleiben.“ | |
Damit scheint sie auf sich selbst als mögliches „Personalroulette“-Opfer | |
anzuspielen. Den zweiten Satz kann man eigentlich nur auf den Spiegel | |
beziehen. Hans kam 2007 als Volontärin ins Haus, für eine andere Redaktion | |
hat sie seither nicht gearbeitet. | |
31 Jan 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Relaunch-beim-Spiegel/!5651273 | |
[2] https://www.journalist.de/startseite/detail/article/von-mut-macht-und-vertr… | |
[3] https://www.horizont.net/medien/nachrichten/umbau-beim-spiegel-barbara-hans… | |
[4] /Claas-Relotius/!t5560754 | |
## AUTOREN | |
René Martens | |
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