# taz.de -- Korruption und Flüchtlingshilfe: So schummelt das Musterland Uganda | |
> Uganda nimmt mehr Flüchtlinge auf als jedes andere Land in Afrika. Jetzt | |
> aber bestätigen sich Vorwürfe schwerer Korruption und Diebstahls. | |
Bild: Bidi Bidi, eine Hüttensiedlung südsudanesischer Flüchtlinge in Uganda | |
Kampala taz | Es ist ein Riesenkandal für das „Flüchtlings-Musterland“ | |
Uganda. In einem internen Prüfbericht des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR | |
über den Einsatz internationaler Flüchtlingshilfen ist von Betrug, | |
Diebstahl und Korruption die Rede. | |
Bereits zu Jahresbeginn waren nach taz-Recherchen Korruptionsvorwürfe in | |
Ugandas Flüchtlingsministerium laut geworden. UN-Flüchtlingskommissar | |
Filippo Grandi kam angereist und drohte mit Sanktionen, falls die | |
Anschuldigungen wahr seien. Sie sind wahr – und die Korruption hat System. | |
Schon Ugandas offizielle Flüchtlingszahlen sind falsch. Über 1,4 Millionen | |
Flüchtlinge beherbergt das Land angeblich – so viele wie kein anderes Land | |
in Afrika. Mit dieser Zahl ging die Regierung hausieren, pochte auf | |
Solidarität und trieb weltweit Hilfsgelder ein. Mit Erfolg: Die | |
UNHCR-Ausgaben in Uganda stiegen auf über 200 Millionen Dollar 2017 – die | |
EU, Deutschland, Großbritannien und die USA bezahlten den Löwenanteil. Doch | |
biometrische Verifizierung zeigte: Über 300.000 Flüchtlinge sind „Fake“ in | |
der Datenbank. Entweder wurden Einheimische als Flüchtlinge gelistet oder | |
die Zahlen wurden manipuliert. Allein das herauszufinden, hat elf Millionen | |
Dollar gekostet. | |
Sämtliche Hilfsgüter wurden also aufgrund zu hoher Zahlen veranschlagt. | |
Doch das ist nicht alles: Der 41-seitige Bericht kritisiert die mangelhafte | |
Überwachung der Verwendung der Projektgelder. Im Jahr 2017 hat das UNHCR | |
über 31 Millionen Dollar an Partner verteilt, also internationale oder | |
lokale Hilfswerke sowie Firmen, die in den Lagern Kochgeschirr verteilen, | |
Toiletten bauen oder Trinkwasser anliefern. Wer welches Projekt umsetzt, | |
wurde aber entgegen den UNHCR-Richtlinien von Ugandas | |
Flüchtlingsministerium entschieden und damit Vetternwirtschaft Tür und Tor | |
geöffnet. | |
## Vetternwirschaft bei Auftragsvergabe | |
Es ist kein Geheimnis, dass ugandische Regierungsmitglieder und deren | |
Verwandte Nichtregierungsorganisationen gegründet haben, um Verträge | |
zugeschanzt zu bekommen. Der UNHCR-Bericht belegt nun, dass Partner Geld | |
bekommen haben, obwohl sie in der Vergangenheit Geld veruntreut haben, für | |
die konkreten Projekte nicht geeignet waren oder sich gar nicht beworben | |
hatten. | |
So sollte eine Logistikfirma im Bezirk West Nile über 1.200 Kilometer | |
Straßen befestigen. Rund acht Millionen US-Dollar stellte das UNHCR bereit. | |
Doch dieser „Partner“ war laut Bericht „für Straßenbau gar nicht | |
qualifiziert“. Die Firma bestellte die falschen Maschinen, die dann | |
„unbenutzt am Straßenrand lagen“. Ob die Straßen gebaut wurden, wurde | |
bislang „nicht unabhängig bestätigt“. | |
Dasselbe bei der Verteilung von Hilfsgütern. In manchen Warenlagern gab es | |
Überschüsse: überzählige 288.000 Decken, 117.000 Gartengeräte, 63.000 | |
Küchensets und über 50.000 Schubkarren. Es fehlen hingegen über 15.000 | |
Solarlampen und knapp 30.000 Hygienebinden. Der Bericht bescheinigt | |
„armselige Zugangs- und Sicherheitskontrollen“, was ein „zunehmendes Risi… | |
des Verlusts von Inventar durch Diebstahl“ darstelle. | |
## Kaum Konsequenzen | |
Die Einzelbeispiele sind eine Sache – die andere Sache ist die Systematik. | |
Denn es sind nicht einfach durch Schlamperei Hilfsgüter verschwunden, | |
sondern es wurden im großen Stil Warenbestände umgehäuft. Bestände wurden | |
gegenüber dem UNHCR als „verteilt“ deklariert, dabei waren sie von | |
ugandischen Offiziellen in ein „unkontrolliertes“ Lager gebracht worden. | |
Der UNHCR versicherte am Montag: „Verschiedene korrigierende Maßnahmen | |
wurden getroffen.“ Er erklärt die Misswirtschaft vor allem mit dem | |
„massiven Zustrom“ von Flüchtlingen in abgelegenen Regionen ohne „genüg… | |
Personal“ sowie durch „schnell wachsende Operationen mit neuen Partnern“. | |
Ernsthafte Konsequenzen, wie Grandi sie angekündigt hatte, bleiben aus. | |
Dass der UNHCR beide Augen zudrückt, zeigt sich am Ende des Berichts. | |
Geprüft wurde nämlich, ob vergangene Empfehlungen umgesetzt wurden. 2016 | |
wurde festgestellt: Über 320 Fahrzeuge wurden an lokale NGOs verteilt, ohne | |
zu prüfen, ob diese ein Auto benötigen. Die Benzinkosten: eine | |
Viertelmillion Euro. 2017 wurden noch mehr Fahrzeuge verteilt. Die | |
Benzinkosten stiegen auf 3,5 Millionen Dollar. „Es wurden keine | |
angemessenen Maßnahmen getroffen“, so die Prüfer. | |
4 Dec 2018 | |
## AUTOREN | |
Simone Schlindwein | |
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