# taz.de -- Konflikt um Goldvorkommen: Am goldenen Arsch der Welt | |
> Im Tschad artet ein Konflikt zwischen Goldgräbern und dem Militär zu | |
> einem Krieg aus, an dem sich nun auch die Nachbarländer beteiligen. | |
Bild: Die Opposition wirft Präsident Déby vor, nur sich und seinen Clan berei… | |
N’DJAMENA taz | Ein lokaler Konflikt um die Goldvorkommen des | |
Tibesti-Gebirges im Norden des Tschads ist dabei, in einen regionalen Krieg | |
im Dreiländereck mit Libyen und dem Niger zu eskalieren. Seit dem 10. | |
Oktober lässt Tschads Präsident Idriss Déby 1.500 Soldaten gegen nach | |
seinen Angaben „terroristische Gruppen und Dschihadisten“ in der | |
Wüstenregion vorgehen. Während ein Armeesprecher vergangene Woche die | |
Eroberung der Provinzstadt Miski vermeldete, behaupten lokale | |
„Verteidigungskomitees“ gegenüber der taz, drei Angriffswellen der | |
tschadischen Armee zurückgeschlagen zu haben. | |
Das Tibesti-Bergmassiv ist das höchste Gebirge der Sahara, mit Spitzen bis | |
zu 3.400 Meter hoch und atemberaubenden Gesteinsformationen. In den Canyons | |
wird nach Gold geschürft. Rund um die Orte Miski und Timan Erdimi sind in | |
den letzten Jahren zwischen den erloschenen Vulkanen und Sanddünen | |
Zeltstädte mit mehreren tausend Goldsuchern entstanden. | |
Die oft nur wenige Meter unter der Oberfläche liegenden Goldadern haben der | |
im Tibesti lebenden Volksgruppe der Toubou Wohlstand gebracht. Benzin, | |
schwere Geräte, Lebensmittel und Toyota-Jeeps werden aus der 1.500 | |
Kilometer entfernten libyschen Hauptstadt Tripolis oder Sudans Hauptstadt | |
Khartoum herangeschafft – mit dem eigenen Staat um die tschadische | |
Hauptstadt N’Djamena haben die Toubou wenig zu schaffen. | |
Der Wirtschaftsboom in Tibesti hat dazu beigetragen, [1][die | |
Migrationsbewegungen aus Afrika südlich der Sahara] an Libyens Küste in | |
diesem Jahr deutlich zu reduzieren. Die nichtarabischen Wüstenvölker – | |
neben den Toubou auch die Tuareg – setzen statt auf Schmuggel von Menschen | |
nun auf Dienstleistungen rund um den Goldrausch. Doch seit den täglichen | |
Luftangriffen der tschadischen Mig-Kampfflugzeuge, erworben von Präsident | |
Déby aus der Ukraine während des tschadischen Ölbooms, greifen die Toubou | |
wieder zu den Waffen. | |
## Déby führt laut Opposition einen „persönlichen Krieg“ | |
„Das Tibesti-Gebirge heißt in unserer Sprache ‚Tu‘– die Welt“, erkl�… | |
Libyens ehemaliger Kulturminister Younis Rebyana Issa, ein Toubou aus der | |
Wüstenoase Rebyana. „Déby hat mit den Angriffen den im Tschad, Libyen und | |
Niger lebenden Toubou den Krieg erklärt, denn wir betrachten Tibesti als | |
Ursprung unserer Kultur.“ | |
Nicht nur aus Sicht vieler Toubou, auch in den Augen der Opposition in | |
Tschads Hauptstadt N’Djamena kämpfen die Regierungstruppen nicht gegen | |
Terroristen, sondern um die Kontrolle der Goldvorkommen. Oppositionsführer | |
Salak Gibsaban kritisiert, dass [2][der seit 28 Jahren regierende Déby] | |
einen „persönlichen Krieg führt, um sich und seinen Clan zu bereichern“. | |
Die Hauptstadt-Zeitung Le Voix berichtet, dass Déby eine chinesische Firma | |
in Miski ansiedeln wollte, um die Förderung zu erhöhen. Die Stadtverwaltung | |
zog jedoch ihr Einverständnis zurück, als der Verteidigungsminister 500 | |
Regierungssoldaten mitschickte. Daraufhin hätten am 1. September die ersten | |
Luftangriffe begonnen, berichtet der Sprecher der Verteidigungsräte, Molli | |
Sougi. Der 50-Jährige bekräftigt, dass die Toubou selbst immer wieder von | |
Dschihadisten angegriffen würden. | |
## 5.000 Eingeschlossene in Miski | |
„Es geht Deby ausschließlich darum, die Bevölkerung zu vertreiben und | |
zusammen mit chinesischen Investoren die Goldvorkommen in Miski und weiter | |
nördlich den Aouzou-Streifen an der libyschen Grenze zu kontrollieren“, so | |
Sougi. In Aouzou werden Afrikas größte Uranvorkommen vermutet. | |
Jahrzehntelang hatte Libyen unter Muammar al-Gaddafi deswegen den | |
Grenzstreifen beansprucht und besetzt gehalten und sich darüber Kriege mit | |
Frankreich geliefert. | |
Während tschadische Kampfflugzeuge jetzt täglich rund um Miski Bomben | |
abwerfen, hat die Regierung die noch von den französischen Kolonialherren | |
gezogenen administrativen Grenzen des Tibesti verlegt. Miski gehört nun zu | |
der weiter südlich gelegenen Provinzstadt Feya, in der keine Toubou leben. | |
Die Armee hat sämtliche Zugangsrouten nach Miski blockiert. Da es für die | |
5.000 Eingeschlossenen keine Ärzte oder Krankenhäuser gibt, seien viele der | |
über hundert zivilen Opfer in kritischem Zustand, berichtet Molli Sougui. | |
## Tschad ist führendes Mitglied der Antiterrorkoalition | |
Lokale Toubou-Einheiten und Schmuggler haben unterdessen kampferfahrene | |
Toubou aus Libyen und Niger angeworben, während die tschadischen Militärs | |
weitere Spezialtruppen der Zaghawa-Ethnie von Präsident Déby einfliegen. | |
„Wir müssen verhindern, dass ein regionaler oder ethnischer Krieg Libyen | |
oder Niger erfasst. Damit würde die Wirtschaft der sowieso schon | |
entstaatlichten Nordsahara endgültig zusammenbrechen. Die Dschihadisten | |
warten nur darauf“, warnte der tschadische Oppositionsführer Laouken Medard | |
am Montag vergangener Woche in N’Djamena. | |
Tschad ist ein führendes Mitglied der Antiterrorkoalition, die zusammen mit | |
der französischen Armee in Mali gegen den „Islamischen Staat“ kämpft und … | |
der Südwestgrenze des eigenen Landes gegen Boko Haram aus Nigeria. Tschads | |
Armee gilt unter Experten als schlagkräftig und effektiv – d[3][ie Politik | |
des seit 1990 regierenden Präsidenten Déby hingegen als diktatorisch und | |
ineffektiv]. | |
Die US-Armee lieferte nach Angaben von Samantha Reho, Sprecherin des | |
US-Afrika-Kommandos Africom, kürzlich militärische Ausrüstung, sechs | |
Patrouillenboote für die Bekämpfung von Boko Haram auf dem Tschadsee und | |
zwei Cessna-Aufklärungsflugzeuge. Von seinem Hauptquartier in Stuttgart | |
koordiniert Africom die US-Militäreinsätze in N’Djamena, von wo aus | |
Eingreiftruppen immer wieder zu Spezialeinsätzen gegen radikale Gruppen in | |
der Sahara ausrücken. | |
## Konflikte weiten sich auf schwer vorhersehbare Weise aus | |
Unter Leitung von Africom und französischen Ausbildern wurde auch die | |
sogenannte G5-Armee aufgebaut, eine Armeeallianz von fünf Ländern des | |
Sahel, die in Mali unter französischer Führung im Einsatz ist. In der | |
Wüstenoase Wour, im Dreiländereck von Niger, dem Tschad und Libyen, sollen | |
zukünftig G5-Einheiten unter französischer und tschadischer Führung eine | |
neue Militärbasis betreiben. | |
Mit dem neuen Krieg im Norden des Tschads weiten sich nun die Konflikte in | |
schwer vorhersehbarer Weise aus. Drei tschadische Rebellengruppen bieten | |
sich bereits in der südlibyschen Sahara als Söldner an. Tiama Ordemy | |
befehligt eine in der Oase Temesa stationierte Gruppe, die aus Katar und | |
der faktisch autonomen libyschen Küstenstadt Misrata unterstützt wird. | |
Rebellenkommandeur Ali Mehdi hat eine Kaserne im zentrallibyschen Dschufra | |
besetzt und wird von Feldmarschall Khalifa Hafter bezahlt, dem „starken | |
Mann“ Ostlibyens, der gegen Misratas Milizen kämpft. Kommandeur „Zizi“ | |
kämpft mit 500 Mann mit Milizen aus dem westlibyschen Zintan, wo Muammar | |
Gaddafis Sohn Saif Al-Islam vermutet wird. | |
Ex-Kulturminister Issa beobachtet mit Sorge, dass immer mehr Milizen aus | |
Libyen ins Tibesti-Gebirge aufbrechen. „Wenn es nicht gelingt, den Krieg zu | |
beenden, droht das libysche Chaos auf den Tschad überzuspringen.“ | |
27 Nov 2018 | |
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## AUTOREN | |
Mirco Keilberth | |
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