| # taz.de -- Doku-Film über Sexismus und Gewalt: Obszöne Vulven, gefeierte Pen… | |
| > #Female Pleasure lässt fünf Aktivistinnen aus fünf Perspektiven erzählen. | |
| > Trotz schockierender Berichte hat der Film etwas Empowerndes. | |
| Bild: Die eigenen Vulva als Boot? Die japanische Künstlerin Rokudenashiko hat … | |
| Die [1][japanische Künstlerin Rokudenashiko] wurde 2014 verhaftet und von | |
| PolizistInnen in Handschellen abgeführt, weil sie einen 3D-Abdruck ihrer | |
| Vulva anfertigte. Ein Verstoß gegen japanische Sittengesetze, hieß es. | |
| Gleichzeitig bejubelten tausende Menschen einen riesigen Phallus bei einem | |
| shintoistischen Fruchtbarkeitsfest und saugten an kleinen Penis-Lutschern. | |
| Vulven sind obszön und Penisse werden gefeiert. | |
| Das ist einer der Widersprüche im gesellschaftlichen Umgang mit Geschlecht, | |
| die der neue Dokumentarfilm #Female Pleasure von Barbara Miller | |
| veranschaulicht. In der beim [2][Filmfest Locarno] erstmals gezeigten Doku | |
| stehen fünf Aktivistinnen aus fünf unterschiedlichen Kulturkreisen im | |
| Vordergrund. Ohne erzählende oder kommentierende Instanz aus dem Off | |
| berichten die Protagonistinnen von der Gewalt, die sie erlebt haben: | |
| Vergewaltigungen, Genitalverstümmelung und Zwangsehen. Szene für Szene | |
| legen sie brutale gesellschaftliche Strukturen frei, die den weiblichen | |
| Körper und die weibliche Sexualität dominieren und kontrollieren. Weltweit | |
| und kulturübergreifend. | |
| Es geht „um die jahrtausendealte und leider immer noch brandaktuelle | |
| strukturelle Dämonisierung des weiblichen Körpers, über alle religiösen und | |
| kulturellen Schranken hinweg“, fasst Regisseurin Barbara Miller zusammen. | |
| Unterschiedliche Formen der Misogynie | |
| Neben Rokudenashiko ist auch die [3][Autorin Deborah Feldman eine der | |
| Protagonistinnen des Films]. Sie wuchs in einer chassidischen Gemeinde – | |
| einer sehr traditionelle Ausprägung des Judentums – in Brooklyn auf. Als | |
| junge Frau wurde sie zwangsverheiratet. „Ich musste mit einem Unbekannten | |
| Sex haben, ob ich wollte oder nicht.“ Unaufgeregt und sachlich erzählt | |
| Feldman von der Macht, die die Gemeinschaft über Frauen ausübt. Der | |
| weibliche Körper gelte als Ursprung allen Übels und unterliege daher | |
| strengsten Regeln. Für eine Frau sei es unmöglich, innerhalb der Gemeinde | |
| frei über ihren eigenen Körper zu verfügen. | |
| Eine weitere Geschichte erzählt Leyla Hussein. Sie ist Somalierin und hat | |
| als Siebenjährige eine Genitalverstümmelung erlitten – so wie 200 Millionen | |
| Frauen auf der ganzen Welt. An einer überdimensional großen Vulva aus Knete | |
| demonstriert sie das brutale Vorgehen zu Aufklärungszwecken. | |
| Viele Frauen könnten nie wieder sexuelle Lust empfinden nach der Prozedur. | |
| Daher sei auch die Beschneidung bei Jungen nicht mit denen bei Mädchen | |
| vergleichbar – da müsste man den ganzen Penis entfernen. Mit einem Messer. | |
| „Wir müssen immer wieder erklären, dass es falsch ist. Ich habe es so | |
| satt!“ Leyla Hussein engagiert sich in Projekten gegen die Verstümmelung | |
| von Mädchen und betreibt Aufklärungsarbeit auf der ganzen Welt. | |
| „Ich beschloss, das Schweigen zu brechen“ | |
| Immer wieder werden frauenfeindliche Zitate aus den heiligen Schriften der | |
| fünf Weltreligionen eingeblendet. Es geht um althergebrachte, starre | |
| Mechanismen der Misogynie. „Und die weltweiten Parallelen dabei sind | |
| erschreckend“, stellt Miller fest. Sie bietet keine Analyse dieser | |
| religiösen oder kulturellen Strukturen und gibt keine Antworten auf das | |
| große „Warum?“, das einem als ZuschauerIn immer wieder vor Augen steht. Das | |
| ist gut so. #Female Pleasure zieht seine Stärke aus den schonungslosen | |
| Geschichten der Protagonistinnen. Er lässt die Frauen für sich sprechen und | |
| hält sich formal zurück. | |
| Anfängliche Bedenken, dass der Film besonders drastische Einzelschicksale | |
| zeigt, erfüllen sich nicht. Miller illustriert kein überzogenes Bild der | |
| Realität. Im Gegenteil: Die fünf Aktivistinnen stehen für eine Großzahl an | |
| Frauen, für die brutale, frauenfeindliche Lebensrealitäten Alltag ist. | |
| Auch die Bedenken, dass #Female Pleasure mit seinem Fokus auf die Religion | |
| die moderne, westliche Welt vor den Vorwürfen verschont, bestätigen sich | |
| nicht. Zu Beginn wird die ZuschauerIn mit sexistischer Werbefotografie | |
| konfrontiert und fragt sich noch, was das mit Genitalverstümmelung zu tun | |
| hat. Retrospektiv drängt sich eine Gewissheit auf: Frauenhass kann je nach | |
| Kontext völlig unterschiedliche Formen annehmen und sexistische Werbung ist | |
| ein Teil von Misogynie. | |
| Die Auswahl der engagierten Protagonistinnen hat noch eines gemeinsam: Sie | |
| sind allesamt Frauen, die das Schweigen gebrochen und der Gewalt den Kampf | |
| angesagt haben. Durch das Darstellen der politischen und emanzipatorischen | |
| Aktivitäten der fünf Protagonistinnen, schafft der Film es, trotz der | |
| brutalen Berichte, empowernd zu wirken. | |
| 8 Nov 2018 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.femalepleasure.org/de-rokudenashiko/ | |
| [2] https://www.locarnofestival.ch/pardo/program/archive/2018/film.html?fid=103… | |
| [3] /Schriftstellerin-Deborah-Feldman-in-Berlin/!5428694 | |
| ## AUTOREN | |
| Julia Hummer | |
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