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# taz.de -- Annegret Kramp-Karrenbauer: Die Brückenbauerin
> Annegret Kramp-Karrenbauer erklärt, wie sie CDU-Vorsitzende werden will.
> Eine Spitze gegen ihren Konkurrenten Merz lässt sie auch fallen.
Bild: Bei der Konferenz zu ihrer Kandidatur: CDU-Generalsekretärin AKK
Berlin taz | Annegret Kramp-Karrenbauer redet beschwichtigend auf die
Fotografen ein: „Nur die Ruhe, nur die Ruhe.“ Es ist mächtig was los im
Friedrich-Joachim-Stengel-Saal der saarländischen Landesvertretung in
Berlin Mitte. Die drei Stuhlreihen für die ReporterInnen reichen nicht, ein
Mitarbeiter schleppt neue Sitzgelegenheiten heran. Die Luft ist warm und
stickig.
Kramp-Karrenbauers Auftritt am Mittwochvormittag ist mit Spannung erwartet
worden. Wie würde sich die dritte aussichtsreiche Bewerberin um den
CDU-Vorsitz positionieren? Mit welcher Strategie würde sie nach der
Merkel-Nachfolge greifen – und Friedrich Merz und Jens Spahn kontern? Schon
nach wenigen Minuten ist klar: Die Saarländerin gibt sich als
Brückenbauerin mit moderner Anmutung. Sie führe keinen Wahlkampf gegen
andere, betont sie. Stattdessen mache sie ein Angebot, wie das neue Kapitel
in der CDU in Inhalt und Stil aussehen könne.
Kramp-Karrenbauer, 56 Jahre, Spitzname: AKK, schaut immer wieder von ihrem
Sprechzettel auf, breitet die Arme aus. Sie ist Merkel unter den drei
Kandidaten habituell am ähnlichsten. Sie tritt fast genauso unprätentiös
und nüchtern auf wie die Kanzlerin. Und sie gilt als deren Favoritin, weil
sie ihren Kurs im Kern immer mitgetragen hat. Merkel holte
Kramp-Karrenbauer aus dem Saarland als Generalsekretärin nach Berlin. So
gab sie ihr die Chance, sich für die Nachfolge zu positionieren.
Der Dank an Merkel fällt kurz, aber herzlich aus – beide Frauen haben ein
gutes Verhältnis zueinander. Merkels Ära gehe zu Ende, sagt
Kramp-Karrenbauer. Sie könne weder fortgesetzt noch rückgängig gemacht
werden. Schnell macht sie deutlich, was mit ihr anders würde: In den
vergangenen Jahren seien viel zu häufig Entscheidungen durch
Regierungsnotwendigkeiten getroffen worden, die die Partei dann mit
Widerwillen mitgetragen habe. „Diese Methode passt nicht mehr in die Zeit.“
Entscheidungen müssten in der Partei diskutiert, getroffen und dann in die
Regierung getragen werden.
Das wird die CDU-Basis gerne hören. Merkel stellte ihre Entscheidungen
manchmal als alternativlos hin, der Wunsch nach mehr Mitbestimmung ist groß
in der CDU. Ob Kramp-Karrenbauer, sollte sie wirklich Kanzlerin werden, ihr
Versprechen umsetzen könnte, sei einmal dahingestellt.
## Digitalisierung, Europa, sozialer Zusammenhalt
Inhaltlich versucht Kramp-Karrenbauer sich moderner aufzustellen als ihre
Konkurrenten. Als erste große Herausforderung nennt sie die
Digitalisierung. Es gehe um die Frage, wie die soziale Marktwirtschaft auch
im digitalen Zeitalter den Menschen diene, sagt sie. Dann diagnostiziert
sie, dass das Gefühl von Sicherheit bei den Menschen geschwunden sei.
Ebenso das Vertrauen darauf, dass der Staat starke Regeln setze und diese
durchsetze.
Hier bringt Kramp-Karrenbauer Europa ins Spiel: Wie man sich vor
Kriminellen schütze, müsse im ganzen Schengen-Raum beantwortet werden, sagt
sie. Als dritten Punkt nennt sie die Frage, wie man es schaffe, dass sich
die Menschen im Land zu Hause fühlten. Kramp-Karrenbauer funkt ein zartes
Signal in Richtung der Konservativen. Da die Gesellschaft vielfältiger
geworden sei, müsse erklärt werden, was alle zusammenhalte. Ein
„gemeinsames Bekenntnis“ sei nötig. Das C im Namen der CDU sei für sie
dabei ganz wichtig.
In der Flüchtlingspolitik schießt sie eine Spitze ab auf all diejenigen,
die sich immer noch an Merkels Entscheidung festbeißen, die Grenzen 2015
nicht zu schließen. „Das, was 2015 passiert ist, ist Realität.“
Kramp-Karrenbauer hebt die Stimme etwas. Die Entscheidung könne und werde
nicht rückabgewickelt werden. Damit setzt sie sich von Jens Spahn ab. Jener
fiel im BewerberInnenrennen zuletzt durch einen Debattenbeitrag in der
Frankfurter Allgemeinen Zeitung auf, in dem er sich länglich über die
Flüchtlingspolitik ausließ.
## Nähe zur Kanzlerin als Nachteil
Eigentlich kommt für Kramp-Karrenbauer der Kampf um die Merkel-Nachfolge zu
früh. Als Saarländerin, mit einem kleinen Landesverband im Rücken, verfügt
sie über keine Hausmacht. Erst seit Ende Februar wirkt sie als
Generalsekretärin, hatte also wenig Zeit, Truppen für sich zu sammeln.
Dabei ging sie aber mit viel Engagement zu Werke: Sie tingelte zum Beispiel
mit einer Zuhör-Tour durch die Republik, um ein Gefühl für die Stimmung in
der CDU zu bekommen.
Kramp-Karrenbauers Nähe zur geschwächten Kanzlerin ist im Schaulaufen bis
zum Parteitag im Dezember ein Nachteil. Sie weiß, wie groß die
Unzufriedenheit mit Merkel in der CDU ist – und wird sich von ihr absetzen
müssen. Dazu passt, dass sie entschieden hat, ihr Amt bis zum Parteitag
teilweise ruhen zu lassen. Dennoch werden ihre Gegner versuchen, sie als
Merkel II zu labeln und so ihre Chancen zu schmälern.
Doch Kramp-Karrenbauer darf man nicht unterschätzen, auch wenn viele
konservative Medien im Moment den Marktliberalen Merz hypen. Sie verfügt
als langjährige Ministerpräsidentin über mehr Regierungserfahrung als Merz
oder Spahn. In dem stickigen Saal hebt sie hervor, dass sie 18 Jahre in
Regierungsämtern arbeitete – im Saarland war sie nicht nur
Ministerpräsidentin, sondern davor auch Arbeits-, sowie Bildungs- und
Innenministerin.
Und sie hat weitere Vorteile: Kramp-Karrenbauer vertritt in der
Sozialpolitik moderat linke Positionen, was bei den Deutschen gut ankommt.
Merkel gründete ihren Erfolg darauf, dass sie sich nach dem Leipziger
Parteitag 2003 von marktliberalen Positionen abrückte und auf die SPD
zuging. Und nicht zuletzt: Kramp-Karrenbauers unprätentiöse, nüchterne Art
wirkt ungleich moderner als die Merz'sche Breitbeinigkeit.
Dazu passt, dass sie in der Pressekonferenz ankündigt, sich nicht von den
Grünen die Butter vom Brot nehmen zu lassen. Die Verantwortung für
Klimaschutz und ein gutes Leben mit der Umwelt sei „kein Exklusivthema für
andere Parteien“, betont sie. Für die Ökopartei, die sich an ihren Erfolgen
in konservativen Milieus berauscht, wäre sie eine härtere Herausforderung
an der CDU-Spitze als Friedrich Merz.
## Kein Merkel-Klon
Kramp-Karrenbauer ist alles andere als ein Merkel-Klon, trotz aller
Ähnlichkeiten im Habitus. Anders als die Kanzlerin bietet sie auch
Identifikation für Konservative. Die Katholikin kämpfte zum Beispiel gegen
die Ehe für alle und gegen Liberalisierungen im Abtreibungsrecht. Sie ist
also durchaus in der Lage, die frustrierten Traditionsbatallione
anzusprechen, die sich von Merkel verraten fühlen.
Einen kleinen Seitenhieb auf Friedrich Merz kann sich Kramp-Karrenbauer
dann doch nicht verkneifen. Eine Reporterin will wissen, wie sie im Falle
einer Wahl als Vorsitzende eine Spaltung der Partei verhindern würde?
Kramp-Karrenbauer muss nun natürlich ihre Konkurrenten loben. Zu Merz fällt
ihr ein, dass sie es toll fände, wenn er seine Expertise in der
Steuerpolitik einbrächte.
Sie als Chefin, Merz darf sich um die Zahlen kümmern. Kramp-Karrenbauer
beherrscht die Kunst des vergifteten Lobes.
7 Nov 2018
## AUTOREN
Ulrich Schulte
## TAGS
Annegret Kramp-Karrenbauer
CDU
Friedrich Merz
Schwerpunkt Angela Merkel
Jens Spahn
Friedrich Merz
Der 9. November
Annegret Kramp-Karrenbauer
Armin Laschet
CDU
Schwarz-rote Koalition
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