# taz.de -- Häfen contra Umweltschutz: Flüsse halten Fortschritt auf | |
> Der Verband deutscher Seehäfen fordert die Entschärfung der | |
> EU-Wasserrahmenrichtlinie. Das könnte Projekte wie die Elbvertiefung oder | |
> das Ausbaggern der Weser beschleunigen. | |
Bild: Strom zu schmal? Das Kreuzfahrtschiff „World Dream“ auf der Ems in Ri… | |
HAMBURG taz | Das Imperium schlägt zurück. Erhebliche Einschränkungen des | |
europäischen Umweltrechts fordert der Zentralverband der deutschen | |
Seehäfenbetriebe (ZDS). Vor allem die Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) der | |
Europäischen Union ist dem Interessenverband der Hafenwirtschaft in den | |
fünf norddeutschen Küstenländern ein Dorn im Auge. Sie habe „die | |
Elbvertiefung maßgeblich verzögert“, sagte Frank Dreeke, ZDS-Präsident und | |
Vorstandschef der Bremer Logistik Group (BLG), am Mittwoch in Hamburg. | |
Deshalb müsse sie „modernisiert“ werden. | |
Und der ZDS weiß auch schon recht genau, wie diese Neufassung dann aussehen | |
soll. Das Wasserrecht solle künftig grundsätzlich „nicht als reines | |
Schutzrecht für Gewässer betrachtet, sondern muss auch als ein | |
gleichrangiges Nutzungs- bzw. Bewirtschaftungsrecht angesehen werden“, | |
heißt es in den „Vorschlägen zur Optimierung“ der WRRL, die der | |
Häfenverband vorlegt. | |
Konkret solle die EU eine „Bagatellschwelle“ einführen, „unterhalb der e… | |
(feststellbare) nachteilige Veränderung nicht als Verschlechterung gilt“. | |
Zudem sollten die Unterhaltsbaggerungen in Flüssen wie Unterelbe, Weser | |
oder Ems leichter dadurch realisiert werden können, dass die „Möglichkeit | |
einer Rechtfertigung von Verschlechterungen des chemischen Zustandes eines | |
Oberflächenwasserkörpers“ eröffnet wird. | |
Drittens hätte der ZDS gerne, dass die EU ihre Ziele, alle Gewässer der | |
Union in einen guten ökologischen Zustand zu versetzen, auf den | |
St.-Nimmerleins-Tag verschiebt. Weil das bis zum Stichjahr 2027 ohnehin | |
nicht mehr erreicht werden könne, solle die Frist gleich auf unbestimmte | |
Zeit verlängert werden. „Die Richtlinie muss dem technischen Fortschritt | |
angepasst werden“, fordert Dreeke. | |
Gestützt auf ein Gutachten der Berliner Rechtsanwaltskanzlei Redeker solle | |
nun die Bundesregierung, so stellt der ZDS es sich vor, diese Forderungen | |
an die EU übermitteln. Diese will im nächsten Jahr die | |
Wasserrahmenrichtlinie ohnehin evaluieren, und da „wollen wir jetzt schon | |
in den Dialog gehen“, wie Angela Titzrath, ZDS-Präsidiumsmitglied und | |
Chefin der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA), das Vorpreschen ihres | |
Verbandes nennt. Das diene der absolut notwendigen Beschleunigung von | |
Planungs- und Genehmigungsverfahren. Nach der Elbvertiefung, die nach 17 | |
Jahren Planung und Gerichtsverfahren nun beginnen soll, stehen auch | |
Ausbaggerungen von Weser und Ems sowie der Zufahrten der beiden Ostseehäfen | |
Wismar und Rostock bevor. | |
Hintergrund ist die verbindliche Auslegung der WRRL durch den Europäischen | |
Gerichtshof (EUGH) im Juli 2015. Im Verfahren um die Elbvertiefung hatte | |
das Bundesverwaltungsgericht das höchste EU-Gericht um eine exakte | |
Definition der Richtlinie gebeten. Der Gewässerschutz stehe bei | |
Entscheidungen über das Ausbaggern von Flüssen im Vordergrund, urteilten | |
daraufhin die Luxemburger Richter. Er müsse bei jedem Einzelprojekt | |
beachtet werden und sei nicht nur eine allgemeine politische Zielvorgabe. | |
Bereits geringe Verschlechterungen in Teilbereichen bedeuteten eine | |
Verschlechterung des Gewässerzustandes insgesamt. | |
Damit legt der EuGH die Regeln zum Gewässerschutz so streng aus, dass die | |
Kläger gegen die Elbvertiefung – der Naturschutzbund (Nabu), der Bund für | |
Umwelt und Naturschutz (BUND) und die Umweltstiftung WWF – von einem | |
[1][„Meilenstein für den Gewässerschutz in ganz Europa“] schwärmten. In | |
Folge konnten sie die Elbvertiefung zwar nicht verhindern, erreichten aber | |
ökologische Ausgleichsmaßnahmen. | |
Und eben das sehen die drei Verbände gefährdet, sollten die ZDS-Forderungen | |
Realität werden. Von einem „Frontalangriff auf das europäische Wasserrecht�… | |
spricht Hamburgs BUND-Chef Manfred Braasch. Der ZDS verlange „einen | |
Freibrief für die Baggerungen, die gerade an der Tideelbe zunehmend zum | |
ökologischen Problem werden“. Ein „Aufweichen“ der Richtlinie würde dazu | |
führen, „dass noch weniger für unsere Gewässer getan wird“, kommentiert | |
Hamburgs Nabu-Vorsitzender Alexander Porschke. | |
Die WRRL solle entschärft werden, „um das Versagen beim Schutz der Gewässer | |
zu kaschieren“, kritisiert Beatrice Claus vom WWF. Bislang habe Deutschland | |
die Ziele der Wasserrahmenrichtlinie „krachend verfehlt“, sagt Claus. Jetzt | |
aber müsse „die Vorgabe der Richtlinie, den Zustand unserer Gewässer zu | |
verbessern und keinesfalls zu verschlimmern, endlich auch zur Richtschnur | |
für künftiges Wirtschaften werden.“ | |
15 Nov 2018 | |
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[1] https://www.bund-hamburg.de/service/presse/detail/news/nach-dem-eugh-urteil… | |
## AUTOREN | |
Sven-Michael Veit | |
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