# taz.de -- Deutsche Entwicklungshilfe: Korruption ist halt üblich | |
> Ein interner Bericht der Bundesregierung offenbart große Mängel in der | |
> Entwicklungshilfe. Kritik wird demnach häufig ignoriert. | |
Bild: Unter anderem mit dem Senegal will Entwicklungsminister Müller bei seine… | |
Hans F. Illy hat selbst erlebt, wie in der Entwicklungshilfe Geld in | |
dunklen Kanälen versickert. Nachdem der Freiburger Politikwissenschaftler | |
und Afrika-Experte vor Jahren ein Seminar im Jemen moderiert hatte, | |
wunderte er sich über den Zahlungseingang auf seinem Konto. 10 Prozent des | |
vereinbarten Honorars fehlten, berichtet Illy. | |
Das Seminar war Teil einer von der Weltbank finanzierten Agrarreform. Über | |
das Geld verfügte aber die jemenitische Zentralbank, sie bezahlte auch die | |
Rechnungen. Der Politologe fragte erst im Jemen und dann bei der Weltbank | |
wegen des fehlenden Honorars nach. Die Antwort? Es gab keine, sagt Illy. | |
Die Weltbank kontrollierte offenbar nicht, was mit ihrem Geld geschah. | |
Hätte die Bundesregierung das Projekt bezahlt, hätte Illy ähnliche | |
Erfahrungen machen können. Denn auch bei der Deutschen Gesellschaft für | |
Internationale Zusammenarbeit (GIZ) fehlt es an Verfahren, um die Ausgaben | |
für Entwicklungshilfe zu überprüfen. Das zeigt ein interner | |
Qualitätskontrollbericht für das Entwicklungsministerium, der der taz | |
vorliegt. | |
Prüfer stellen in dem Bericht „mangelnde Systeme beziehungsweise Prozesse | |
zur Überprüfung der Mittelverwendung“ fest. Bestimmte Ausgaben werden in | |
deutschen Entwicklungshilfe-Projekten demnach nur selten überprüft, obwohl | |
zum Teil erhebliche Kosten anfallen. Da die bisherigen Kontrollen hier | |
nicht greifen, empfehlen die Gutachter des Berichts, dass die GIZ über | |
andere Möglichkeiten zur Überprüfung der Kosten nachdenkt. | |
## Partnerländer zahlen nicht | |
Eindeutigen Handlungsbedarf gibt es laut dem Bericht etwa bei den Beiträgen | |
der Partner in den Zielländern der Entwicklungshilfe. Dass sie Projekte | |
mitfinanzieren, gilt als besonders wichtig, weil sie die Wirkung der | |
Projekte nachhaltig in den Entwicklungsländern verankern sollen. | |
Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) legt darauf besonderen Wert. In | |
seinem [1][groß angekündigten Marshall-Plan für Afrika] heißt es, die | |
Unterscheidung zwischen Geber- und Nehmerländern müsse komplett | |
verschwinden. | |
Die Praxis sieht anders aus. „In einigen Fällen konnte beobachtet werden, | |
dass die Partnerbeiträge in der Praxis deutlich geringer ausfallen als | |
angekündigt beziehungsweise nicht entsprechend von der GIZ eingefordert | |
werden“, heißt es in dem Bericht. GIZ-Mitarbeiter berichten dem | |
Entwicklungsministerium demnach nicht über die tatsächlich geleisteten | |
Partnerbeiträge. | |
## Angst vor Kritik | |
Wer sich unter Entwicklungshilfe-Mitarbeitern umhört, stößt auf weitere | |
kuriose, bedrückende Geschichten. So kommt es vor, dass Stromgeneratoren in | |
asiatischen Ländern aufgebaut werden, doch einige Zeit nach dem Abzug der | |
Entwicklungshelfer nicht mehr funktionieren. Der Grund: Mafiöse Clans | |
verlangen von Einwohnern, die Strom haben wollen, Geld. Denjenigen, die | |
sich nicht erpressen lassen wollen, wird der Strom abgestellt. | |
Interne Kritik an solchen Missständen wird mitunter ignoriert. Ein | |
Entwicklungshelfer, der anonym bleiben möchte, sagt, ein Chef einer lokalen | |
Partnerorganisation habe sich beim gemeinsamen Einkaufen persönlich | |
bereichert. Als der Entwicklungshelfer den Fall gegenüber Vorgesetzten | |
schilderte, hieß es, hier im Ausland sei das eben so üblich, da könne man | |
nichts ändern. | |
In solchen Fällen öffentlich über die Missstände zu berichten, trauen sich | |
viele Entwicklungshelfer nicht. Oft arbeiten in den Projekten so wenige | |
deutsche Entwicklungshelfer, dass der Kreis der Eingeweihten klein ist. | |
Falls Negatives über ein Projekt bekannt wird, könnten das | |
Bundesentwicklungsministerium und die GIZ leicht raten, wer Informationen | |
weitergegeben hat. Das wäre umso leichter, wenn ein Mitarbeiter bereits mit | |
interner Kritik aufgefallen ist. | |
Die GIZ räumt auf Anfrage ein, dass Korruption in vielen | |
Entwicklungsländern bekämpft werden müsse. „Korruption ist ein gefährlich… | |
Entwicklungshemmnis, vielleicht das größte überhaupt“, sagt eine | |
Sprecherin. Die Bekämpfung von Korruption [2][sei ein wichtiges Anliegen]. | |
Angesichts dessen wären kritische Kontrollen der Entwicklungshilfe-Projekte | |
wichtig. Doch unabhängige Gutachter haben es schwer. Der | |
Politikwissenschaftler Hans F. Illy sagt: „Viele Gutachter-Büros sind auf | |
die Aufträge der Förderbank KfW und der GIZ wirtschaftlich angewiesen. Sie | |
können es sich nicht erlauben, kritisch zu evaluieren, sonst verlieren sie | |
den Auftrag und damit auch ihre Einkommensquelle.“ | |
## Ministerium ahnungslos | |
Wissenschaftler, die durch ihre Lehrstellen finanziell unabhängig sind, | |
hätten hingegen keinen Einblick. „Die GIZ verweigert Wissenschaftlern den | |
Einblick in Berichte über den Erfolg oder Misserfolg von | |
Entwicklungshilfeprogrammen“, sagt Illy. „Sie überschüttet die | |
Öffentlichkeit mit belanglosen Informationen, vermeidet aber echte | |
Transparenz.“ | |
Die GIZ selbst beteuert, sie wolle mit Wissenschaftlern zusammenarbeiten | |
und stelle zum Beispiel für Doktorarbeiten Informationen zusammen. Auch im | |
Qualitätskontrollbericht zu den GIZ-Projekten ist die Kritik vorsichtig | |
formuliert. Inhaltlich belegt das Dokument aber, dass die GIZ ein | |
Eigenleben entwickelt hat, das sogar den Erfolg von Projekten gefährden | |
kann. | |
In zwei von neun untersuchten Projekten wurden „erfolgskritische Risiken“ | |
nicht zeitnah und bedarfsgerecht an das Ministerium gemeldet. Die | |
Möglichkeiten des federführenden Bundesentwicklungsministeriums waren | |
dadurch stark eingeschränkt und „die Zielerreichung der Vorhaben“ | |
gefährdet. | |
Die Berichte der GIZ an das Ministerium stellen demnach „oftmals kein | |
ausreichend nachvollziehbares Bild der Situation vor Ort“ dar. Probleme und | |
Herausforderungen werden kaum beschrieben. | |
## Entwicklung von innen | |
Die Mängelliste des internen Berichts über Entwicklungsprojekte ist lang – | |
ein weiteres Problem ist die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen | |
deutschen Entwicklungshilfeorganisationen. Sie hat sich im Vergleich zu den | |
Vorjahren laut dem Bericht sogar verschlechtert. | |
Wie verschiedene Projekte miteinander kooperieren und voneinander | |
profitieren können, wird nur selten erörtert. Ein Partner, mit dem sich die | |
GIZ besser abstimmen könnte, ist die deutsche Förderbank KfW. | |
Viele Experten haben den Glauben an den Nutzen der Entwicklungshilfe | |
inzwischen ganz verloren. Sie meinen: Die bisherige | |
„Entwicklungshilfe-Industrie“ muss gestoppt werden. Der Politologe Illy und | |
rund 20 weitere Wissenschaftler, ehemalige Politiker und Botschafter haben | |
im September den Bonner Aufruf mit dem Titel „Entwicklungshilfe für Afrika | |
beenden – Afrika muss sich selbst entwickeln (wollen)“ unterschrieben. | |
In der Erklärung heißt es, die aktuelle Entwicklungshilfe für afrikanische | |
Staaten ergebe keinen Sinn. Denn die Machthaber hätten „offensichtlich nur | |
das Ziel“, sich als Milliardär-Präsidenten „persönlich zu bereichern“. | |
Afrika müsse sich auf die eigenen Stärken und Chancen, aber auch auf die | |
eigene Verantwortung für die Entwicklung des Kontinents besinnen. Das Fazit | |
der Kritiker lautet: „Die Entwicklung Afrikas muss von innen kommen.“ | |
Die Recherche des Autors wurde unterstützt durch ein Stipendium der | |
Journalistenvereinigung netzwerk recherche. | |
2 Dec 2018 | |
## LINKS | |
[1] /Muellers-Marshall-Plan-fuer-Afrika/!5516252 | |
[2] /G20-Investitionsgipfel-zu-Afrika/!5546735 | |
## AUTOREN | |
Andreas Maisch | |
## TAGS | |
Entwicklungshilfe | |
Gerd Müller | |
GIZ | |
Schwerpunkt Korruption | |
Polizei Berlin | |
Weltbank | |
Matthias Machnig | |
Afrika | |
Afrika | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Politologe über Korruption in Berlin: „Jährlich ein Millionenschaden“ | |
Korruption in Berlin? Bei richtiger Kontrolle würden die Fallzahlen durch | |
die Decke gehen, sagt Jiri Kandeler vom Antikorruptionsverein Berlin. | |
Nach Rücktritt des Weltbankchefs: Mögliche Beute für Trump | |
Weltbankchef Jim Yong Kim wechselt in die Wirtschaft. Die NGO Urgewald | |
fordert, dass der US-Präsident nicht alleine die Nachfolge bestimmt. | |
Streit um Entwicklungshilfe-Organisation: Zum Glück SPD | |
Sozialdemokrat Matthias Machnig soll Vorstand der GIZ werden, die | |
Mitarbeiter wollen das verhindern. Nach taz-Infos steckt ein Groko-Deal | |
dahinter. | |
Reisen von Merkel, Müller und May: Was ist da los in Afrika? | |
China, Indien, Türkei: Alle wittern sie Chancen in Afrika. Auch Deutschland | |
zieht nach. Schade, dass es vor allem um die Bekämpfung von Fluchtursachen | |
geht. | |
Müllers Marshall-Plan für Afrika: Privates Geld für Afrikas Wirtschaft | |
Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) plant ein Gesetz, damit Firmen in | |
den afrikanischen Kontinent investieren. Experten sind skeptisch. |