# taz.de -- Göttinger Antifaszene: V-Mann aufgeflogen | |
> Fast zwei Jahre lang hat eine „Vertrauensperson“ des Niedersächsischen | |
> Verfassungsschutzes die Gruppe „Basisdemokratische Linke“ ausspioniert. | |
Bild: An Antifa-Protesten in Göttingen hat der 24-jährige Spitzel regelmäßi… | |
GÖTTINGEN taz | Die Göttinger Gruppe „Basisdemokratische Linke“ hat nach | |
eigenen Angaben einen Spitzel des Niedersächsischen Verfassungsschutzes | |
enttarnt. Der 24-Jährige sei als sogenannte Vertrauensperson für den | |
Geheimdienst tätig gewesen, teilte die Organisation am gestrigen Dienstag | |
mit. Unter seinem Klarnamen habe er über beinahe zwei Jahre linke | |
Aktivistinnen und Aktivisten in der Universitätsstadt ausgeforscht. | |
Für die Enttarnung habe der Verfassungsschutz die nötigen Hinweise | |
„unfreiwillig selbst“ geliefert, sagte eine Sprecherin der | |
„Basisdemokratischen Linken“: Im Zuge eines Auskunftsersuchens seien | |
versehentlich Dokumente mit „vertraulichen Informationen“ herausgegeben | |
worden, die der Öffentlichkeit normalerweise vorenthalten blieben. Diese | |
Unterlagen hätten es ermöglicht, den V-Mann zu identifizieren. | |
Demnach war der Enttarnte bereits während seiner Schulzeit an einer | |
Gesamtschule in Nordrhein-Westfalen politisch interessiert. Nach seinem | |
Abitur im Jahr 2015 sei er nach Göttingen gezogen, wo er zunächst bei der | |
linken Jugendgruppe „solid/Your Turn“ aktiv war. Über einen öffentlichen | |
Einstiegsabend sei er im Herbst 2016 der „Basisdemokratischen Linken“ | |
beigetreten. | |
## Teilnahme an Protesten | |
Die „Basisdemokratische Linke“ entstand im November 2013 als | |
Zusammmenschluss der Basisgruppen Germanistik und Geschichte an der | |
Göttinger Universität sowie verschiedener Einzelpersonen. Themenfelder sind | |
vor allem Antifaschismus, Antirassismus und Unipolitik. | |
Der V-Mann soll sich zunächst mit antifaschistischen, später jedoch auch | |
mit hochschulpolitischen Themen befasst haben. „Während dieser Zeit nahm er | |
sowohl an antifaschistischen Gegenprotesten als auch an bundesweiten | |
Treffen teil“, so die „Basisdemokratische Linke“. In Diskussionen habe er | |
allerdings „so gut wie nie Stellung“ bezogen, stattdessen habe er häufig | |
„Strukturaufgaben“ übernommen. In der Gruppe sei er „sozial kaum | |
angebunden“ gewesen: „Freundschaftliche Verhältnisse zu anderen Mitgliedern | |
der Gruppe interessierten ihn nicht sonderlich.“ | |
Der Verfassungsschutz habe über den V-Mann „zwei Jahre lang in unseren | |
privatesten und persönlichsten Bereichen herumgeschnüffelt“, so die | |
Sprecherin der „Basisdemokratischen Linken“. Gleichzeitig lasse sich den | |
Akteninhalten entnehmen, dass antifaschistisches und politisches Verhalten | |
akribisch beim Verfassungsschutz gesammelt werde, „um im weiteren Verlauf | |
unser Engagement zu kriminalisieren“. Entmutigen lassen will sich die | |
Gruppe aber nicht. „Wir setzen uns weiterhin für unser Ziel einer offenen | |
Gesellschaft, einer Gesellschaft der vielen ein“, sagte die Sprecherin. | |
Die Überwachung linker Organisationen in Göttingen ist nicht neu. Bereits | |
Ende der 1970er Jahre schleuste das Landeskriminalamt zwei Spitzel in den | |
Arbeitskreis gegen Atomenergie ein. Einige Jahre später wurden die Namen, | |
Daten und Kontakte zahlreicher Aktivisten im Spurendokumentationssystem | |
(Spudok) der politischen Polizei registriert. | |
## 30 Betroffene klagen | |
Mindestens bis 2015 sammelte der Staatsschutz in einer Papierakte Namen, | |
Adressen, Religionszugehörigkeit, Arbeitsstelle und Social-Media-Profile | |
von links orientierten Göttinger BürgerInnen. Knapp 30 Betroffene haben | |
dagegen geklagt. Im April dieses Jahres räumte die Polizeidirektion | |
Göttingen ein, dass diese Akten niemals hätten angelegt werden dürfen. | |
Der Niedersäschsische Verfassungsschutz teilt auf Anfrage der taz mit, dass | |
er „keine Auskünfte zu operativen Angelegenheiten gibt“, die | |
„Basisdemokratische Linke“ aber „im Jahresbericht 2017 des | |
Niedersächsischen Verfassungsschutzgesetzes aufgeführt ist.“ | |
13 Nov 2018 | |
## AUTOREN | |
Reimar Paul | |
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