# taz.de -- Bürger in Wut betreiben Richterschelte: Demaskierter Populismus | |
> Die Bürger in Wut beklagen vermeintlich laxe Strafen und milde Urteile | |
> der Bremer Gerichte. Justizsenator, Richterbund und Fachpolitiker*innen | |
> widersprechen. | |
Bild: Muss sich gegen rechtspopulistische Stimmungsmache wehren: Justitia | |
Bremen taz | Viel Kritik ernten die Bürger in Wut (BiW) mit populistischer | |
Richterschelte. Sowohl Justizsenator Martin Günthner (SPD) als auch der | |
Richterbund und Fachpolitiker*innen der übrigen Parteien kritisierten eine | |
Äußerung des BiW-Abgeordneten Klaus Remkes. Der hatte [1][im Weser-Kurier] | |
von einer „laxen Spruchpraxis“ an Bremer Gerichten gesprochen, deren Milde | |
die Glaubwürdigkeit des Rechtsstaats gefährde – obwohl die Studie, auf die | |
er sich beruft, das gar nicht hergab (siehe Kasten). | |
Die immer wieder vehement vorgetragene BiW-Forderung nach härteren Strafen | |
stellt laut Günthner die Unabhängigkeit der Justiz infrage. Von einer | |
„laxen Spruchpraxis“ in Bremen könne keine Rede sein, zumal im | |
niedersächsischen Umland das Strafmaß kaum abweiche. „Letztlich geht es den | |
Bürgern in Wut bloß darum, auf populistische Art und Weise Unsicherheit in | |
der Bevölkerung zu schüren“, so Günthner zur taz. | |
Anlass für die BiW-Kritik war eine empirische Studie des Freiburger | |
Max-Planck-Instituts für Strafrecht, derzufolge es [2][regionale | |
Schwankungen bei der Härte von Urteilen] gibt. Die Gerichtsbezirke Bremen, | |
Oldenburg und Verden liegen zwischen acht und zehn Prozent unter | |
Bundesschnitt – unspektakuläres unteres Mittelfeld. | |
Der Bremer Richterbund [3][problematisierte zum einen die Vergleichbarkeit | |
und Methodik der Studie], und reagierte scharf auf die Schelte der BiW: | |
„Die Kritik ist so pauschal wie falsch und dient offensichtlich allein der | |
politischen Stimmungsmache“, so Helberg zur taz. Auch Schöffen arbeiteten | |
bei schweren Straftaten mit – die Unterstellung einer laxen Justiz treffe | |
somit auch ehrenamtliche Bürger*innen. | |
Dass hohe Strafen nicht immer der Abschreckung dienen, zeige zudem das | |
Justizsystem der USA. Die Ausrichtung der deutschen Justiz auf | |
Resozialisierung trage zur Sicherheit des Landes bei. „Auch wenn manche | |
Bürger das – befördert durch populistische Angstmacherei – vielleicht | |
anders empfinden“, so Helberg. Verbesserungsbedarf gebe es in Bremen | |
lediglich bei der Personalausstattung. | |
Die Fachpolitiker*innen der verschiedenen Bürgerschaftsfraktionen erkannten | |
ebenfalls keinen dramatischen Befund. Die Vorsitzende des Rechtsausschusses | |
Sascha Aulepp (SPD) nannte die Kritik der BiW substanzlos und Sülmez Dogan | |
(Grüne), selbst Anwältin, sagte: „Abgesehen davon, dass Bremen sich nur im | |
unteren Mittelfeld der Studie befindet, helfen geringe Strafen bei der | |
Resozialisierung. Und Resozialisierung ist der beste Opferschutz.“ | |
Kristina Vogt (Linke) warnte, Rankings seien mit Vorsicht zu genießen, | |
Probleme lägen zudem im Personalmangel, nicht in niedrigen Strafen: „Die | |
Richter-Schelte der rechtspopulistischen ‚Bürger in Wut‘, deren | |
Vorsitzender [4][jüngst selbst eine Hausdurchsuchung hatte], ist absolut | |
unangemessen.“ | |
Auch CDU und FDP kritisierten die BiW: Oguzhan Yazici (CDU), Anwalt und | |
Vize-Vorsitzender im Rechtsausschuss, sagte: „Das Problem der Bremer Justiz | |
ist die Unterfinanzierung, nicht milde Urteile – wer das Gegenteil | |
behauptet, verlässt den Pfad der Seriosität.“ Peter Zenner, ebenfalls | |
Anwalt, von der FDP, wird noch schärfer: „Es macht mich wütend, wenn man | |
bei geringfügigen und vermeintlichen Abweichungen öffentlich die | |
unabhängige Justiz angreift. Die populistischen Äußerungen dieser Leute | |
sind gefährlich.“ | |
12 Nov 2018 | |
## LINKS | |
[1] https://www.weser-kurier.de/bremen/bremen-stadt_artikel,-bremens-richter-in… | |
[2] http://www.spiegel.de/panorama/justiz/wo-deutschlands-strengste-richter-sit… | |
[3] https://www.weser-kurier.de/bremen/bremen-stadt_artikel,-skepsis-zur-gerich… | |
[4] /!5532452/ | |
## AUTOREN | |
Gareth Joswig | |
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