# taz.de -- Manfred Weber gewinnt EVP-Wahl: Mit Sister Sledge in den Wahlkampf | |
> Europas Konservative haben Manfred Weber (CSU) zum Spitzenkandidaten | |
> gewählt. Das heißt nicht, dass er auch EU-Kommissionschef wird. | |
Bild: Alexander Stubb aus Finnland (r.) und Manfred Weber begrüßen sich auf d… | |
BRÜSSEL TAZ | Alles war perfekt inszeniert: Zu den Klängen von Sister | |
Sledge („We are family“) feierte Manfred Weber am Donnerstag in Helsinki | |
seine Nominierung zum Spitzenkandidaten der Europäischen Volkspartei (EVP) | |
für die Europawahl. Der bayerische „Brückenbauer“ Weber setzte sich beim | |
EVP-Kongreß mit 492 von 619 Stimmen gegen „Marathonmann“ Alexander Stubb | |
aus Finnland durch. | |
Die Wahl war keine Überraschung. Schließlich standen EVP-Parteichef Joseph | |
Daul und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hinter dem 46-jährigen | |
CSU-Mann aus Niederbayern. Weber hatte den gesamten Parteiapparat und die | |
mächtigste Politikerin Europas hinter sich. Auch Österreichs konservativer | |
Kanzler Sebastian Kurz und Ungarns autoritärer Regierungschef Viktor Orbán | |
unterstützen ihn. | |
Dabei sah es bis zuletzt so aus, als könne Orbán für Weber zum politischen | |
Stolperstein werden. Alle anderen demokratischen Parteien im | |
Europaparlament, aber auch sein innerparteilicher Herausforderer Stubb | |
forderten den Kandidaten auf, sich klarer von Orbán zu distanzieren und | |
dessen Fidesz-Partei aus der EVP zu werfen. Weber wehrte die Angriffe | |
jedoch mit einem taktischen Manöver ab. | |
Am Mittwoch verabschiedete die EVP eine Resolution, in der sie alle | |
Mitgliedsparteien auffordert, sich für Freiheit, Rechtsstaatlichkeit und | |
Pluralismus einzusetzen. Ungarn wurde darin jedoch nicht genannt. Weber hat | |
sich auch nicht auf einen Ausschluss der Fidesz-Partei festgelegt. Er will | |
das leidige Thema hinter sich lassen und nach vorn blicken. | |
## Momentum nutzen | |
„Wir sind Brückenbauer, wir müssen dieses Momentum nutzen, dann werden wir | |
im Mai 2019 gewinnen“, erklärte er in Helsinki. Ob es zum | |
Wohlfühl-Wahlkampf à la Sister Sledge kommt, bleibt abzuwarten. In seiner | |
Bewerbungsrede sprach sich Weber für einen Abbruch der | |
Beitrittsverhandlungen mit der Türkei aus, verteidigte das „christliche | |
Erbe“ Europas und versprach mehr Bürgernähe. | |
Den Streit zwischen Nationalisten und EU-Gegnern und Anhängern eines | |
liberalen Europa hingegen klammerte Weber aus. Dabei wollen die meisten | |
anderen Parteien dies zum Hauptthema des Europawahlkampfes machen. Bis zur | |
heißen Phase dürften allerdings noch einige Wochen vergehen. | |
Die Sozialdemokraten treten mit dem niederländischen EU-Kommissar Frans | |
Timmermans an, die offizielle Nominierung soll erst auf einem | |
Parteikongress im Dezember folgen. Die Grünen wollen Ende November gleich | |
zwei Kandidaten aufstellen. Demgegenüber dürften die Liberalen und Linken | |
ganz auf Spitzenkandidaten verzichten. | |
Liberalen-Chef Guy Verhofstadt hat der EVP vorgeworfen, das gesamte | |
Verfahren ad absurdum zu führen, weil es keine europaweiten Wahllisten | |
geben wird. Tatsächlich kann Weber nur in seinem Wahlkreis in Bayern | |
gewählt werden. Auch der Wahlkampf wird weitgehend national organisiert – | |
sieht man von einigen Fernsehduellen ab. | |
## Zünglein an der Waage | |
Aus der Linken kommt der Vorwurf, dass der Spitzenkandidaten-Prozeß nur der | |
EVP zugute komme, weil sie auch 2019 wieder die größte Fraktion stellen | |
dürfte. Allerdings deutet sich diesmal eine wichtige Änderung an: Die | |
größte Fraktion dürfte nicht mehr automatisch den Kommissionspräsidenten | |
stellen. Weber muss sich erst um eine Mehrheit im EU-Parlament bemühen, | |
wenn er Noch-Kommissionschef Jean-Claude Juncker beerben will. | |
Das könnte schwierig werden. Denn nach den ersten Prognosen wird das bisher | |
übliche Bündnis aus EVP und Sozialdemokraten nicht mehr für eine Mehrheit | |
ausreichen. Die Liberalen, aber auch die Grünen oder andere, neue | |
Formationen könnten zum Zünglein an der Waage werden. Dies will sich | |
Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron zunutze machen, der sich bereits | |
gegen Weber ausgesprochen hat. | |
Macron prüft derzeit, ob er mit einer eigenen Formation in die Europawahl | |
geht – oder mit den Liberalen marschiert. Verhofstadt hat sich bereits für | |
ein Bündnis ausgesprochen. Auch der niederländische Regierungschef Mark | |
Rutte hat Interesse signalisiert. Gemeinsam könnten sie die dänische | |
EU-Wettbewerbskommissarin Margarete Vestager ins Rennen um die | |
Juncker-Nachfolge schicken. | |
Das letzte Wort haben die Staats- und Regierungschefs, die den neuen | |
Kommissionspräsidenten bestätigen müssen. Es gebe „keinen Automatismus“, | |
dass der Kandidat des Europaparlaments nominiert werde, hat auch Kanzlerin | |
Merkel klargestellt. Auf Weber kommen also noch viele Hürden zu. Am Ende | |
könnte er doch noch scheitern – oder mit einem anderen Amt abgespeist | |
werden. | |
Bei der letzten Europawahl 2014 ist dies dem „Erfinder“ der | |
Spitzenkandidaten, Martin Schulz (SPD) passiert. Er musste sich mit dem Amt | |
der EU-Parlamentspräsidenten begnügen. | |
8 Nov 2018 | |
## AUTOREN | |
Eric Bonse | |
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