# taz.de -- EVP-Spitzenkandidat Manfred Weber: Die CSU und der Euro-Star | |
> Mit großer Mehrheit wählt die EVP Manfred Weber zum Spitzenkandidaten für | |
> die Europawahl. In der CSU wird er wohl trotzdem nicht durchstarten. | |
Bild: „Mein Herz schlägt für Manfred Weber“, sagt Merkel. Die Sympathie b… | |
MÜNCHEN taz | Historische Ereignisse scheinen sich in der CSU in diesen | |
Tagen zu überschlagen. Erst die Wahlniederlage bei der Landtagswahl, dann | |
der laut Ministerpräsident Markus Söder „weltweit erste Koalitionsvertrag“ | |
zwischen CSU und Freien Wählern. Und jetzt das: „Gratulation zu diesem | |
großartigen Ergebnis“, [1][twitterte Söder am Donnerstag] nach der Wahl des | |
EVP-Spitzenkandidaten. „Freue mich wirklich sehr: das ist ein historischer | |
Tag für Manfred Weber, die CSU und Bayern.“ Und für Markus Söder, würden | |
manche ergänzen, da auf diese Weise der letzte mögliche Gegenkandidat in | |
Sachen Seehofer-Nachfolge aus dem Weg geräumt ist. Eine Theorie, die | |
zumindest nicht vollends von der Hand zu weisen ist. | |
Mit 492 von 619 gültigen Stimmen [2][wählte die EVP ihren | |
Fraktionsvorsitzenden Weber am Donnerstag] in Helsinki zu ihrem | |
Spitzenkandidaten für die Europawahl im nächsten Jahr – für eine Wahl mit | |
Gegenkandidaten ein klarer Vertrauensbeweis. | |
Mit dem 46-Jährigen wählten die Delegierten einen verbindlichen und | |
ausgleichenden Charakter zu ihrem Spitzenkandidaten, der sich selbst als | |
Brückenbauer versteht. Auf europäischer Ebene nicht die schlechteste | |
Voraussetzung. Weber ist keiner, der polarisiert – unter | |
CSU-Spitzenpolitikern eher die Ausnahme als die Regel. „Er hat die Gabe, | |
Menschen zusammenzuführen, auch durch seinen persönlichen Charme“, schwärmt | |
der ehemalige CSU-Chef Theo Waigel. Und die Kanzlerin wird für ihre | |
Verhältnisse geradezu euphorisch: „Mein Herz schlägt für Manfred Weber“, | |
sagt sie. | |
Die Sympathie beruht auf Gegenseitigkeit. Weber gehört zu den wenigen | |
überzeugten Merkelianern in der CSU, steht ihr politisch wohl sogar näher | |
als Seehofer und Söder, auch wenn er das wahrscheinlich öffentlich nicht so | |
bekennen würde. Schon im Europawahlkampf 2014 vertrat er einen überzeugt | |
proeuropäischen Kurs, während sich der Rest der CSU von den EU-Kritikern | |
der damaligen Lucke-AfD, aber auch der eigenen Partei wie Peter Gauweiler | |
treiben ließ. | |
## Kritik, die keinem weh tut | |
In seiner verbindlichen Art hebt Weber gern zu mahnenden Worten an, scheut | |
dabei aber die direkte Konfrontation mit den Polarisierern in den eigenen | |
Reihen. Vor der Bundestagswahl beispielsweise wand er sich mitunter sehr, | |
um Seehofers zum Dogma erhobene Obergrenze mitzutragen. Und jetzt, nach der | |
Wahlniederlage in Bayern, sprach er sich für eine Kurskorrektur aus und | |
warnte die CSU davor, zur Ein-Themen-Partei zu werden. | |
„Wir brauchen Gesichter fürs Soziale, fürs Kirchliche, für Umwelt – | |
Politiker, die für diese Grundüberzeugungen stehen“, [3][sagte er dem | |
Tagesspiegel.] So verpackt tut die Kritik freilich keinem weh. Auch im | |
Umgang mit dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán tritt er wenig | |
beherzt auf, plädiert für einen kritischen Dialog. Wenn allerdings | |
Alexander Dobrindt den Ungarn zur Klausur seiner Landesgruppe nach Kloster | |
Seeon einlädt, ist er vorne mit dabei, wenn es gilt, den Gast an seiner | |
Limousine zu begrüßen. | |
Im Europäischen Parlament sitzt Weber bereits seit 2004, davor war er zwei | |
Jahre lang Landtagsabgeordneter, 2014 wurde er zum Chef der größten | |
Fraktion gewählt. Die Parteikarriere des Niederbayern verlief klassisch. | |
Von 2003 bis 2007 war er JU-Vorsitzender, von 2008 bis 2016 Chef der | |
Niederbayern-CSU, seit 2016 ist er stellvertretender Parteivorsitzender. | |
Weber ist stark katholisch geprägt. Er war Ministrant, in der katholischen | |
Landjugend, Trompeter im kirchlichen Bläserkreis. Er gehört dem | |
Landeskomitee der Katholiken in Bayern und dem Zentralkomitee der deutschen | |
Katholiken an. „Der wöchentliche Gottesdienstbesuch ist für mich keine | |
Pflicht, sondern eine Bereicherung“, schreibt er auf seiner Website. | |
## Eine Frage der Vereinbarung | |
Er ist der Anti-Söder, könnte man meinen. Auch persönlich war das | |
Verhältnis der beiden bisher eher von Antipathie und Misstrauen geprägt. | |
Doch in letzter Zeit drängt sich fast der Eindruck auf, sie hätten eine | |
Zweckallianz geschmiedet: Söder hält sich aus Europa, Weber aus Bayern | |
raus, und dafür unterstützt man sich gegenseitig nach Kräften. Fragt sich | |
nur, in welchen Bereich nun der Parteivorsitz fällt, der – daran zweifelt | |
in der CSU kaum noch jemand – bald vakant wird. | |
Weber wie auch Söder weichen der Frage bislang aus, ob sie den | |
CSU-Chefsessel anstreben. Bei Beobachtern inner- und außerhalb der Partei | |
steht Söder aktuell hoch im Kurs, wenn es um die Seehofer-Nachfolge geht. | |
Dann wären der Posten des Ministerpräsidenten und der des Parteichefs | |
wieder in einer Hand. Zudem bezweifeln viele, ob sich ein solches Parteiamt | |
mit dem von Weber angestrebten Posten des EU-Kommissionspräsidenten | |
vereinbaren ließe. | |
Eines freilich spräche für Manfred Weber: Mit ihm als Parteivorsitzenden | |
könnte die Partei tatsächlich ein glaubhaftes Signal setzen, dass sie nach | |
dem Wahldesaster wirklich nicht weitermachen will wie bisher. Gegen ihn | |
spricht, dass ein solches Signal womöglich gar nicht im Sinne der Partei | |
ist. | |
9 Nov 2018 | |
## LINKS | |
[1] https://twitter.com/Markus_Soeder/status/1060495569037201408 | |
[2] /Manfred-Weber-gewinnt-EVP-Wahl/!5546722 | |
[3] https://www.tagesspiegel.de/politik/interview-mit-eu-politiker-manfred-webe… | |
## AUTOREN | |
Dominik Baur | |
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