| # taz.de -- Migranten auf dem Weg in die USA: „Wir laufen bis zur US-Grenze“ | |
| > Etwa 7.000 Migranten haben in der mexikanischen Kleinstadt Huixtla eine | |
| > kurze Pause eingelegt. Das Ziel der Karawane ist weiterhin die USA. | |
| Bild: Im mexikanischen Huixtla hat die Migranten-Karawane eine Rast eingelegt | |
| Huixtla taz | Die Sonne drückt, es ist unerträglich schwül. Wer nicht muss, | |
| läuft keinen Meter außerhalb der Zeltdächer, die ein wenig Schutz vor der | |
| tropischen Sonne bieten sollen. “Trinkt genug Wasser und bleibt im | |
| Schatten“, dröhnt die Stimme von Pfarrer Samuel Rosco aus den | |
| Lautsprechern. | |
| Der Geistliche steht auf der Bühne, warnt vor Hitzschlägen und gibt über | |
| Mikrofon die wichtigsten Informationen weiter. Neben ihm verteilen Frauen | |
| Medikamente, einige Sanitäter drängen sich durch die Menschenmenge, dortin, | |
| wo gerade jemand nach einem Arzt gerufen hat. Immer wieder kollabiert | |
| jemand wegen der Hitze, mehrere Rettungswagen stehen bereit. | |
| “Wir mussten die Hilfe innerhalb weniger Stunden organisieren“, sagt Padre | |
| Rosco. Familien spenden Kleidung, freiwillige Helfer werfen Wasserflaschen | |
| von einem Pritschenwagen, ein Restaurantbesitzer verteilt Teller mit Essen. | |
| Huixtla im Ausnahmezustand. Etwa 7.000 Migranten haben in den vergangenen | |
| Tagen die südmexikanische Kleinstadt erreicht. Sie haben eine Pause | |
| eingelegt. Viele Bürger sind bemüht, den Menschen auf der Flucht zu helfen. | |
| Eine große Herausforderung für eine Stadt, in der zerfallene Häuser und | |
| heruntergekommene Marktstände davon zeugen, dass sie von Armut geprägt ist. | |
| Vor allem Honduraner, aber auch Menschen aus El Salvador, Guatemala und | |
| Nicaragua haben sich auf den Weg gemacht. Vor wenigen Tagen haben die | |
| Frauen, Männer und Kinder, die vor Elend, Kriminalität und Verfolgung in | |
| ihrer Heimat geflohen sind, die 81 Kilometer entfernte mexikanische Grenze | |
| überwunden und sind gemeinsam hierher gelaufen. | |
| ## Mit dem Boot über den Grenzfluss | |
| “Manche wollten die Grenze stürmen, aber das hat natürlich nicht geklappt. | |
| [1][Sie wurden von der Polizei gewaltsam gestoppt“] erinnert sich Masario | |
| de Jesús an die Tage, die sie wartend in der letzten guatemaltekischen | |
| Stadt Tecún Umán verbrachten. Wie die meisten hat der 33jährige Honduraner | |
| den Rio Suchiate, der Mexiko von Guatemala trennt, mit den Boot überquert. | |
| Nun sitzt er unter einer großen Plane, neben ihm liegen kurze Hosen, Jeans | |
| und T-Shirts, die auf dem Asphalt trocknen sollen. Einige seiner | |
| Mitstreiter reiben sich die Füße mit einer weißen Creme ein, um den Schmerz | |
| zu lindern. Nicht wenige haben Blasen vom langen Marsch des Vortags. | |
| Dennoch sind die meisten davon überzeugt, dass sie nicht aufgeben. So auch | |
| Masario de Jesús: “Wir laufen bis zur US-Grenze.“ | |
| Vor zehn Tagen haben sich etwa 150 Honduraner von der Stadt San Pedro Sula | |
| aus auf den Weg gemacht, um mit einer Karawane in die USA zu gelangen. | |
| Seither haben sich Tausende dem Zug angeschlossen. Trotz eines gewaltsamen | |
| Einsatzes der mexikanischen Polizei am vergangenen Freitag gelangten die | |
| meisten nach Mexiko, mehrere hundert traten den Rückweg an. | |
| Seit diesem Vorfall ist die mexikanische Polizei zurückhaltend. Zwar betont | |
| der Präsident Enrique Peña Nieto immer wieder, man werde keine illegale | |
| Migration zulassen, doch die Sicherheitskräfte schreiten nicht ein. Nun hat | |
| sich in Honduras bereits eine neue Gruppe auf den Weg gemacht. Ein | |
| Mitarbeiter der guatemaltekischen Unterkunft Casa del Migrante geht davon | |
| aus, dass etwa 3.000 Menschen kommen werden, die wegen der Armut und der | |
| gewaltsamen Verhältnisse ihre Heimat verlassen müssen. | |
| ## Bittere Armut | |
| Auch Masario de Jesús zögerte nicht lange, als er von der Karawane hörte. | |
| “Ich musste Honduras verlassen, um meine Familie zu ernähren“, sagt er. | |
| Früher war er als Landarbeiter und auf dem Bau tätig, doch mittlerweile | |
| gibt es kaum mehr Jobs. Nun hofft er, in den USA Arbeit zu finden. Den Lohn | |
| will er seiner Frau und den beiden Kindern schicken. | |
| Inés Hernandez pflichtet ihm bei. Sie musste die Schule verlassen, um zu | |
| arbeiten. “Aber selbst wenn du Geld verdienst, reicht das nicht, um Miete, | |
| Strom und Essen zu bezahlen“, sagt die junge Frau. Dann spricht sie von den | |
| Verbrechen, die immer mehr zugenommen hätten. Auch das war für viele hier | |
| im Zentrum von Huixtla ein wichtiger Grund, sich der Karawane | |
| anzuschließen. Sie flüchten, weil sie nicht wollen, dass ihre Kinder | |
| kriminellen Banden zum Opfer fallen oder gezwungen werden, sich den | |
| Verbrechern anzuschließen. Viele könnten nach Einschätzung des | |
| UN-Flüchtlingswerks Asyl beantragen, erklärte ein Sprecher der Organisation | |
| in Genf. | |
| Aber sehen de Jesús und Hernández wirklich Chancen, mit der Karawane in die | |
| USA zu kommen? Schließlich hat US-Präsident Donald Trump immer wieder | |
| rassistisch gegen die Flüchtlinge und Migranten gehetzt. Er bezeichnet sie | |
| als Kriminelle, jüngst wollte er unter ihnen gar Terroristen aus dem Nahen | |
| Osten entdeckt haben. Sollte die mexikanische Regierung die Reisenden nicht | |
| stoppen, werde er, [2][wie bereits angekündigt, Soldaten an die Grenze | |
| schicken.] Die Honduranerin und der Honduraner lassen sich davon nicht | |
| abschrecken. “Es wird schwierig werden, aber mit Gottes Hilfe werden wir es | |
| schaffen“, hofft Inés Hernandez. | |
| Außergewöhnliche Kräfte werden die Menschen bereits in den nächsten Tagen | |
| brauchen. Viele liegen schon jetzt erschöpft unter den Zeltdächern oder den | |
| notdürftig gespannten Plastikplanen. Babys schlafen, auch viele der | |
| Erwachsenen bewegen sich so wenig wie möglich. Noch immer sind sie | |
| geschafft vom Marsch des Vortags, und demnächst soll es schon wieder | |
| weitergehen. Ein Sanitäter erklärt einem der jungen Männern anhand einer | |
| Landkarte, die auf dem Rettungswagen festgeklebt ist, den Weg. “Allein von | |
| hier bis Mexiko-Stadt sind es über 1.100 Kilometer, und von dort aus noch | |
| einmal doppelt so viel, um nach Tijuana an der Grenze zu gelangen“, sagt | |
| er. | |
| ## Ein sehr langer Weg | |
| Wird die Karawane tatsächlich diese lange Strecke zurücklegen? Irineo | |
| Mujica lacht. “Ja, zugegeben, das ist ein verdammt langer Weg.“ Der | |
| Mitarbeiter der Unterstützungsgruppe “Pueblo sin Fronteras“ (Volk ohne | |
| Grenzen) ist in Huixtla ein gefragter Mann. Ständig wird er von den | |
| zahlreich anwesenden Journalisten zum Interview abgeschleppt. | |
| Vergangenes Wochenende hat ihn die mexikanische Polizei kurzzeitig | |
| festgenommen, weil sie ihn als Hintermann der Aktion verdächtigen. Während | |
| auf dem Platz die meisten davon ausgehen, dass die Karawane bis an die | |
| US-Grenze zieht, ist Mujica zurückhaltend. “Wir hätten schon viel erreicht, | |
| wenn die mexikanischen Behörden den Migranten ein Dokument ausstellen, mit | |
| dem sie sich hier ein Jahr frei bewegen können,“ sagt er. | |
| Zudem müsse endlich die Visumspflicht abgeschafft werden. “In jedem | |
| mittelamerikanischen Land können sich Mittelamerikaner frei bewegen. Warum | |
| nicht in Mexiko?“ über die Vorwürfe gegen sich kann er sich nur amüsieren. | |
| “Ich wäre stolz darauf, das hier organisiert zu haben, aber nein, für diese | |
| Karawane ist alleine der Hunger und die Angst verantwortlich“, sagt er. | |
| Am Himmel über Huixtla haben sich inzwischen dunkle Wolken zusammengezogen. | |
| Die drückende Hitze weicht wie jeden Abend einem tropischen Regenguss, der | |
| die provisorischen Schlafstätten der Reisenden unter Wasser setzt. Die aus | |
| alten Kartons gebastelten Pappunterlagen weichen durch, zwischen den Planen | |
| prasseln Sturzbäche auf die Decken, an allen Ecken fließt das Wasser. Auf | |
| der Bühne haben Pfarrer Rosco und seine Leute indes ein Kinderprogramm und | |
| ein Mariachi-Konzert organisiert. Ein paar Meter weiter tanzen junge Männer | |
| im strömenden Regen zur Musik einer Blaskapelle und rufen im Chor: | |
| “Honduras, Honduras, Honduras.“ | |
| Wenige Stunden später macht sich die Karawane wieder auf den Weg Richtung | |
| Norden. Das nächste Ziel ist die Stadt Mapastepec. 68 Kilometer ist die | |
| Strecke lang. Es wird ein weiterer harter Tag. | |
| 24 Oct 2018 | |
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| ## AUTOREN | |
| Wolf-Dieter Vogel | |
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