Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Kommentar Merz will CDU-Vorsitz: Der linke Traumkandidat
> Sollten Linke Angst vor einem CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz haben?
> Nein. Er wäre das Beste, was SPD, Grünen und Linken passieren kann.
Bild: Er ist neoliberal und erzkonservativ. So neoliberal und erzkonservativ, d…
Friedrich Merz, 62 Jahre, machte in erster Reihe Politik, als Mark
Zuckerberg eine seltsame Plattform namens Facebook online stellte. Man hat
also länger nichts von ihm gehört, aber das, was man hörte, war
neoliberaler Kram par excellence – vorgetragen in schneidiger
Herrenreitermanier.
Merz erfand ein Steuerkonzept, das Millionäre und Chefärzte glücklich
gemacht hätte. Selten wurde größerer Unsinn auf einen Bierdeckel
geschrieben. Er verteidigte eine Studie, nach der ein Hartz IV-Satz von 132
Euro im Monat ausreiche. Für das Geld würde sich Merz noch nicht mal einen
Schlips umbinden. Ach ja, die deutsche Leitkultur kommt auch von ihm.
Und doch: [1][Ein CDU-Vorsitzender Friedrich Merz] wäre das Beste, was den
Parteien links der Mitte passieren könnte. Er wäre ein Traumgegner im
Rennen um das Kanzleramt. Eigentlich müssten Andrea Nahles, Robert Habeck
und Sahra Wagenknecht Merz auf Knien danken, dass er bereit ist, seine
Traumgagen in der Finanzwirtschaft für die Kärrnerarbeit des Politischen
hinter sich zu lassen. Für den unwahrscheinlichen Fall, dass er sich in der
Merkel-Nachfolge durchsetzt, eröffnet er eine große Chance für linke
Politik.
Da wäre zum Beispiel sein Lebenslauf, der, sagen wir, zu Fragen einlädt.
Merz ist seit 2016 Aufsichtsratschef der deutschen Tochter von Blackrock,
dem größten Vermögensverwalter der Welt. Als wichtiger Lobbyist sorgte er
[2][laut Zeit Online] dafür, dass die Politik der Finanzwirtschaft
möglichst wenig Steine in den Weg legt. Außerdem sitzt er im Aufsichtsrat
einer Bank, die ihr Geld mit den umstrittenen Cum-Ex-Geschäften verdiente.
Wie steht er dazu, dass Investoren den Staat um Milliardenbeträge betrogen?
Man wüsste es schon gerne.
## Blackrock lässt grüßen
Nun kann man sagen, dass es nicht verboten ist, aus der Wirtschaft in die
Politik zu wechseln. Mag sein. Aber wäre ein Blackrock-Mann der richtige
Kanzler in Zeiten, in denen die nächste Finanzkrise droht? Solche Fragen
können Wahlen entscheiden. Wie sensibel WählerInnen auf problematische
Seitenwechsel reagieren, bekam Peer Steinbrück zu spüren. Seine Integrität
als SPD-Kanzlerkandidat wurde 2013 auch wegen seiner gut bezahlten Vorträge
pulverisiert. Übrigens auch von der Springer-Presse, die Merz jetzt
euphorisch bejubelt.
Eine Merz-CDU würde die politische Landschaft kräftig aufmischen. Sie
könnte die AfD schrumpfen und die FDP kannibalisieren, die auf demselben
Ticket unterwegs ist – gewaschen marktliberal, flüchtlingskritisch, aber
rechtsstaatstreu. Lindners Truppe dürfte dann eben wieder Klimmzüge an der
Fünf-Prozent-Hürde machen. Beides sind Effekte, über die sich Linke
durchaus freuen dürfen – Merz sei Dank.
Vor allem aber ließe Merz in der modernen, sozialökologischen Mitte und
links davon viel, viel Raum, den SPD, Grüne und Linkspartei besetzen
könnten. Dafür, zugegeben, müssten sie sich besser aufstellen, aber das ist
ein anderes Thema.
Rot-Rot-Grün schien lange tot, eine Idee von gestern. Ein Feindbild wie
Friedrich Merz könnte sie reanimieren. Wer will ausschließen, dass SPD und
starke Grüne gegen eine Merz-CDU 40 Prozentpunkte holen – und die Linke
käme ja dazu? Ein Kanzler Robert Habeck klingt angesichts des
Merz-Szenarios nicht mehr wie ein Hirngespinst euphorischer Leitartikler,
sondern wie eine realistische Option.
Eine fürchterliche Wirkung der Ära Merkel war, dass sie die Gesellschaft
sedierte. Irgendwie war die Kanzlerin alles. Ein bisschen konservativ,
sozialdemokratisch sowieso, aber auch grün. Merkel war es ja, die den
Mindestlohn einführte und die Atomkraftwerke abschaltete. Doch Einheitsbrei
zerstört auf Dauer die Demokratie. Was das politische System jetzt braucht,
ist mehr Differenz zwischen den demokratischen Parteien. Nur so kann das
Klischee entkräftet werden, aus dem die Rechtsextremen Funken schlagen: Die
Parteien sind doch eh alle gleich. Merz wäre ein Garant für klare Fronten.
Es ist gerade sehr in Mode, das alte Lagerdenken für überholt zu erklären.
Links und rechts gebe es nicht mehr, heißt es zum Beispiel bei den ins
Bürgerliche verliebten Grünen. Stattdessen orientierten sich Parteien
entlang der Achse liberal versus illiberal. Ganz falsch ist das nicht, aber
eben auch nicht ganz richtig. Denn im Vergleich zur AfD sind alle anderen
irgendwie liberal.
Und gerade bei sozioökonomischen Themen gilt links und rechts nach wie vor.
Eine Bürgerversicherung, [3][einen Mindestlohn von 12 Euro] oder eine harte
Erbschaftsteuer kann man nur gegen die Union einführen, nicht mit ihr. Dank
Merz müsste das auch der realpolitischste Grüne kapieren. Ein bisschen
Lagerdenken schadet nicht.
Mit diesem CDU-Vorsitzenden würden die gesellschaftlichen Konflikte
sozusagen scharf gestellt. Die politische Linke, wenn man noch von ihr
sprechen will, braucht sich vor dieser Auseinandersetzung nicht zu
fürchten, denn sie hat die besseren Ideen. Ein Kandidat Merz würde helfen,
den Kanzler Merz zu verhindern. Deshalb hier ausnahmsweise eine
Wahlempfehlung für die Delegierten des CDU-Parteitages:
Nehmt Friedrich Merz. Er ist nicht der Schlechteste.
31 Oct 2018
## LINKS
[1] /Friedrich-Merz-stellt-sich-vor/!5545443
[2] https://www.zeit.de/wirtschaft/2018-10/friedrich-merz-blackrock-aufsichtsra…
[3] /Nach-Beschluss-des-Bundeskabinetts/!5547405
## AUTOREN
Ulrich Schulte
## TAGS
Friedrich Merz
CDU
Schwerpunkt Angela Merkel
CDU-Parteitag
Lesestück Meinung und Analyse
SPD
Rügen
Schwerpunkt Angela Merkel
Schwerpunkt Angela Merkel
SPD
Friedrich Merz
CDU
CDU
Schwerpunkt Angela Merkel
Schwerpunkt Angela Merkel
CDU/CSU
## ARTIKEL ZUM THEMA
SPD diskutiert Neuausrichtung: Regieren muss nicht sein
In Umfragen stürzt die Partei weiter ab. Nun werden in der SPD Stimmen
lauter, die das Ende der Großen Koalition und einen Sonderparteitag
fordern.
Abschied von Angela Merkel: Wo alles begann
Ihren ersten Wahlkampf startete Angela Merkel 1990 in einer Fischerhütte
auf Rügen. Was ist davon geblieben?
Kolumne Macht: Kann er's überhaupt?
Annegret Kramp-Karrenbauer gilt als zu merkelig, Jens Spahn als zu vorlaut.
Für Friedrich Merz läuft es gut. Es spricht viel für ihn! Oder nicht?
Kommentar zur CDU nach Merkel: Der röhrende Hirsch
Die gesellschaftliche Linke jubelt über das baldige Ende der Ära Merkel.
Dabei müsste sie die Aussicht auf die möglichen Folgen aufrütteln.
Politische Rhetorik: Es ist wieder Zeit zum Erneuern
2017 wollte Martin Schulz die SPD erneuern, jetzt ziehen seine Genossen
nach. Und auch Friedrich Merz sieht die Lösung für die CDU in der
Erneuerung.
Wer ist Friedrich Merz?: Der Mann, der die Märkte kennt
Friedrich Merz, 62, war mal Fraktionsvorsitzender und will neuer CDU-Chef
werden. Aber was macht er eigentlich beruflich?
Friedrich Merz stellt sich vor: Entschlossen, energisch, aufgeregt
Friedrich Merz will nach Jahren der Abstinenz zurück in die aktive Politik.
In Berlin stellt er sich und seine künftigen Pläne für die CDU vor.
CDU nach Merkels Rückzugserklärung: Die Männerattitüden
Merz, Spahn, Kramp-Karrenbauer: Wenn die CDU Merkels Nachfolge klärt, geht
es auch darum, ob Politik wieder zum Gockelspielplatz wird.
Nach Merkels Parteivorsitz-Verzicht: Tick, tack
Angela Merkel versucht ihren Abschied aus der Politik selbst zu lenken.
Fragen und Antworten zu ihrer Restmacht.
Kommentar Angela Merkels Ausstieg: Ganz großes Finale
Unerwartet und mit Haltung hat Kanzlerin Angela Merkel ihren Ausstieg aus
der Politik angekündigt. Wir werden uns noch nach ihr sehnen.
Merkels geplanter Ausstieg aus der Politik: Ein Abgang mit Würde
1999 hat Angela Merkel die CDU in die Befreiung von Kohl geführt. 2018
befreit sie ihre Partei von sich.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.