# taz.de -- Debatte Konzepte Rentenpolitik: Rettet die Rente vor der AfD | |
> Die Rentenvorstöße der AfD sind widersprüchlich und wenig überzeugend. | |
> Umso mehr braucht die GroKo endlich ein Grundrentenkonzept. | |
Bild: Die Frage nach einer solidarischen Alterssicherung für alle sollte man n… | |
Jetzt hat die AfD die Rentenpolitik für sich entdeckt. Die Sorge um sichere | |
Renten und die Furcht vor Altersarmut schlachtet die AfD ähnlich | |
populistisch aus wie das Thema Migration. Die AfD-Propaganda schreckt auch | |
nicht davor zurück, beides miteinander zu verbinden: Ursache für die | |
niedrigen Renten vieler Versicherter soll die „Masseneinwanderung“ in die | |
Sozialsysteme sein. Dem völkisch-nationalen Flügel der Partei schwebt | |
deshalb eine Staatsbürgerrente vor, die nur Deutschen einen Zuschlag | |
gewährt. Die FAZ berichtete jüngst [1][von einem neuen Konzept des | |
AfD-Bundesvorsitzenden Jörg Meuthen]. | |
Mischt die AfD damit nun die Rentendebatte auf, wie die FAZ behauptet? | |
Keinesfalls. Höchstens legt sie damit die tiefen Gräben innerhalb der | |
Partei offen. Während das [2][online veröffentlichte Konzept der | |
thüringischen Landtagsfraktion] unter der Führung von Björn Höcke | |
sozial-völkisch ausgerichtet ist, gibt der Entwurf von Meuthen einen | |
radikal völkisch-neoliberalen Kurs vor. Dazwischen liegen Welten. | |
Höcke will die bestehende, über Beiträge und Steuerzuschüsse finanzierte | |
und im Umlageverfahren organisierte Rentenversicherung ausbauen, | |
Selbstständige und Beamte einbeziehen und das Rentenniveau auf 50 Prozent | |
anheben. Auch der Steuerzuschuss soll erhöht werden. | |
Meuthen dagegen hat nur eines im Sinn: die Rentenversicherung komplett | |
abzuschaffen. Jeder soll sich eine private Altersversorgung aufbauen, über | |
Immobilien- oder Aktienbesitz, zur Not zahlen die Kinder den Eltern im | |
Alter eben Unterhalt. Das nennt er „bürgerliche Freiheit“. [3][Alle, die | |
kein Vermögen aufbauen können,] sind selbst schuld. Ihnen bleibt eine | |
steuerfinanzierte Grundrente in Höhe des Existenzminimums. Vorausgesetzt, | |
sie besitzen die deutsche Staatsangehörigkeit oder haben mindestens 20 | |
Jahre lang Steuern bezahlt oder Kinder großgezogen. Ein Weg, der in die | |
Altersarmut führt. | |
## Kein Konzept für weniger Altersarmut | |
Höcke schlägt ebenfalls eine Basisrente auf Grundsicherungsniveau vor, die | |
je nach Höhe der entrichteten Rentenbeiträge bis zur Standardrente von rund | |
1.350 Euro aufgestockt wird – ein Bonus nur für deutsche Staatsbürger. Es | |
gibt einen einzigen Punkt, in dem sie sich treffen: ihre nationale | |
Ideologie. In beiden Konzepten werden diejenigen prämiert, die die deutsche | |
Staatsangehörigkeit haben und möglichst viele Kinder bekommen. Ansonsten | |
könnte die Distanz größer nicht sein. | |
Die AfD versucht aus dem Los derjenigen politisches Kapital zu schlagen, | |
die als Rentenversicherte trotz jahrzehntelanger Arbeit wegen geringer | |
Löhne, Teilzeitarbeit und löchriger Arbeitsbiografien, wegen Jahren der | |
Arbeitslosigkeit, Kindererziehung oder Pflege von Angehörigen nur kleine | |
Renten bekommen oder in Zukunft erwarten. Ein konsensfähiges Konzept für | |
eine Basissicherung für alle, die das Risiko von Altersarmut minimiert, | |
liefert die AfD nicht. | |
Dass die AfD sich das Rententhema greift, ist angesichts der | |
Ungerechtigkeiten im Rentensystem nur logisch. Deshalb müssen die | |
Regierungsparteien endlich eine umfassende Reform angehen, die über die | |
Bedienung einzelner Klientelen hinausgeht. Zu einer solchen Rentenreform | |
gehört eine Grundrente. | |
Konzepte dafür geistern schon seit zehn Jahren durch Parteiprogramme und | |
Koalitionsverträge: Mindestrente, Garantierente, Lebensleistungsrente, | |
Solidarrente, Grundrente – das Kind hatte schon viele Namen. Breit | |
debattiert, geschweige denn durchgesetzt wurden diese Ideen nie. Sie waren | |
ungeliebte Kinder. | |
Ursula von der Leyens (CDU) Idee von 2012, kleine Renten mit einer | |
„Lebensleistungsrente“ auf 850 Euro monatlich aufzustocken, wurde von ihren | |
Parteikollegen und dem Koalitionspartner FDP mit dem Argument abgewürgt, | |
sie verletzte das Äquivalenzprinzip. Danach sind Rentenzahlungen nur gegen | |
einbezahlte Rentenbeiträge zu haben. | |
Neu aufgelegt wurde sie 2013 als Koalitionsprojekt von CDU und SPD, diesmal | |
unter dem rot-schwarzen Namen „solidarische Lebensleistungsrente“. Die | |
damalige Bundesministerin für Arbeit und Soziales, Andrea Nahles, hatte | |
angekündigt, den Plan 2017 zum Ende der Legislaturperiode umsetzen zu | |
wollen. Nichts geschah. Im aktuellen Koalitionsvertrag taucht die Idee | |
wieder auf. Diesmal als Grundrente für „Geringverdiener und Menschen, die | |
Kinder erzogen oder Angehörige gepflegt haben“. | |
## Rentnerinnen kommen nur auf 27 Beitragsjahre | |
Arbeits- und Sozialminister Hubertus Heil will sie noch im kommenden Jahr | |
einführen. Mit 880 bis 900 Euro ist sie karg bemessen und die Bedingungen | |
sind knallhart: Versicherte müssen, so wie zuvor schon bei von der Leyens | |
„Lebensleistungsrente“, [4][35 Jahre lang Beiträge in die | |
Rentenversicherung eingezahlt haben] und es soll eine Bedürftigkeitsprüfung | |
wie beim Sozialamt geben. Privat- oder Betriebsrenten, Vermögen oder das | |
Einkommen eines Lebenspartners sind offenzulegen und werden ganz oder | |
teilweise angerechnet. | |
Den Namen Grundrente, der eine universale Leistung für alle suggeriert, | |
verdient das Konzept schon deshalb nicht. Zudem ist davon auszugehen, dass | |
der Kreis der Berechtigten überschaubar wäre. Heutige Rentnerinnen kommen | |
im Durchschnitt gerade mal auf 27 Beitragsjahre. Eine geringe Reichweite | |
ist vorprogrammiert. Die Einführung einer Grundrente für alle ist | |
überfällig. Kein europäisches Land verzichtet auf eine Mindestsicherung und | |
selbst unter den 34 OECD-Ländern sind es nur eine Handvoll. | |
Wenn man den AfD-Konzepten etwas abgewinnen will, dann ist es der Gedanke | |
einer Grundrente, die eine Bedürftigkeitsprüfung obsolet macht. Es wäre | |
nicht verkehrt, wenn der AfD-Vorstoß der Regierungskoalition auf die | |
Sprünge helfen würde, endlich ein mutiges Rentenkonzept vorzulegen und | |
denen laut zu widersprechen, die behaupten, eine Grundrente sei | |
„systemfremd“ und daher nicht diskussionswürdig. | |
Es wäre brandgefährlich, die Frage einer solidarischen Alterssicherung für | |
alle, ein Kernversprechen des Sozialstaats, den Rechtspopulisten zu | |
überlassen. | |
23 Oct 2018 | |
## LINKS | |
[1] http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/f-a-z-exklusiv-meuthen-legt-rentenkon… | |
[2] https://afd-thl.de/rentenpapier/ | |
[3] /Studie-zu-Altersvorsorge/!5535377 | |
[4] /Debatte-Rentenpolitik/!5533128 | |
## AUTOREN | |
Kristina Vaillant | |
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