| # taz.de -- Kolumne Einfach gesagt: Tinder imitiert das Nachtleben | |
| > Apps wie Tinder bringen es auf den Punkt. Ein Mann muss sich nicht erst | |
| > danebenbenehmen, damit Frauen abgeschreckt sind. Einmal gucken reicht. | |
| Bild: Auf den Punkt gebracht: Einmal gucken reicht | |
| „Man darf bei Tinder nicht igitt sagen, Menschen sind nicht igitt“, sagte | |
| meine Freundin, die Casterin. | |
| „Deine Moral ehrt dich, aber das ist hier ja kein Casting, sondern | |
| hedonistischer Privatkram“, sagte die Köchin und wischte eilig Männer weg | |
| nach links. Wir saßen an dem warmen Oktoberabend auf dem Schulterblatt | |
| nebeneinander und starrten auf ihr Handy. | |
| „Ich will gar nicht wissen, was Männer beim Tindern alles raushauen“, sagte | |
| ich. | |
| „Ist doch egal, wie primitiv die Typen sind, wir müssen ja nicht genau so | |
| sein“, sagte die Casterin, „die App ist menschenverachtend, die dürfte man | |
| nicht mal runterladen.“ | |
| „Aber Leute, das Liebesspiel ist eben so, Tinder ist ehrlich, es spiegelt | |
| das Leben auf brachiale Weise!“, sagte die jüngere Freundin und | |
| Philosophiestudentin. | |
| „Wie meinst du das?“, fragte ich. | |
| „Es läuft im richtigen Leben doch genauso – drei Sekunden und du weißt, ob | |
| du mit dem Typen da auf dem Fahrrad knutschen würdest!“ Er radelte schnell | |
| vorbei. | |
| „Ich hab sein Gesicht nicht gesehen! Das geht bei Tinder besser. Aber | |
| stimmt, meist ist man sofort verknallt oder ekelt sich“, sagte die Köchin. | |
| „Oder man ist einfach nur gelangweilt“, sagte ich. | |
| „Aber die Langweiligen sind manchmal die Abgründigsten, auch im positiven | |
| Sinn“, sagte die Philosophin. | |
| „Ich hab mal gelesen, die meisten Männer haben beim ersten Date Angst, die | |
| Frau könnte unattraktiver sein als auf den Fotos und die meisten Frauen | |
| befürchten, umgebracht zu werden“, sagte ich. | |
| „Wie auch immer, ich finde es falsch die Degradierungskultur der Männer zu | |
| übernehmen“, sagte die Casterin. | |
| Die Köchin nahm einen Schluck Whiskey und schaute aufs Handy. | |
| „Ach, das macht doch gar keinen Spaß, wenn ich jetzt sage: Der Thomas hier, | |
| der guckt nett, ist sportlich und bestimmt kein schlechter Mensch und | |
| Tattoos sind natürlich Geschmackssache, aber ich glaub, er ist einfach | |
| nicht auf meiner Wellenlänge … viel lustiger ist doch: Thomas sieht ja so | |
| hohl aus, da nützen ihm auch seine ganzen Muskeln nix, die Bräsigkeit steht | |
| ihm ins Gesicht geschrieben und das Tattoo ist einfach nur hässlich, igitt, | |
| weg mit dem.“ | |
| Apps wie Tinder bringen es auf den Punkt. Das ganze richtige Leben wird | |
| dabei sicher nicht imitiert, das Nachtleben aber schon. Ein Mann muss sich | |
| nicht erst danebenbenehmen, damit Frauen sich beim Ausgehen nicht zu ihm | |
| hingezogen fühlen. Einmal gucken reicht. | |
| Und Thomas hat bestimmt viele Matches mit tollen Frauen, die nicht in | |
| dieselben Bars gehen wie meine Freundinnen und ich. Bei Tinder werden | |
| Menschen zusammengepfercht, die sich sonst nie an denselben Orten tummeln. | |
| Aber das ist okay und liegt in der Natur der Sache. Die App ist umsonst und | |
| hat nichts mit Körperkontakt zu tun. Außerdem ist sie auf gewisse Weise | |
| sogar menschenfreundlich, weil es keine konfrontative Zurückweisung gibt. | |
| Niemand erfährt vom Interesse des anderen, wenn es nicht beidseitig ist. Es | |
| soll Männer geben, die jede Frau nach rechts wischen, einfach nur, um ihren | |
| Marktwert zu testen. Das ist wahrhaftige aufrichtige männliche | |
| Selbstdegradierung. | |
| 26 Oct 2018 | |
| ## AUTOREN | |
| Jasmin Ramadan | |
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