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# taz.de -- Diskussionsrunde auf Buchmesse: Europa auf Georgisch
> Frank-Walter Steinmeier diskutiert in Frankfurt über Georgien, Europa und
> die Demokratie. Freiheit könne dabei nicht immer verteidigt werden.
Bild: Frank-Walter Steinmeier (l.) begrüßt Autorin Ivana Sajko und Schriftste…
Frankfurt taz | Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier macht am Mittwoch
auf der Frankfurter Buchmesse einen gut gelaunten Eindruck. In einer
Diskussionsrunde mit der kroatischen Autorin Ivana Sajko und dem belgischen
Schriftsteller Stefan Hertmans erzählt er, wie die Buchmesse schon zu
seiner Studentenzeit ein wahrer „Pilgerort“ gewesen sei. Und das sei er
wohl heute noch. Auch im 70. Jahr ihres Bestehens erwartet die Buchmesse
wieder rund eine Viertelmillion Besucher*innen. Rund 7.000 Aussteller
präsentieren ihre Produkte. Über die Messe und die ganz Stadt verstreut
finden bis Sonntag über 4.000 Veranstaltungen statt.
Der bibliophile Herr Steinmeier kann sich in Frankfurt also ganz in seinem
Element fühlen, zumal er hier mit Autor*innen über Themen wie „Vom
Dafürhalten. Wie wir die Freiheit in stürmischen Zeiten verteidigen“
sprechen kann. In seinem Statement räumt er allerdings ein, dass Letzteres
nicht immer gelingt, der Politik auch gar nicht immer gelingen kann. Er
kommt damit auf die russische Aggression gegenüber Georgien zu sprechen,
dem diesjährigen Gastland der Buchmesse. Als Außenminister war er in
Georgien gewesen, den 2008 eskalierenden Konflikt habe jedoch die westliche
Diplomatie nicht verhindern können. Seit 2008 hält Russland nun zwei
georgische Provinzen besetzt. Und blockiert so die von den Georgiern
erhoffte weitere Integration Richtung Westen.
Häufig bleiben nur recht hilflos wirkende Worte, will man sich nicht mit
denen gemein machen, die sie ganz offensichtlich nicht respektieren. Die
politische Weltlage ist im 70. Jahr der Geschichte der Frankfurter
Buchmesse so unübersichtlich wie lange nicht mehr. Innenpolitisch bereitet
der rechte Populismus den westlichen Demokratien große Probleme,
außenpolitisch führen die despotischen Entwicklungen in Staaten wie
Russland oder der Türkei zu Spannungen. Und dann wäre da noch – in der
höchst unerquicklichen Schnittmenge von Außen- und Innenpolitik – der
internationale islamistische Extremismus. Was also tun?
## „kriechende Grenzen“
Erst einmal viel miteinander reden, Gelassenheit bewahren, auf
Differenzierung setzen, wie Buchmessendirektor Juergen Boos in seiner
Eröffnungsansprache am Abend zuvor im Frankfurter Congresscenter betonte.
Boos zitierte mehrfach den Philosophen Immanuel Kant sowie die
UN-Menschenrechtscharta, nach der ein jeder Mensch das Recht auf
fundamentale Rechte habe. Er forderte auf, denen zu widersprechen, gerade
auf einer Buchmesse, die das Gegenteil behaupten würden und Individuen,
Gruppen oder gleich ganzen Nationen diese Rechte absprechen wollen. Und
sich dabei oftmals polemisch auf die Freiheit des Wortes berufen. Dem Fake
sind zumindest im Westen rechtsstaatliche Grenzen gesetzt, wenn auch immer
darum gerungen werden muss.
Doch das sind andere Probleme, als sie sich etwa den kleineren
Nachbarstaaten Russlands stellen. Gegen militärische Besetzungen und
Propagandaoffensiven sind Staaten wie Georgien (mit seinen kaum 4 Millionen
Einwohner*innen) zumeist ziemlich machtlos. Die deutsch-georgische
Schriftstellerin Nino Haratischwili spricht in diesem Zusammenhang von
„kriechenden Grenzen“, ein Phänomen, das viele postsowjetische Staaten von
Putins Russland kennen.
## Eine Frage der richtigen Erzählung
Doch die kleineren Nationen, sagt der georgische Schriftsteller Aka
Morchiladze, müssten angesichts solcher Konflikte oft intellektuell und
kulturell zulegen, um sich zu behaupten: Und so lesen und studieren sie die
Großen, die Großen aber die Kleinen nicht. Dadurch kann sich Schwäche auch
in Stärke verwandeln. Es gibt noch andere Waffen als Waffen. Bei ihrem
Besuch zur Eröffnung der Messe wandte sich auch Federica Mogherini, Hohe
Vertreterin der EU für Außen- und Sicherheitspolitik, an die georgische
Delegation. Kultur sei die nicht zu unterschätzende „Softpower“ des
Westens, meinte sie. Und bekam dafür viel Applaus. Wie der Kampf um die
Meinungsfreiheit in vielen Staaten zeigt, wird er von vielen auch als
solcher begriffen.
Und der deutsche Bundespräsident und Bücherliebhaber Steinmeier warf in
seiner Runde dann noch die Frage auf, warum gerade diejenigen, die über
Europa oft am meisten schimpften, eigentlich gar keine Veränderung wollten.
Kann also alles doch eigentlich gar nicht so schlecht sein, wie es ist.
Aber ist es das? Als Schriftsteller würde man vielleicht sagen, vieles ist
eine Frage nach der richtigen Erzählung. Nur, warum findet ausgerechnet die
Sozialdemokratie heute keine?
10 Oct 2018
## AUTOREN
Andreas Fanizadeh
## TAGS
Frank-Walter Steinmeier
Georgien
Schwerpunkt Frankfurter Buchmesse 2024
Präsidentschaftswahl
Russland
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