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# taz.de -- 40 Jahre taz: Humus und Äckerböden: Die Erde regenerieren
> Den Böden geht der Humus aus, der wichtiges CO2 speichert. Aufbauende
> Landwirtschaft kann die Klimakrise lindern und Ernährung sichern.
Bild: Brandenburg im Jahr 2018: Trockene Äcker machen Kummer
Klimarettung könnte so einfach sein: In der Luft gibt es in Form von
Kohlendioxid zu viel Kohlenstoff und im Boden zu wenig – also muss man
diesen in die Erde zurückbringen.
In den letzten 100 Jahren verloren die globalen Böden massiv Humus, der vor
allem aus abgestorbenen Organismen und organischem Kohlenstoff besteht.
Agroindustrielle Techniken wie tiefes Pflügen, Chemiedünger und Pestizide
führen dazu, dass Bodenleben stirbt und Kohlenstoff freigesetzt wird, der
an der Luft zu CO2 oxidiert.
Früher lag der natürliche Humusanteil noch bei 5 bis 10 Prozent, heute
meist nur noch bei 1 bis 2 – fast schon Wüstenböden. Die Abbauraten
fruchtbaren Bodens sind bis zu 100-mal größer als die Erneuerungsrate.
Britische Forscher warnen, es gäbe nur noch „Boden für 60 bis 100 Ernten“.
Die Treibhausgase der Agroindustrie – etwa Pestizidhersteller,
Massentierhalter, Lebensmittelkonzerne – sind hauptverantwortlich für die
Erderhitzung. Entwaldung, Transport und Lebensmittelverschwendung
eingerechnet, machen sie laut einer Studie von „Grain“ 38 bis 57 Prozent
der globalen Emissionen aus. Schwere Maschinen verdichten den Boden, sodass
Lachgas freigesetzt wird, 300-mal klimaschädlicher als CO2.
Massentierhaltung erzeugt Methan, 25-mal schlimmer als CO2.
## Humöse Böden trotzen Dürren und Überschwemmungen
Wie bringt man Kohlenstoff aus dem CO2 zurück in die Erde? Durch
Humusaufbau, enorm wichtig für Bodenfruchtbarkeit, sichere Ernten und
gesunde Lebensmittel. Pro Hektar speichert 1 Prozent mehr Humus umgerechnet
100 Tonnen CO2 in Form von Kohlenstoff, 130.000 Liter Wasser sowie viele
Nährstoffe. Humose Böden trotzen Dürrezeiten und Überschwemmungen, indem
sie in Bodenporen riesige Mengen Wasser aufnehmen.
Das wäre in diesem Dürre- und Flutsommer dringend nötig gewesen. Und sie
könnten die Erderhitzung entscheidend abmildern: 1 Prozent mehr Humus auf
den globalen Böden könnte laut US-„Bodenpapst“ Rattan Lal und anderen
Forschern den CO2-Anteil in der Luft auf ein weitgehend ungefährliches Maß
bringen: von derzeit gut 400 auf 336 ppm.
Dafür hat sich 2015 ein Bündnis aus Biobauern, Aktivistinnen, und Forschern
aus über 100 Ländern gegründet: [1][Regeneration International]. Es
unterstützte auch die deutsch-französische Humusaufbau-Initiative
[2][4p1000], die Frankreichs Agrarminister beim Pariser Klimagipfel Ende
2015 vorstellte. Der Name verdeutlicht, dass ein jährlicher globaler
Humusaufbau von nur 4 Promille ausreichte, um alle neuen CO2-Emissionen zu
kompensieren. Der deutsche Landwirtschaftsminister Christian Schmidt
unterschrieb die Initiative, tat aber rein gar nichts für ihre Umsetzung;
es gibt nicht mal eine deutsche Übersetzung der Website.
„Regenerative Agrikultur“ ist mehr als „Bio“: Sie unterstützt die
ungeheuren Regenerationskräfte der Natur, belebt die Artenvielfalt und
entlastet das Klima. Weltweit gibt es dafür unzählige Beispiele – von klein
bis groß. Viele Projekte und Höfe arbeiten mit Permakultur, Pflanzenkohle
und Terra Preta, Agroforstsystemen, Waldgärten und -weiden, regenerativen
Weidesystemen, Bodenbedeckung, Gründüngung, Zwischensaaten, Fruchtfolgen,
Mischkulturen und Wasserrückhaltung.
## „Klimapositive Landwirtschaft“ mit Pflanzenkohle
Die Permakulturfarm Bec Hellouin in der Normandie etwa ist laut einer
Studie der Pariser Universität 10-mal so produktiv wie ein konventioneller
Betrieb. Das [3][Ithaka-Forschungsinstitut] betreibt „klimapositive
Landwirtschaft“ im Schweizer Wallis und in Waldgärten in Nepal, Bangladesch
und anderswo, indem es Pflanzenkohle einsetzt, die der Atmosphäre pro Kilo
etwa 3 Kilo CO2 entzogen hat.
Die US-amerikanischen [4][Soil Carbon Cowboys] arbeiten mit „holistischem
Weidemanagement“: Ihre Herden grasen ständig woanders, auf ihren Weiden
gedeihen Leguminosen und Präriegräser mit bis zu 14 Meter langen Wurzeln,
die als Stickstoffsammler und „Kohlenstoffpumpen“ ins Erdreich dienen.
Regenerative Energien machten die Energiewende möglich. Regenerative
Agrikultur könnte die Klimakrise abmildern und die Welternährung sichern.
Sie bedarf „nur“ einer zivilgesellschaftlichen Bewegung, die den nötigen
Änderungsdruck auf Agroindustrie und Politik ausübt.
5 Oct 2018
## LINKS
[1] http://www.regenerationinternational.org./
[2] https://www.4p1000.org/
[3] https://www.ithaka-institut.org/de
[4] http://www.soilcarboncowboys.com/
## AUTOREN
Ute Scheub
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