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# taz.de -- 40 Jahre taz: Yoga und Meditationstechnik: Kultur, Körper, Kulturk…
> Nach einem Burn-out versucht die Autorin es mit Yoga. Und plötzlich ist
> da wieder Kraft, wieder Lebensfreude. Aber was ist Yoga überhaupt?
Bild: Mit Yoga scheint die Sonne, auch die im Herzen
Am Höhepunkt meiner Karriere, als Inhaberin einer recht erfolgreichen PR-
und Marketingagentur, so mit Mitte 50, stellten sich bei mir merkwürdige
Symptome ein. Herzrasen, Wutanfälle, Bandscheibenvorfälle, Schlafprobleme
etc. Dazu kam Wut. Wut auf gerettete Banken, Wut über die Demokratie
erodierende Sätze, wie: „too big to fail“, Wut auf erkennbar
lobbygesteuerte politische Entscheidungen, die die Rechte der Frauen, der
Tiere und der Natur stumpf ignorieren.
Konsumismus als Mittel, die zunehmende soziale Ungerechtigkeit zu
verschleiern, kotzte mich mehr und mehr an. Die Vorstellung, mir eine
Kalaschnikow zu besorgen, und dann … versüßte mir so manche Nacht. Der
Spiegel nennt Burnout einen Seeleninfarkt. Gut! Das Wort Sinnkrise trifft
es auch ganz gut.
Ich belegte einen Yogakurs, Am Anfang kam ich immer zu spät und völlig
gestresst an. Aber dann war plötzlich etwas ganz Neues, ganz Ungewohntes
spürbar, wenn ich mich auf der Matte beim Yoga bewegte und entspannte. Da
war wieder Kraft, pure Lebensenergie. Spannend, dachte ich.
Wie macht Yoga das? Ziemlich angefixt begann ich eine Yogalehrerausbildung
und stellte fest, dass das alles gar nicht so viel mit schlanken Muskeln
und einem flachen Bauch zu tun hat, sondern dass dahinter eine uralte, sehr
schlüssige Philosophie, Psychologie und Ethik stecken.
## Geheimwissen für Oberschichtsmänner
Die wohl mehr als 3.000 Jahre alten Yoga-Sutras (Leitfäden für ein gutes
Leben, individuell und für die Gesellschaft) des Gelehrten Patanjali sind
deutlich weitgehender und „moderner“ als die im Vergleich dazu eher
beschränkten christlichen zehn Gebote. Yoga war jahrhundertelang das
Geheimwissen ausschließlich der Männer der oberen Kasten und der
Kriegerkaste und wurde wohl behütet. Die Yogapraktiken dienten nicht nur
der spirituellen Entwicklung, sondern auch der Erhöhung und Ausrichtung des
gesamten psychischen und physischen Potenzials.
Erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts kam Yoga in den Westen und damit auch
zu uns Frauen. „Yoga macht uns nicht zu einem angepassten Schäfchen, das
mit Yogaübungen irgendwie ruhig gestellt wird und sich in seine kleine Welt
zurückbesinnt, sondern im Gegenteil: Yoga führt zur inneren Kraft und eben
auch dazu, dass man sich nicht mehr so viel gefallen lässt“, sagt Sukadev
Bretz, Begründer und Leiter von Yoga Vidya, der europaweit größten Aus- und
Weiterbildungsstätte für alle Bereiche des ganzheitlichen Yoga, das in
seinen vier Seminarzentren seit 1993 rund 18.000 Yogalehrer ausgebildet
hat.
„Yoga ist zunächst einmal Rückzug und Wellness. Das ist oft das, weshalb
Menschen mit Yoga beginnen. Es macht sie feinfühliger und öffnet den Geist;
auch für das Leid in der Welt. Wenn ich Teilnehmer dann nach ein, zwei
Jahren wiedertreffe, dann erzählen sie, sie engagieren sich bei Greenpeace
oder in der Vegan- oder Tierschutzbewegung oder haben eine Initiative im
Stadtviertel mitbegründet. Meine Beobachtung ist: Wer Yoga übt, der bekommt
die Kraft, sich auch langfristig für gesellschaftliche Veränderungen zu
engagieren“, sagt Sukadev Bretz.
## Das neue „Ich mach was mit Medien“
Was früher „Ich mach was mit Medien“ war, ist heute häufig: „Ich werde
Yogalehrer/in“. Zumeist leistungsstarke Führungskräfte entscheiden
plötzlich, auszusteigen, der Tretmühle zu entfliehen, um als Yogalehrer/in
auf der Yogamatte mit ihren Kursteilnehmern Asanas (Körperübungen) und
Pranayama (Atemübungen) zu praktizieren, um in Savasana
(Entspannungshaltung) Glücksgefühle zu empfinden.
„Ich halte viel davon, wenn die Wirtschaft sich öffnet für das Thema
Achtsamkeit und davor weder zurückschreckt noch es belächelt. Ich weiß aus
Gesprächen, die ich geführt habe, dass sehr viele Politiker und
Wirtschaftsführer bereits Yoga praktizieren, sich aber damit nicht gerne
zeigen, aus Angst, angreifbar zu werden. Die weibliche Perspektive mit
einzubeziehen, die ja jeder Mensch in sich trägt, auch jeder Mann, das
halte ich für sehr wichtig. Dann werden wieder Prozesse gefördert wie
Intuition, Kreativität, geistige Klarheit und Empathie“, sagt Maike
Czieschowitz, früher Pressereferentin für Wirtschaftsunternehmen und seit
2017 Yogalehrerin und Pressereferentin des Yoga Vidya e. V. .
Die Kalaschnikow ist für mich keine Option mehr, obwohl ich dank meiner
Yogapraxis jetzt garantiert zielsicherer treffen könnte. Ahimsa,
Gewaltlosigkeit gegenüber jedem Lebewesen (Tiere und Pflanzen
einbeziehend!), ist das grundlegende und erste Gebot im Yoga und auch
wieder meines. Als ich 60 wurde, habe ich ein Yogastudio eröffnet.
3 Oct 2018
## AUTOREN
Gudrun Kromrey
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40 Jahre taz
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