# taz.de -- Kriminologe über Missbrauchsstudie: „Die Kirche wollte keine Tra… | |
> Die neue Studie der Katholischen Kirche zum sexuellen Kindesmissbrauch | |
> durch katholische Priester hat Mängel, findet der Kriminologe Christian | |
> Pfeiffer. | |
Bild: Müssen sich Fragen nach ihrem Aufklärungswillen gefallen lassen: kathol… | |
taz: Herr Pfeiffer, an diesem Dienstag stellt die Katholische Kirche ihre | |
Missbrauchsstudie vor. Man liest, es gab sexuelle Vergehen durch 1.670 | |
Priester, Ordensmänner und Diakone an 3.677 Kindern und Jugendlichen. Was | |
sagen diese Zahlen? | |
Christian Pfeiffer: Sie zeigen, dass das Ausmaß des Missbrauchs in der | |
Katholischen Kirche extrem hoch ist. Die Studie zeigt ferner, dass die | |
Kirche sich meist weder um die Opfer gekümmert noch die Priester zur | |
Rechenschaft gezogen hat. | |
Inwiefern? | |
In der Hälfte der Missbrauchsfälle, in denen die Kirche Opfern | |
Entschädigungen gezahlt hat, findet sich in den Akten kein Hinweis auf die | |
Täter wieder. Es finden sich keine Akten zu den Tätern. Das heißt, die | |
Kirche fand die Opfer glaubhaft, hat sich aber nicht die Mühe gemacht, für | |
die mutmaßlichen Täter eine Akte anzulegen und sie zu finden. Außerdem | |
wurde aber auch gegen namentlich beschuldigte Priester überwiegend kein | |
kirchliches Strafverfahren eingeleitet. Beachtung verdient schließlich ein | |
schreckliches Detail: Wenn ein Kind, wie in der Mehrheit der Fälle, | |
mehrfach missbraucht wurde, war es im Durchschnitt für 22 Monate Opfer | |
dieses Priesters. | |
Ursprünglich sollten Sie die Studie erstellen. Woran ist das gescheitert? | |
Ich hatte diese Aufgabe 2012 übernommen und dafür mit der Bischofskonferenz | |
ein vernünftiges Vorgehen vereinbart. Pensionierte Richter und | |
Staatsanwälte, die eine Verschwiegenheitserklärung unterschreiben, sollten | |
für uns die Akten durchsehen und die Daten erheben. Das hat die Kirche aber | |
wieder geändert. | |
Warum? | |
Weil sie keine Transparenz wollte. Und sie wollte Kontrolle über die Texte. | |
Das habe ich abgelehnt. Die Forscher, die nach mir die Studie übernahmen, | |
hatten keinen eigenen Zugang zu den Akten. Es waren Mitarbeiter der Kirche, | |
die die rund 38.000 Mitarbeiterakten nach einen Fragebogen der Forscher | |
durchgingen und die Daten an das Forscherteam gaben. | |
Wo genau liegt das Problem? | |
Die Forscher haben nur einen einheitlichen Datensatz. Daraus ergibt sich | |
nicht, welches Bistum wann vorbildlich gehandelt hat, und welches Bistum | |
seine Priester hat gewähren lassen, indem es sie beispielsweise in ein | |
Bistum in der Nachbarschaft versetzte. Diese Transparenz fehlt. | |
Warum wollte die Kirche das nicht? | |
Ein Bischof sagte, man wolle kein ,Bischof-Bashing’ betreiben. Andere | |
reagieren jetzt vorbildlich. Kardinal Woelki aus Köln hat jetzt gesagt, wir | |
stellen alle Akten einer öffentlichen Stelle zur Aufarbeitung zur | |
Verfügung. Auch auf die Gefahr, dass es schmerzt. Er hat recht. Diese | |
Transparenz erwarten die Opfer. Das hat ein Teil der Kirche nicht | |
begriffen. Die Wissenschaft braucht Daten mit Zugang zu den Namen der | |
Diözesen. So wissen sie nicht, wo fand welcher Missbrauch statt. In welcher | |
Diözese konnten die Täter meistens ungehindert weitermachen? | |
Wie wurden die Opfer entschädigt? | |
Seit 2011 können Opfer Anerkennungsleistungen beantragen. Es sind fünf | |
Millionen Euro, im Durchschnitt 3.000 Euro pro Opfer. Aber das ist viel zu | |
wenig. In anderen Ländern zahlen die Kirchen mehr als das Zehnfache. | |
Welche Nachforschungen sind jetzt nötig? | |
Wir brauchen eine Forschung darüber, was sich in jeder einzelnen der 27 | |
Diözesen abgespielt hat. Diese regionalen Unterschiede sind wichtig. So | |
kann die Wissenschaft untersuchen, welche Präventionsmaßnahmen sich | |
bewähren und welche eher nicht. Und es müsste eine Befragung aller | |
erreichbaren Betroffenen geben. Das hat hier gefehlt. | |
Das Erzbistum Hamburg lädt, parallel zu Pressekonferenz in Fulda, zu einer | |
eigenen Pressekonferenz. | |
Pfeiffer: Der Schritt ist richtig. Auch die Bistümer Köln und Osnabrück | |
versprechen so eine Offenlegung. Nun muss man sehen, was dort tatsächlich | |
vorgetragen wird und ob sich die Kirche insgesamt zur Transparenz | |
entschließt. | |
Welche Struktur-Änderungen bräuchte die katholische Kirche? | |
Die Studie nennt als ein Hauptproblem den Klerikalismus, also das | |
hierarchisch-autoritäre System, das Machtgefälle zwischen Bischof, Priester | |
und Menschen in der Gemeinde. Die Kirche braucht dringend eine innere | |
Reform. Und die Kirche müsste sich aktiver um die Betroffenen kümmern. | |
Und das Zölibat? | |
Das Zölibat ist eine Anmaßung. Die Kirche muss sich durchringen, es | |
abzuschaffen, das würde Missbrauch reduzieren. Das zeigen die Täterquoten: | |
5,1 Prozent der Diözesanpriester, aber nur ein Prozent der Diakone. Beide | |
arbeiten mit Kindern. Aber die Diakone dürfen eine Frau heiraten oder einen | |
schwulen Partner haben. | |
Laut Spiegel bewerten die Forscher der Studie das Zölibat nicht als | |
ausschlaggebend. | |
Das ist eine Fehlinformation. Die Forscher sagen, dass mit Abschaffung des | |
Zölibats nicht der Missbrauch abgeschafft ist. Das sieht man ja daran, dass | |
es auch in anderen Institutionen dazu kommt. Aber wenn man die Studie | |
liest, finden sich viele Hinweise auf die Problematik des Zölibats. Es | |
zieht Menschen an, die eine verklemmte Sexualität leben. Wenn die Kirche | |
sagen würde, es gibt keinen Zwang zum Zölibat, würden sich wesentlich mehr | |
und auch stärkere Personen für diesen Beruf entscheiden und der Anteil der | |
Risikopersonen würde sinken. | |
Wie sieht die Missbrauchs-Gefährdung heute aus? | |
Sie ist deutlich niedriger als vor 20, 30 Jahren. Das hängt auch mit der | |
sexuellen Aufklärung der 70er- und 80er-Jahre zusammen. Wir leben in einer | |
weniger verklemmten Gesellschaft, da ist das Risiko sexuellen | |
Kindesmissbrauchs geringer, weil die Menschen sexuelle Kontakte zu ihren | |
eigentlichen Zielpersonen anstreben können und nicht ersatzweise auf Kinder | |
zurückgreifen müssen. Internationale Studien zeigen, je freier Sexualität | |
gelebt wird, desto geringer das Missbrauchsrisiko. | |
25 Sep 2018 | |
## AUTOREN | |
Kaija Kutter | |
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