Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Konsequenzen aus Missbrauchsstudie: „Innerkirchliche Strukturen �…
> Das Bistum Hamburg geht mit gutem Beispiel voran und legt seine Daten zum
> sexuellen Missbrauch in der Diözese vor. Ob nun wirklich Reformen folgen,
> muss sich zeigen.
Bild: Den Vorwurf des Verschweigens gab es schon 2013 beim Düsseldorfer Karnev…
Hamburg taz | Relativ am Ende der Pressekonferenz des Hamburger Erzbistums
meldet sich noch eine Journalistin: Sie würde gern wissen, warum hier
niemand eine Entschuldigung formuliert hätte, in Fulda bei der
Bischofskonferenz habe sich Bischof Marx stellvertretend für alle gleich zu
Beginn bei den Opfern sexuellen Missbrauchs in der Kirche entschuldigt.
Generalvikar Ansgar Thim sagt dazu erst ein paar Formalien über seinen
Status in der Diözese, darüber, dass er sich der Entschuldigung von Fulda
anschließe und schließlich: „Eine allgemeine Entschuldigung reicht nicht.
Die Entschuldigung muss sein, mit den Opfern umzugehen und innerkirchliche
Strukturen zu verändern.“
Nun schließt das eine das andere nicht aus, aber deutlich wird an diesem
Nachmittag in Hamburg vor allem eines: dass es in der Öffentlichkeit ein
großes Bedürfnis nach erkennbaren Konsequenzen gibt.
Es scheint, dass das Hamburger Erzbistum in manchem der Forderung nach mehr
Transparenz folgt. Kritiker wie der Kriminologe Christian Pfeiffer, der aus
der Mitarbeit an der Studie zum Missbrauch ausgestiegen war, hatten
gefordert, dass offen gelegt werden müsse, welches Bistum tatsächlich gegen
Missbrauch vorgegangen ist und welches nur mit Versetzungen reagierte.
Das Hamburger Bistum hat nun – wie auch Osnabrück, Hildesheim und Münster �…
seine Daten zu Missbrauchsfällen zwischen 1946 und 2015 im Gebiet des
heutigen Erzbistums offen gelegt, das neben Hamburg auch Schleswig-Holstein
und Mecklenburg-Vorpommern umfasst. Die 660 ausgewerteten Personalakten von
Priestern und Diakonen haben 33 beschuldigte und 103 Opfer ergeben. 70
Prozent von ihnen waren Jungen, die meisten Opfer waren zwischen 12 und 13
Jahre alt.
„Es gibt eine Veränderung der Praxis seit 2010“, sagte Generalvikar Thim.
„Wir glauben erst mal den Opfern.“ Tatsächlich ist sowohl im Hamburger
Bistum als auch bundesweit die Zahl der unberechtigten Vorwürfe sehr klein.
Reagiert wurde auf die Taten mit zwei strafrechtlichen Verurteilungen, zwei
kirchenrechtliche Verfahren in Fällen, die strafrechtlich verjährt waren,
24 staatsanwaltschaftliche Verfahren, die wegen Verjährung eingestellt
wurden und fünf Fälle, die nicht mehr verifizierbar waren. Von den Tätern
ist heute niemand mehr im Amt.
Ausgangspunkt für die Recherchen in bestimmten Personalakten waren
Hinweise, so beschrieb Martin Colberg, der Archivar des Erzbistums, das
Vorgehen. Muster, nach denen dann gesucht wurde, waren Kirchenleute, die
sich zurückzogen, Einzelgänger und – das mutet besonders bitter an –
solche, die intensiven Kontakt zur Bistumsleitung suchten.
## Die Kirche sucht aktiv keine Opfer auf
„100 Prozent Sicherheit gibt es nicht“, hieß es dazu – und das gilt in
mehrere Richtungen. Natürlich gibt es auch hier eine Dunkelziffer und ein
Nebeneffekt dieser Konferenz könnte sein, dass sich Opfer melden, die
bislang geschwiegen haben. Aktiv, so sagte Generalvikar Thim, suche man
niemanden auf: die Gefahr, Betroffene zu retraumatisieren, sei zu groß.
Auffällig ist, dass in Mecklenburg, was nur zehn Prozent des Bistums
ausmacht, 16 Missbrauchsfälle geschehen sind. Anders als im Westen war dort
der sexuelle Missbrauch mit schwerer physischer und psychischer Gewalt
verbunden. Ein besonders gravierender Fall in Neubrandenburg soll ab
Oktober durch einen Beirat aufgearbeitet werden.
Es gehe nicht darum, eine Institution zu retten, sondern Gläubigen wieder
eine verlässliche Heimat zu bieten, sagte Generalvikar Thim. Hamburg hat
als erstes Bistum eine Präventionsbeauftragte angestellt, es gibt eine
unabhängige Ansprechperson für Opfer von sexuellem Missbrauch.
## Kein Bischof vor Ort
Die Präventionsbeauftragte, Mary Hallay-Witte, beschrieb, was erreicht
wurde – etwa verpflichtende Schulungen für Priester und MitarbeiterInnen,
erweitertes Führungszeugnis bei Bewerbungen – sie sagte aber auch, dass es
noch Lücken gebe: auf der Ebene der Personalführung und bei der
Implementierung von Schutzkonzepten in den Einrichtungen. „Wir brauchen
eine eindeutige Haltung der Bischöfe“, sagte sie.
In Hamburg war der Bischof nicht vor Ort. Ob das, was seine Mitarbeiter
sagten, die Deutlichkeit hat, die die Kirche braucht, wird sich erst in den
nächsten Jahren zeigen. Die Akten öffentlich machen, wie es etwas Christian
Pfeiffer gefordert hat? Archivar Martin Colberg wurde sehr nachdrücklich,
als er die Arbeit der kirchlichen Mitarbeiter verteidigte. Wer der
Institution Kirche jetzt helfen wolle, kläre radikal auf.
Der Generalvikar klang da offener: Aus datenschutzrechtlichen Gründen sei
es nicht möglich, alle Akten an die Öffentlichkeit zu geben. Bei Fällen, wo
es erwiesenermaßen Missbrauch gegeben habe, wäre eine Offenlegung für
Externe „ein wichtiger Schritt“.
## Risikofaktor Zölibat
Und schließlich das große Thema Zölibat: Bereits 2010, als die ersten
Missbrauchsfälle diskutiert wurden und einige Stimmen im Zölibat zumindest
einen Risikofaktor ausmachten, hatte der damalige Hamburger Erzbischof
Werbung für ein Nebeneinander von zölibatär lebenden und verheiratete
Priestern gemacht. Diese Position bekräftigte Thim. Und wurde noch
grundsätzlicher: den „Klerikalismus“ mit seinen Machtgefällen müsse man
angehen. Wie es auch der Papst fordere.
Dass der sich damit bislang nicht durchgesetzt hat, kann, aber muss kein
Argument dagegen sein.
26 Sep 2018
## AUTOREN
Friederike Gräff
## TAGS
sexueller Missbrauch
Missbrauch
Studie
Katholische Kirche
Christian Pfeiffer
katholisch
Papst Franziskus
sexueller Missbrauch
Kindesmissbrauch
sexueller Missbrauch
## ARTIKEL ZUM THEMA
Debatte in Bremen zur Missbrauchsstudie: Ist ja eh alles schmutzig
Der Sexualwissenschaftler Wolfgang Weig referierte auf Einladung des
katholischen Gemeindeverbandes Bremen über Auswirkungen des Zölibats.
Barbara John zu Kirche und Abtreibungen: „Wir sind gegen die Stigmatisierung�…
Der Katholische Deutsche Frauenbund Berlin richtet sich mit einer Petition
an Papst Franziskus. Kritisiert wird sein Vergleich von Abtreibungen mit
Auftragsmorden.
Studie über Missbrauch in der Kirche: Das Wegschauen der Katholiken
Missbrauch in der katholischen Kirche hat enorme Ausmaße, zeigt eine
Studie. Das System ist anfällig für Übergriffe und deren Vertuschung.
Kriminologe über Missbrauchsstudie: „Die Kirche wollte keine Transparenz“
Die neue Studie der Katholischen Kirche zum sexuellen Kindesmissbrauch
durch katholische Priester hat Mängel, findet der Kriminologe Christian
Pfeiffer.
Studie zur katholischen Kirche: Tausendfache sexuelle Übergriffe
Eine Studie zu sexuellem Missbrauch wurde vorab bekannt: Die katholische
Kirche hat Fälle über Jahrzehnte vertuscht. Opfer kommen noch immer nicht
zu Wort.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.