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# taz.de -- Kommentar Katholische Kirche: Kein Platz für diese Moralblase
> Die Ehe für alle ist gesetzlich verankert – an einer katholischen Schule
> aber Kündigungsgrund. Der kirchliche Parallelstaat muss endlich
> verschwinden.
Bild: Der Mittelalterclub mit Sitz in Rom darf nicht länger Moralwächter spie…
September, Anno Domini 2018, irgendwo in Nordrhein-Westfalen. Ein junger
Referendar an einem Gymnasium wird nicht als Lehrer übernommen. Weil er
schlecht arbeitet? Nein, der Mann gilt im Kollegium als qualifiziert, auch
die Schulleitung ist mit ihm zufrieden. Das Vergehen des jungen Mannes, man
mag es kaum glauben, ist seine Homosexualität, genauer gesagt, seine offen
gelebte Homosexualität.
Weil er bekannt gegeben hat, seinen Lebenspartner heiraten zu wollen, will
ihm der katholische Oblaten-Orden als Träger der Schule keinen
Lehrervertrag geben. „Die kirchliche Vorstellung von Ehe und Familie ist
nicht mit der Lebensführung des betreffenden Referendars vereinbar. Deshalb
war es uns nicht möglich, ihm einen Arbeitsvertrag anzubieten“, so die
Stellungnahme des Ordens. Die SchülerInnen des Gymnasiums verstehen diese
Entscheidung überhaupt nicht, sie wollen jetzt dagegen demonstrieren.
Diese Episode aus dem Städtchen Borken-Burlo zeigt eindrucksvoll, wie
meilenweit die Moralvorstellungen der katholischen Kirche von der gelebten
Realität in diesem Land (und anderswo) entfernt sind. Es klafft ein tiefer
Riss zwischen dem, wie echte Menschen leben und dem Bild von einem oder
einer „guten“ Katholikin mit tadellosem Lebenswandel im Sinne der Kirche.
Die Ehe für alle ist gesetzlich verankert – an einer katholischen Schule
aber ein Kündigungsgrund. Scheidung und Wiederheirat sind gesellschaftlich
normal, für einen Arzt an einem katholischen Krankenhaus kann das ein
Einstellungshindernis sein. Die „Pille danach“ gibt es als Kassenleistung
auf Rezept – in einem katholischen Krankenhaus wird sie Frauen verweigert,
ebenso wie die nach irdischen Gesetzen straffreie Abtreibung vor der 12.
Schwangerschaftswoche.
## Hauptsache, das Moralkorsett bleibt gewahrt
Doch da die katholische Kirche einer der größten Arbeitgeber in Deutschland
ist, müssen viele ArbeitnehmerInnen sich den bizarren Sonderregularien der
Kirche beugen. Und der formal von der Kirche getrennte Staat hat bislang
keine entschiedenen Schritte unternommen, diese kirchliche Paralleljustiz
endlich in ihre Schranken zu weisen.
Was das Schlimmste an dem Fall aus Borken-Burlo ist: Der Entscheidung des
Ordens liegt dieselbe Bigotterie zugrunde, die Wissenschaftler am Dienstag
in Fulda bei der Vorstellung der aktuellen Kirchenstudie über sexuellen
Missbrauch als Grundproblem ausgemacht hatten. Hätte der Lehrer still und
heimlich schwul gelebt, wäre das kein Problem gewesen. Schließlich dürfte
es Hunderte, wenn nicht Tausende Priester geben, die homosexuell leben.
Oder offiziell verbotene sexuelle Beziehungen zu Frauen pflegen.
Gegen die von der Kirche verordnete Sexualmoral zu verstoßen, ist also kein
Problem. Die Kirche drückt in solchen Fällen gern ein oder auch beide Augen
ganz fest zu. Solange das Moralkorsett nach außen intakt und der gute Ruf
der Institution gewahrt bleibt. Dem Referendar wurde zum Verhängnis, dass
er nicht weiter Verstecken spielen und ganz offiziell als schwuler Katholik
leben wollte. Damit aber hat er den Ehrenkodex dieser zutiefst schwulen-,
frauen- und sexualitätsfeindlichen Institution beschädigt.
Verschweigen, Verheimlichen, Vertuschen – diese ungesunde Praxis hat dazu
geführt, dass die Katholische Kirche zu einer Täterorganisation verkommen
ist, die lieber Menschenleben zerstört, haufenweise vaterlose
Pfarrerskinder und „gefallene“ Frauen produziert, ja, die lieber die
massenhafte und organisierte Vergewaltigung von Kindern duldet, als
endlich, endlich von ihren erstarrten Strukturen und ihrer zutiefst
gestörten Vorstellung von Sexualität abzulassen.
## Ein Mittelalterclub in Rom
In einer modernen, aufgeklärten Demokratie hat diese Moralblase keinen
Platz. Der Gesetzgeber müsste dort endlich beherzt hinein stechen und von
außen für eine Transparenz sorgen, die der Kirche aus Prinzip unlieb ist.
Der kirchliche Parallelstaat muss endlich verschwinden, es muss klar sein,
dass die vom Grundgesetz garantierten Rechte für Homosexuelle, Frauen,
Unverheiratete und Geschiedene durchgesetzt werden können gegen einen
Mittelalterclub mit Sitz in Rom, dessen Machtfülle in empörendem Gegensatz
steht zu seiner Glaubwürdigkeit als selbst ernannte Moralwächter.
26 Sep 2018
## AUTOREN
Nina Apin
## TAGS
Katholische Kirche
Missbrauch
sexueller Missbrauch
Vatikan
Sexualität
Kindesmissbrauch
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Kindesmissbrauch
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