# taz.de -- Niedersachsen streicht Fördergelder: Sparen bei Sinti- und Roma | |
> Niedersachsen streicht Fördergelder in Höhe von 250.000 Euro für Sinti- | |
> und Roma-Verbände. Soziale und kulturelle Projekte stehen vor dem Aus. | |
Bild: Selbstorganisation finden alle gut, aber das Geld dafür wird trotzdem kn… | |
Hamburg taz | Die Große Koalition in Niedersachsen streicht die Förderung | |
der Vereine der Sinti und Roma bis auf die Hälfte ein. Im Haushaltsentwurf | |
für 2019 sind 150.000 Euro, die noch im Doppelhaushalt 2017/ 18 für die | |
Selbstorganisationen der Sinti und Roma eingeplant waren, gestrichen. Die | |
Mittel sollten die soziale Teilhabe von Sinti und Roma in Niedersachsen | |
fördern und stammten vom Sozialministerium. Außerdem weggefallen sind | |
zusätzliche 100.000 Euro für kulturelle Zwecke vom Ministerium für | |
Wissenschaft und Kultur, die noch unter der rot-grünen Regierung für | |
2017/18 vereinbart worden waren. | |
Anja Piel, Fraktionsvorsitzende der niedersächsischen Grünen, kann die | |
Streichung der Fördergelder durch die Große Koalition unter der Führung der | |
Sozialdemokraten nicht nachvollziehen: „Der Staat ist verpflichtet, die | |
Kultur und Sprache der Roma und Sinti als nationaler Minderheit zu fördern | |
und zu schützen“ – so wie es auch bei anderen Minderheiten geschehe. | |
Für Mario Franz, Vorsitzender der Beratungsstelle für Sinti und Roma e. V., | |
ist die Streichung der Fördergelder ein fatales Zeichen für die Sinti und | |
Roma in Niedersachsen. In einer Stellungnahme für die taz schreibt Franz, | |
dass die Roma und Sinti sowohl von „gesellschaftlicher Ausgrenzung als auch | |
von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit“ betroffenen seien. Für eine | |
einheitliche und flächendeckende Aufklärung über Rassismus und | |
Diskriminierung gegenüber Sinti und Roma sei ein aufeinander abgestimmtes | |
und funktionierendes Netzwerk der niedersächsischen Selbstorganisationen | |
der Sinti und Roma unerlässlich. | |
Im Sozialministerium betont man dagegen, dass das Haus seinen | |
Verpflichtungen gegenüber den Sinti und Roma nach wie vor nachkomme: „Die | |
Landesregierung sieht besonderen Unterstützungsbedarf für die Sinti und | |
Roma“, so formuliert es die Sprecherin des Sozialministeriums, Naila Eid. | |
Die Vereine der Sinti und Roma könnten auch künftig Förderungen, zum | |
Beispiel aus Mitteln der regionalen Kulturförderung, beantragen. Grund für | |
die Streichung sei, dass das Ministerium de facto nicht für die soziale | |
Daseinsvorsorge zuständig sei. Dennoch fördere man die niedersächsische | |
Beratungsstelle für Sinti und Roma e. V. seit 1983, derzeit mit jährlich | |
220.000 Euro. | |
Mario Franz fürchtet, dass nun gerade begonnene soziale Projekte wieder | |
beendet werden müssten und keine neuen begonnen werden könnten. „Dann | |
müssten zum Beispiel Integrationsprojekte oder Sprachschulen, die gerade | |
erst Räume angemietet haben, ihre Arbeit wieder einfrieren“. | |
Die sozialen und kulturellen Projekte für Sinti und Roma seien wichtig, so | |
Franz, „damit die Community ihren gesellschaftlichen Status einer | |
Minderheiten an die Mehrheit angleichen kann – und zwar im Sinne des von | |
Deutschland abgeschlossenen Rahmenübereinkommens zum Schutz nationaler | |
Minderheiten. | |
Nino Novacovic, Vorstandsvorsitzender der „Terne Rroma Südniedersachsen e. | |
V.“ und Sprecher bei der Jugend-Roma-Initiative in Northeim, ist ebenfalls | |
enttäuscht über die Streichung der Fördergelder. „Wir waren zuversichtlich, | |
dass wir unsere Arbeit, die erst seit Mai diesen Jahres läuft, weiterführen | |
könnten.“ Der 23-jährige hat im Alter von 18 Jahren für sein Engagement | |
gegen Antiziganismus den Niedersächsischen Integrationspreis bekommen. Er | |
sagt: „Es besteht heute mehr als früher die Gefahr, dass Antiziganismus | |
wieder salonfähig wird.“ | |
20 Sep 2018 | |
## AUTOREN | |
Yasemin Fusco | |
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