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# taz.de -- Ökonom über zehn Jahre Finanzkrise: „Man hat nicht wirklich was…
> Der Ökonom Martin Hellwig über das Zocker-Gebaren deutscher Banken und
> zur Frage, wann der Welt die nächste große Krise droht.
Bild: Die Abwicklung der WestLB soll 18 Milliarden Euro kosten
taz: Herr Hellwig, warum waren in Deutschland 2008 eigentlich derart viele
große Banken pleite?
Martin Hellwig: Das ist tatsächlich paradox. Denn anders als in den USA
oder Großbritannien hatten wir hierzulande keine Immobilien- oder andere
Kreditblase.
Wieso wurden die deutschen Banken zu Zockerbuden?
Die großen Banken konnten in Deutschland kaum noch Gewinne machen. Das
Geschäft mit den Kunden vor Ort war fest in der Hand der Sparkassen und
Genossenschaftsbanken. Die Landesbanken hatten noch nie ein profitables
Geschäftsmodell, und seit etwa 1994 sanken auch die Margen im
traditionellen Geschäft der privaten Großbanken wie der Deutschen Bank.
Warum brachen die Profite der Banken denn ein?
Zum einen fühlten sich die Großunternehmen weniger an ihre Hausbanken
gebunden und holten sich ihr Geld auch direkt auf den Finanzmärkten. Zum
anderen wurden 1994 Geldmarktfonds zugelassen. Das bot eine Alternative zur
Bank.
Wie teuer war die Finanzkrise für den deutschen Staat?
Vermutlich werden die Steuerzahler am Ende auf Gesamtkosten von mehr als 70
Milliarden Euro sitzen bleiben. Die höchsten Verluste sind bei den
Landesbanken aufgelaufen: Allein die Abwicklung der WestLB soll 18
Milliarden Euro kosten, bei der HSH Nordbank fallen 16 Milliarden an, die
BayernLB hat 10 Milliarden verschlungen, die Landesbank Baden-Württemberg 5
Milliarden und die SachsenLB mindestens 1,5 Milliarden.
Wie sieht es im Vergleich bei den Privatbanken aus?
Auch die haben erstaunliche Verluste produziert: Die Kosten bei der Hypo
Real Estate belaufen sich auf über 20 Milliarden, bei der Commerzbank auf 3
bis 5 Milliarden, bei der IKB auf 9,6 Milliarden.
Welche Rolle spielte es dabei, dass Deutschland permanent hohe
Exportüberschüsse erzielt?
Riskant anlegen können die Banken auch ohne Exportüberschüsse, siehe USA.
Die deutschen Exportüberschüsse reflektieren aber eine hohe
Ersparnisbildung. Da waren viele Mittel anzulegen, und die Banken konnten
ein großes Rad drehen.
Wurde aus der letzten Finanzkrise gelernt?
Nicht wirklich. Noch immer gibt es zu viele Kapazitäten im Banksektor, und
der Wettbewerb ist so stark, dass die großen Banken es schwer haben, Geld
zu verdienen. Die meisten wurden ja „gerettet“. Dass die WestLB abgewickelt
wurde, ist nicht der deutschen Politik zu verdanken, sondern der
Europäischen Kommission. Wir hatten auch keine unabhängige Kommission zur
Untersuchung der Finanzkrise und der Gründe für die hohen deutschen Kosten.
In den USA, Großbritannien, Island oder der Schweiz war das anders.
Wo sehen Sie heute die Risiken?
Die Europäische Zentralbank kann nicht auf Dauer eine Nullzinspolitik
verfolgen. Wenn aber die Zinsen deutlich steigen, dann werden jene Banken
in Schwierigkeiten geraten, die Hypotheken für Immobilien zu 2 Prozent mit
einer Zinsbindung von 15 oder mehr Jahren vergeben haben.
Drohen noch weitere Gefahren?
Sollte US-Präsident Trump mit seiner protektionistischen Politik Erfolg
haben, würden die chinesischen und deutschen Exportüberschüsse
verschwinden. Damit würde dann auch der Kapitalzufluss in den USA
austrocknen. Das könnte drastische Auswirkungen auf die dortigen Kapital-
und Immobilienmärkte haben. Um 1990 gab es das schon einmal im Kleinen, als
man die Japaner veranlasst hatte, ihre Exporte etwas zurückzunehmen.
15 Sep 2018
## AUTOREN
Ulrike Herrmann
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