# taz.de -- Zehn Jahre nach der Lehman-Pleite: Krisenwissen für die Kneipe | |
> Was war da noch mal los? Die wichtigen Schlagwörter zum Finanzdesaster im | |
> Jahr 2008 und zu seinen langjährigen Folgen. | |
Bild: Geschäfte in der Grauzone: Manager der Deutschen Bank haben die Finanzkr… | |
Berlin taz | Die Finanzkrise 2008 hat jede Menge Jargon aus der Bankenwelt | |
in die Nachrichten gespült. Hinter diesen bürokratischen Begriffen | |
verbergen sich Vorgänge, die in das Leben von Milliarden Menschen | |
eingegriffen haben – und immer noch eingreifen. | |
Es beginnt mit dem Ursprung der Misere: der Subprime-Krise. Der Begriff | |
Subprime bedeutet zweitklassig. [1][Die Finanzkrise geht auf Kredite für | |
Immobilien zurück], die US-Banken zu Beginn des Jahrtausends an Kunden mit | |
geringer Bonität vergaben. Es handelte sich also nicht um erstklassige | |
„Prime“-Kunden, sondern um problematische Kreditnehmer. Sie hatten oft noch | |
nicht einmal ein Einkommen, sondern spekulierten darauf, dass die | |
Hauspreise weiter steigen würden. | |
Die Folgen: Die Preise auf dem Immobilienmarkt explodierten. Bei den | |
Krediten, die die Blase finanzierten, war in vielen Fällen vorhersehbar, | |
dass die Kunden sie nicht tilgen konnten. Auch die Deutsche Bank mischte | |
bei diesem Geschäft in den USA kräftig mit. | |
Um das Risiko loszuwerden, fassten die Banken massenhaft die schlechten | |
Kredite in sogenannten Verbriefungen zusammen und stellten so Wertpapiere | |
her, die Collateralized Debt Obligations (CDO). Banken konnten so die | |
vielen „faulen“ Kredite in ihren Büchern aus den eigenen Bilanzen auslagern | |
und zu einem handelbaren Gut machen. | |
Diese faulen Papiere ließen die Banken von Ratingagenturen wie Standard & | |
Poor’s oder Moody’s bewerten. Die faulen Wertpapiere erhielten von den | |
Agenturen Bestnoten. Das bedeutet: Die Analysten verwandelten Papiere mit | |
extrem hohen Risiken in scheinbar sichere, rentable Kapitalanlagen. | |
## Extremer Wertverlust | |
Banken sowie Investoren kauften diese Papiere ohne eigene Prüfung. Als | |
immer mehr Bankkunden in den USA ihre Kredite nicht bedienen konnten, | |
wurden deren Häuser versteigert. Die Preise fielen, die Häuser reichten | |
nicht mehr als Sicherheit aus. Die CDO wurden zu Junk-Bonds, zu | |
Wertpapieren mit hoher Ausfallwahrscheinlichkeit. | |
Der Wertverfall hatte für Banken und Anleger drastische Folgen, denn ihr | |
Vermögen war extrem geschmolzen. In den USA mussten die beiden größten | |
Immobilienfinanzierer Fannie Mae und Freddie Mac Anfang September 2008 | |
verstaatlicht werden. Als am 15. September 2008 die Investmentbank Lehman | |
Brothers kollabierte, schritt die US-Regierung dagegen nicht ein. | |
Schockwellen erschütterten die Finanzwelt. Banken gingen pleite, Anleger | |
verloren viel Geld, unzählige Hausbesitzer ihr Zuhause, Beschäftigte ihren | |
Arbeitsplatz. | |
Die US-Regierung reagierte auf die Krise mit dem Dodd-Frank-Act. Das Gesetz | |
schränkte hochspekulative Geschäfte ein, Unternehmen wurden unter | |
Zwangsverwaltung gestellt. Stresstests für Banken wurden eingeführt, die | |
Marktentwicklungen simulierten und so Probleme frühzeitig sichtbar machen | |
sollen. | |
## Die Abwarckprämie | |
Auch deutsche Banken gerieten in den Sog der Krise. Landesbanken, die | |
Kreditinstitute der Bundesländer, hatten im großen Stil in CDO investiert. | |
Die Commerzbank hatte im August 2008 die Dresdner Bank vom | |
Versicherungskonzern Allianz übernommen – und sich dabei überhoben. Sie | |
geriet ebenso in die Bredouille wie die Hypo Real Estate und die IKB. Die | |
Große Koalition richtete im Oktober 2008 den Sonderfonds | |
Finanzmarktstabilisierung (SoFFin) ein, der die Übernahme von Risiken bis | |
zu 470 Milliarden Euro vorsah. | |
Um die Papiere mit den schlechten Krediten aus den Bilanzen zu tilgen, | |
wurden Bad Banks gegründet, separate Firmen, auf die die Risiken abgewälzt | |
werden sollten. | |
Die Finanzkrise sprang schnell auf die Realwirtschaft über. Der Welthandel | |
brach so stark ein wie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr. Die weltweite | |
Produktion von Stahl ging drastisch zurück, auch andere Industrien wie die | |
Autobranche litten. | |
Die Bundesregierung reagierte darauf mit der Abwrackprämie für | |
Autobesitzer, die ihren Wagen verschrotten und sich einen neuen kaufen | |
sollten. | |
## Das Griechenland-Drama | |
Der Finanzkrise folgte die Euro-Krise. Die Euroländer Irland und Spanien | |
litten an einer eigenen Immobilienkrise, Portugal und Griechenland waren | |
überschuldet. Griechenland stand mehrmals [2][vor dem Rauswurf aus dem | |
Euro]. | |
Nach langen Diskussionen einigten sich die Gläubiger auf einen Haircut, | |
einen Schuldenschnitt. Griechenland wurde so 107 Milliarden Euro an | |
Verbindlichkeiten los. | |
Die EU spannte den Rettungschirm EFSF auf (später ESM), um den | |
Staatsbankrott angeschlagener Länder zu verhindern. Griechenland erhielt | |
bei drei Rettungsprogrammen 289 Milliarden Euro Hilfe. Auch Portugal, | |
Irland, Spanien sowie Zypern bekamen Gelder im hohen zweistelligen | |
Milliardenbereich. | |
[3][Die Folgen der Krise bleiben aktuell:] Noch immer haben viele Menschen | |
in Südeuropa keinen Job. Auch Deutschland ist noch betroffen. Die | |
Europäische Zentralbank EZB hält die Zinsen nämlich weiter niedrig, damit | |
Unternehmen billig an Geld kommen und investieren. | |
Aber die Firmen zögern. Deshalb fordern viele Ökonomen mehr staatliche | |
Investitionen im Norden und Konjunkturspritzen für Südeuropa. Weil die | |
Zinsen so niedrig sind, fließt zudem viel Geld in Immobilien, was Mieten | |
und Hauspreise hochtreibt. Andererseits werfen klassische Sparkonten kaum | |
noch Zinsen ab, die private Altersvorsorge vieler leidet unter den | |
niedrigen Zinsen. Und: Die Milliarden, die in die Bankenrettung geflossen | |
sind, fehlen bei der Sanierung der öffentlichen Infrastruktur. | |
14 Sep 2018 | |
## LINKS | |
[1] /Oekonom-ueber-Folgen-der-Finanzkrise/!5433047 | |
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## AUTOREN | |
Anja Krüger | |
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