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# taz.de -- Grenzänderungen auf dem West-Balkan: Angst vor neuen Konflikten
> Diskussionen über einen Gebietsaustausch zwischen Serbien und Kosovo
> sorgen für Verunsicherung. Solch ein Schritt wäre in russischem
> Interesse.
Bild: Blick auf die Stadt Mitrovica, die zwischen Serben und Kosovaren geteilt …
Prishtina taz | Es gibt dieser Tage in Kosovo nur ein Thema. Was ist von
den Vorschlägen des serbischen Präsidenten Aleksandar Vučić und seines
kosovarischen Gegenübers Hashim Thaçi über die Veränderung der Grenzen zu
halten? Was würde es bedeuten, wenn der vor allem von Serbien bewohnte
nördlich von Mitrovica gelegene Landstrich zu Serbien käme? Und zum
Ausgleich die Albanergebiete in Südserbien – Preševo und Bujanovac – zu
Kosovo geschlagen würden?
Der Intellektuelle Shkelzen Maliqi ist ein ruhiger und überlegter Mann.
Doch angesichts der Diskussion über Grenzveränderungen und den Austausch
von Territorien zwischen Serbien und Kosovo, blitzt so etwas wie der alte
Geist bei ihm auf. Wenn sich die einfachen Menschen fragten, ob es wieder
Krieg geben könne, blieben auch Intellektuelle wie er davon nicht
unberührt.
„Die ganze Diskussion überrascht uns nicht“, sagt er in einem Café nahe d…
Regierungsviertels von Pristina. „Wir, die alten Dissidenten in Kosovo und
Serbien, haben von dieser Diskussion vor zwei Jahren erfahren.“ Zunächst
seien es Gesprächskreise gewesen, dann informelle Gespräche mit Diplomaten
beider Seiten und internationalen Diplomaten. Ziel sei es gewesen, Auswege
aus der verfahrenen Lage in Serbien und Kosovo zu finden.
Dadurch würden die Konflikte zwischen den beiden Seiten entschärft, Serbien
und Kosovo könnten leichter in die EU aufgenommen werden, hofften die
Befürworter, sagt Shkelzen. Vor allem Serbien dränge auf die
EU-Mitgliedschaft, Kosovo zunächst auf die Abschaffung der Visapflicht und
die Aufnahme des Landes in die UNO.
## Unerfüllte Hoffnungen
Bisher hat die EU auf die Beibehaltung der Nachkriegsordnung auf dem
Westbalkan geachtet. Nach den Kriegen der 90er Jahre wurden die
administrativen Grenzen Ex-Jugoslawiens nicht angetastet. Die Hoffnungen
serbischer und kroatischer nationalistischer Extremisten auf eine Gründung
von Großserbien und Großkroatien erfüllten sich nicht.
Die EU und die USA drängten darauf, multinationale Gesellschaften wie in
Montenegro, Mazedonien sowie in Bosnien und Herzegowina zu stabilisieren.
Grenzziehungen entlang ethnischer Linien würden auf dem Balkan nur zu
Instabilität und neuen Unruhen führen, bekräftigte kürzlich die deutsche
Kanzlerin Angela Merkel.
Der politische Analytiker Albinot Maluko weist auf die internationale
Diskussion hin. Seit Monaten würden im Hintergrund Fäden gezogen, die
pro-serbische Lobby in Brüssel täte alles, um ihre Position durchzusetzen,
betont er. „Das ist ein gefährliches Spiel, und könnte in Montenegro,
Mazedonien sowie vor allem in Bosnien und Herzegowina zu Konflikten
führen.“
Ein Befürworter einer Grenzveränderung ist der österreichische Diplomat und
ehemalige Hohe Repräsentant in Bosnien und Herzegowina, Wolfgang Petritsch.
Er soll journalistischen Recherchen zufolge Mitarbeiter einer von einem
Russen gegründeten Anwaltskanzlei in Wien sein, das von der serbischen
Regierung gesponsert wird. Russland unterstützt die serbischen Ambitionen
auf dem Balkan. Grenzänderungen auf dem Balkan wären mit Blick auf die
Ukraine in russischem Interesse.
## Russlandfreundliche FPÖ
Auch in den USA habe sich unter Präsident Donald Trump eine
Positionsänderung ergeben, sagt Shkelzen Maliqi. Die bisher gegen
Grenzveränderungen auftretenden Amerikaner seien offenbar umgeschwenkt.
„Nach dem Treffen Trump-Putin in Helsinki im Juli sprachen sich auch
Amerikaner für diese Linie aus.“ Während Österreich den Vorsitz in der EU
hält und die russlandfreundliche FPÖ das Außenministerium stellt, würden
offenbar Weichen in Richtung Grenzänderung gestellt.
Österreich hatte vor wenigen Tagen die Präsidenten beider Länder
eingeladen. Hashim Thaçi ließ erkennen, dass er sich nicht gegen eine
solche Regelung stellen würde. Gleichzeitig kündigte Aleksandar Vučić an,
er würde am 8. September die „größte Rede seines Lebens“ halten.
In einem offenen Brief an die Spitzen der EU haben die Ex-Hohen
Repräsentanten der internationalen Gemeinschaft in Bosnien und Herzegowina,
gegen Petritsch und die österreichische Politik Stellung bezogen. Carl
Bildt, Paddy Ashdown und Christian Schwarz-Schilling warnten vor einer
neuen Grenzziehung in Südosteuropa.
3 Sep 2018
## AUTOREN
Erich Rathfelder
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Kosovo
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