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# taz.de -- Nationalismus bei der Fußball-WM: Doppeladler kommt teuer
> Die Fifa ahndet die politisch provokativen Gesten von drei Spielern der
> Schweizer Nationalelf mit Geldstrafen. Der Kosovo-Konflikt lässt grüßen.
Bild: Xherdan Shaqiri mit dem Doppeladler-Jubel
Split taz | Der Fußballweltverband Fifa hat gegen die Schweizer
Nationalspieler Xherdan Shaqiri, Granit Xhaka und Mannschaftskapitän
Stephan Lichtsteiner eine Geldstrafe verhängt. Die aus Kosovo stammenden
Schweizer müssen [1][wegen ihres Torjubels], bei dem sie ihre Hände und
Arme symbolisch zu doppelköpfigen Adlern – dem albanischen Wappentier –
formten, je 10.000 Schweizer Franken (8.680 Euro) zahlen, Lichtsteiner
5.000 (4.340 Euro), wie die Fifa am Montag mitteilte.
Wie die französische Nachrichtenagentur AFP berichtet, wurde eine
Crowdfunding-Kampagne gestartet, um die Schuld zu begleichen. Bislang sind
12000 Euro zusammen gekommen. Auch Kosovos Handelsminister Bajram Hasani
will ein Monatsgehalt in Höhe von 1.500 Euro für die Tilgung spenden
Auch der Trainer Serbiens, Mladen Krstajić, muss eine Geldstrafe von 5.000
Franken und eine Verwarnung wegen Schiedsrichterbeleidigung hinnehmen. Der
serbische Verband muss zudem 54.000 Franken für „diskriminierende Banner“
und Schlachtrufe von seinen Anhängern zahlen.
Der serbische Fußballbund hatte nach dem Spiel zudem mit scharfen Protesten
über einen nicht gegebenen Elfmeter durch den deutschen Schiedsrichter
Felix Brych für Wirbel gesorgt. Der aus Sarajevo stammende Trainer des
serbischen Teams, der bosnische Serbe Mladen Krstajić, setzte noch einen
drauf. „Ich würde ihn nach Den Haag schicken, damit man ihm den Prozess
macht, so wie man uns den Prozess gemacht hat“, sagte der
Ex-Bundesligaprofi.
Damit stellte er den deutschen Schiedsrichter und auch sich selbst auf eine
Stufe mit den verurteilen Kriegsverbrechern Ratko Mladic, Radovan Karadžić
und den serbischen Generälen im Kosovo. Das UN-Kriegsverbrechertribunal in
Den Haag hatte in den vergangenen Jahren zahlreiche Serben wegen schwerer
Verbrechen gegen die Menschlichkeit während der Kriege in Bosnien und
Kosovo verurteilt.
## Kosovarische Flagge
Ob die doch eher symbolischen Geldstrafen eine richtige Reaktion der Fifa
auf das Verhalten der Spieler und die Äußerungen des Trainers an die
Adresse des Schiedsrichters bei einer Fußballweltmeisterschaft sind, sei
dahingestellt. Deutlich ist jedoch einmal mehr geworden, wie schnell sich
der tief sitzende Konflikt zwischen Serbien und dem Kosovo sich entladen
kann.
Diesen Umstand illustrieren die Vorkommnisse vor und während des Spiels.
Alles fing schon damit an, dass die Schweizer Spieler mit kosovarischem
Hintergrund von den serbischen und russischen Fans gnadenlos ausgepfiffen
wurden. Mit dazu beigetragen hatte offenbar die Information, dass Xherdan
Shaqiri vor dem Spiel seine Fußballschuhe mit der Schweizer und der
kosovarischen Flagge verziert hatte und damit demonstrierte, dass er sich
nicht nur als Schweizer Bürger fühlte, sondern auch als Kosovo-Albaner.
1991 in der Kosovo-Gemeinde Giljan (Gniljane) geboren, floh er mit seiner
Familie angesichts der serbischen Repression und Bildung eines
Apartheid-Staates in die Schweiz. Die Kosovo-Albaner wurden damals in der
„serbischen Provinz“ aus allen staatlichen Stellen und der Wirtschaft
entfernt. Granit Xhakas Vater war direktes Opfer der serbischen Repression
und saß drei Jahre in serbischen Gefängnissen.
Die Exil-Kosovaren unterstützten den bewaffneten Kampf der
Kosovo-Befreiungsorganisation UÇK ab 1997 und begrüßten die Unabhängigkeit
des Landes 2008. Nach serbischem Empfinden sind die Kosovaren jedoch Räuber
der serbischen „Wiege der Nation“, wie sie Kosovo bezeichnen. Als das
serbische Militär 1999 nach dem Nato-Krieg die Provinz verlassen musste,
stellte das für die Serben eine tiefe Demütigung dar. Für die Mehrheit der
Serben sind Kosovo-Albaner bis heute Todfeinde.
„Tod den Albanern“, riefen die serbischen Fans während der ersten Halbzeit.
Dass es ausgerechnet den beiden aus dem Kosovo stammenden Spielern gelang,
die entscheidenden Tore für den Sieg der Schweiz zu erzielen, ja den Sieg
sogar zu zelebrieren, indem beide als Zeichen ihre Triumphes mit ihren
Händen den albanischen Adler formten, brachte die serbischen Fans zur
Weißglut. Dieser Umstand war Xhaka und Shaqiri sicher bewusst – auch wenn
beide den Vorgang später gegenüber der Schweizer Öffentlichkeit
herunterspielten.
## Bitter ernste Lage
Die Lage zwischen beiden Seiten bleibt bitter ernst: Die Schweizer Polizei
meldete kurz nach dem Spiel vermutlich von Serben initiierte Überfälle auf
albanische Fans in Zürich und anderen Städten. Im Kosovo hingegen feierten
die Menschen begeistert die Tore „ihrer Söhne“ aus der Schweiz.
Die Fifa hat das Thema Rassismus im Fußball in den letzten Jahren ziemlich
hoch gehängt. Angesichts historischer Auseinandersetzungen scheinen die
Argumente der Kampagne jedoch zu verhallen. Die bisherigen Mechanismen der
Sportgerichtsbarkeit sind ohnehin seit den Dopingskandalen in Frage
gestellt. Wie soll man verstehen, dass der serbische Trainer mit seiner
Äußerung glimpflicher davonkommt als die beiden Spieler?
Wie kann der Versuch, den deutschen Schiedsrichter auf die Stufe serbischer
Kriegsverbrecher zu stellen, überhaupt geahndet werden? Der Vorgang zeigt,
dass es keine gültigen Kriterien für solche Fälle gibt.
27 Jun 2018
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## AUTOREN
Erich Rathfelder
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