| # taz.de -- Militär im Kosovo: Klares Ja zur Armee | |
| > Mit deutlicher Mehrheit votiert das Parlament für den Aufbau eigener | |
| > Streitkräfte. Für Serbien ist die Entscheidung eine Provokation. | |
| Bild: Abgeordnete im kosovarischen Parlament vor der Abstimmung über eine eige… | |
| Sarajevo taz | Das Votum im Parlament von Kosovo für den Aufbau einer | |
| eigenen Armee hätte nicht eindrucksvoller ausfallen können. 107 der 120 | |
| anwesenden Abgeordneten in Prishtina votierten am Freitag für entsprechende | |
| Gesetze zum Aufbau einer kosovarischen Armee. 13 vornehmlich der serbischen | |
| Minderheit zugehörige Abgeordnete waren nicht erschienen. | |
| Das Parlament muss noch über ein Gesetzesvorhaben abstimmen, in welchem die | |
| künftige Organisationsstruktur der neuen Armee festgelegt ist. Damit wird | |
| die bislang für Katastrophenfälle vorgesehene und leicht bewaffnete Kosovo | |
| Security Force (KSF) in eine reguläre Armee umgewandelt. Die Truppenstärke | |
| soll im Laufe von 10 Jahren von derzeit 2500 Mann auf 5000 verdoppelt | |
| werden.Die neue Armee erhält nach dem Gesetzesvorhaben ein „Mandat zur | |
| Verteidigung des Landes“. | |
| Für Serbien ist dieses „Mandat“ der wohl wichtigste Anlass für einen | |
| Protest. Denn implizit bedeutet das Mandat offiziell die Möglichkeit, die | |
| gesamte Grenze, also auch jene zwischen Serbien und den Serben-Gebieten im | |
| Norden Kosovos, zu verteidigen. Kosovo will damit demonstrieren, dass es | |
| den Anspruch hat, das gesamte Staatsgebiet zu kontrollieren, was bis heute | |
| noch nicht vollständig gelungen ist. | |
| Im von knapp zwei Millionen Einwohnern bewohnten Kosovo leben noch rund 120 | |
| 000 Serben, der größte Teil in den Enklaven des Südens, rund 40 000 aber in | |
| dem nördlichen, direkt an Serbien grenzenden Gebiet. Für die serbische | |
| Führung, das die 2008 ausgerufene Unabhängigkeit der ehemaligen autonomen | |
| Provinz nicht anerkennt, stellt dieser Akt eine Provokation dar. Sie droht | |
| nun den Einsatz militärischer Gewalt an. | |
| ## Verschärfte Rhetorik | |
| „Ich hoffe, dass wir niemals unsere Armee einsetzen müssen, aber zurzeit | |
| ist dies eine der möglichen Optionen“, erklärte Regierungschefin Ana | |
| Brnabic am Mittwoch. Präsident Alexander Vucic warf den kosovarischen | |
| Behörden vor, die serbische Minderheit aus dem Norden „vertreiben“ zu | |
| wollen. | |
| Die verschärfte Rhetorik aus Belgrad jedoch beeindruckt in Prishtina kaum | |
| noch jemanden. Die kosovarisch-albanische Führung unter Ministerpräsident | |
| Ramush Haradinaj weist darauf hin, dass die kosovarischen Streitkäfte | |
| multinational aufgebaut werden – acht Prozent der Rekruten sind nach | |
| Angaben des Ministerpräsidenten ethnische Serben. Auch Minderheiten wie | |
| Roma, Türken, Gorani und Bosniaken stehen die Türen bei den Streitkräften | |
| offen. Weiterhin stünden, trotz kritischer Stimmen aus der Nato, die | |
| wichtigste Garantiemacht, die USA, hinter Kosovo. Washington würde sich an | |
| der Ausrüstung der Armee beteiligen. | |
| Der größte Teil der öffentlichen Meinung in Kosovo steht in diesem Falle | |
| hinter Haradinaj, weil er damit auch der Diskussion um einen möglichen | |
| Gebietsaustausch zwischen dem Kosovo und Serbien einen Riegel vorschiebt. | |
| Nach Vorschlägen der serbischen Regierung könnten die serbisch bewohnte | |
| Gemeinden des Nordens gegen vornehmlich von Albanern bewohnte Gemeinden in | |
| Südserbien ausgetauscht werden. | |
| Dieser Gedanke wurde auch von Kosovo-Präsident Hashim Thaci aufgenommen. | |
| Doch Haradinaj hat sich entschieden gegen einen Gebietsaustausch auf | |
| ethnischer Grundlage ausgesprochen und sich damit gegen den eigenen | |
| Präsidenten gestellt. | |
| ## Staub aufgewirbelt | |
| Die Diskussion über einen möglichen Gebietsaustausch hat in den letzten | |
| Monaten viel Staub aufgewirbelt. Vor allem Russland steht hinter einem | |
| solchen Konzept, würde es doch langfristig die Annexion von Teilen der | |
| Ukraine legitimieren helfen – so vermuten jedenfalls viele Politiker auf | |
| dem Balkan, wie der ehemalige Präsident Albaniens, Salih Berisha. | |
| Auch in der EU ist eine Kontroverse darüber entstanden. Serbien | |
| nahestehende Lobbyisten wie der österreichische Diplomat Wolfgang Petritsch | |
| oder der britische Ex-Regierungschef Tony Blair haben gemeinsam mit | |
| Österreich, Ungarn und anderen eher rechtsstehenden Regierungen in Brüssel | |
| für den Gebietsaustausch geworben. | |
| Demgegenüber haben Deutschland und die nordischen Staaten mit den meisten | |
| Experten Südosteuropas ein Stoppzeichen gesetzt. Ein Gebietsaustausch auf | |
| ethnischer Grundlage verstoße nicht nur gegen grundlegende Werte Europas, | |
| sondern könne eine „Büchse der Pandora“ öffnen und zu Konflikten in Bezug | |
| auf Bosnien und Herzegowina, Mazedonien und anderen Staaten führen, | |
| erklärten zum Beispiel die ehemaligen Hohen Repräsentanten in Bosnien und | |
| Herzegowina, Paddy Ashdown, Christian Schwarz-Schilling und Carl Bildt in | |
| einem gemeinsamen Brief an die EU-Kommission. | |
| Auch in Bezug auf die kürzlich verfügten Einfuhrzölle nach Kosovo scheiden | |
| sich die Geister entlang der genannten Linien in Europa. Serbien | |
| protestierte heftig gegen die von Kosovo kürzlich verfügten Einfuhrzölle | |
| von 100 Prozent auf serbische Waren. Auch die EU zeigte sich kritisch. | |
| ## Schikanen gegen Firmen | |
| Diese drastische Maßnahme wird jedoch von der kosovarischen Seite damit | |
| gerechtfertigt, „dass Serbien die Einfuhr unserer Waren immer schon | |
| praktisch unmöglich gemacht hat“, erklärte Haradinaj. Kosovarische Firmen | |
| würden schikaniert, man verlangte Herkunftsbescheinigungen, die dann aber | |
| nicht anerkennt würden. Lastwagen mit kosovarischen Kfz-Kennzeichen würden | |
| nicht ins Land gelassen. | |
| Auch internationalen Beobachter vor Ort stellen fest, dass Serbien | |
| versuche, den Kosovaren das Leben so schwer wie möglich zu machen. Serbien | |
| versuche Kosovo auf allen Ebenen, so bei internationalen Organisationen, | |
| Sportverbänden, der UN-Kulturorganisation Unesco oder der | |
| Polizeiorganisation Interpol, zu blockieren. „Dagegen mussten wir uns | |
| endlich zur Wehr setzen, deshalb die Zölle“, sagte Haradinaj. | |
| 14 Dec 2018 | |
| ## AUTOREN | |
| Erich Rathfelder | |
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