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# taz.de -- Kommentar Ausschreitungen in Chemnitz: Probe für den rechten Volks…
> Hass, Aggressivität und Menschenverachtung: In Chemnitz bekam man am
> Montag ein Gefühl dafür, was uns bei einem fortgesetzten Rechtsruck
> droht.
Bild: Demonstranten der rechten Szene zünden Pyrotechnik und schwenken Deutsch…
In Chemnitz haben [1][am Montagabend] Nazis den Bürgerkrieg geprobt. Nicht
nur, weil einige Hundert der Wildesten unter ihnen aus der Kundgebung am
Karl-Marx-„Nüschel“ ausbrachen und auf kaum 50 Meter entfernte Ausländer
und Antifa-Gegendemonstranten losstürmten. Zuvor hatten Reden sie zu
Volksaufstand und Selbstjustiz angestachelt. Das gezeigte Maß an Hass,
Aggressivität und Menschenverachtung schockierte sogar den abgebrühten
langjährigen Pegida-Beobachter. Die in Chemnitz vor allem Primitivität,
grobes Gebaren und animalische Instinkte demonstrierten, gehören zum
Miesesten, was das unruhige Land derzeit hervorbringt.
Es schien, als hätten die Veranstalter von „Pro Chemnitz“ und ihre
vernebelten Spießgesellen aus der ganzen Bundesrepublik nur auf den Anlass
einer mutmaßlich durch Migranten begangenen Mordtat gewartet, um wieder
einmal loszuschlagen. Nicht nur gegen die verhassten Ausländer, auch gegen
alles, was noch ein Gewissen hat, anders ist und ihnen nicht passt. Eine
Pietätlosigkeit gegenüber dem getöteten Deutschkubaner, der hier nur
benutzt wurde. Die Beschäftigung mit seiner Person hätte ja auch offenbart,
dass er eben kein Biodeutscher war und sich von rechten Umtrieben eher
distanzierte.
Erschreckend am dumpfen Chemnitzer Aufzug ist auch die schnelle
Mobilisierungsfähigkeit einer breit gefächerten Rechten. Hartgesottene
Kameradschaftler, Pegida-Organisatoren, AfD, der „Dritte Weg“ und die
berüchtigten „besorgten Bürger“ bildeten eine Einheitsfront. Letztere
reagieren beleidigt auf die Bezeichnung „Nazis“, drohen aber bei erhoffter
Machtergreifung, die sie blasphemisch „Wende“ nennen, baldige Liquidation
ihrer Gegner an. In Chemnitz bekam man ein Gefühl dafür, was uns bei einem
fortgesetzten Rechtsruck droht.
Der Stellvertreterkrieg am Montagabend wurde freilich von beiden Seiten
geführt. Auch die Antifa und ihre Sympathisanten kommen aus ihren Ritualen
und formelhaften Sprechchören nicht heraus. Wenn Nazis mit Rufen wie „Eure
Eltern sind Geschwister“ beleidigen, tönt es „Nazis töten ist kein Mord“
zurück. Kreativ äußerte sich die Gegendemo auch nicht. Der Krieg der
Stimmbänder, Lautsprecher und Megafone zeigte vielmehr, wie sehr unsere
Gesellschaft gespalten ist.
Schließlich bleibt noch das Bild einer überforderten Polizei. Nach dem
Ausbruch hätte man den rechten Mob gar nicht marschieren lassen dürfen,
aber auf den Umgang mit mehreren Tausend Nazis war man weder zahlenmäßig
noch polizeitaktisch vorbereitet.
28 Aug 2018
## LINKS
[1] /Ausschreitungen-in-Chemnitz/!5532054
## AUTOREN
Michael Bartsch
## TAGS
Polizei Sachsen
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Rechtsextremismus
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