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# taz.de -- Ausschreitungen in Chemnitz: Gut vernetzte rechtsradikale Szene
> Rechtsextreme marodierten am Montagabend wieder durch Chemnitz. Beim
> Aufeinandertreffen mit Gegendemonstranten wurden sechs Menschen verletzt.
Bild: Robert Lüdecke: „Der Rassismus bricht sich unverhohlen Bahn“
Chemnitz dpa | Nach den jüngsten Ausschreitungen in Chemnitz wächst die
Kritik an zunehmender Aggression und Gewaltbereitschaft gegen Zuwanderer.
„Der Rassismus bricht sich unverhohlen Bahn“, sagte der Experte für
Rechtsextremismus der Amadeu Antonio Stiftung, Robert Lüdecke, der
Deutschen Presse-Agentur in Berlin. „Die Gesellschaft ist stark
polarisiert, Menschen äußern immer unverhohlener, welche Menschen sie in
Deutschland haben möchten und welche nicht.“ In den sozialen Netzwerken
werde ungehemmt gehetzt.
Bei einem neue rechtsextremen Aufmarsch und Demonstrationen gegen Rechts in
der Chemnitzer Innenstadt wurden am Montagabend mindestens sechs Menschen
verletzt. Es seien Feuerwerkskörper und Gegenstände geworfen worden, hieß
es bei der Polizei. Nach Ende der beiden Demonstrationen räumte ein
Polizeisprecher Personalmangel in den eigenen Reihen ein. „In der Nacht ist
alles ruhig geblieben“, sagte ein Sprecher am Dienstagmorgen.
Anlass der Proteste waren [1][gewalttätige Ausschreitungen am Wochenende]
am Rande des Stadtfestes in Chemnitz. Auslöser dafür war, dass ein 35 Jahre
alter Mann [2][durch Messerstiche getötet worden war]. Gegen einen
23-Jährigen und einen 22-Jährigen wurde Haftbefehl erlassen.
An den Demonstrationen am Montagabend nahmen mehrere Tausend Menschen teil.
Die Polizei versuchte mit einem Großaufgebot die von Rechten dominierte
Protestveranstaltung und eine vom Bündnis „Chemnitz nazifrei“ organisierte
Veranstaltung zu trennen.
## Organisierte rechtsextreme Szene
Auch in Düsseldorf versammelten sich wegen der tödlichen Messerstiche in
Chemnitz rund 150 Demonstranten aus dem rechten Spektrum vor dem Landtag,
wie die Polizei berichtete. Ihnen standen etwa 250 Gegendemonstranten
gegenüber.
Gerade die rechtsextreme Szene ist aus Sicht von Stiftungs-Experte Lüdecke
sehr gut vernetzt. „Sie haben inzwischen leider auch jahrelange
Erfahrungen, wie sie schnell mobilisieren können.“ Soziale Netzwerke
spielten dabei eine entscheidende Rolle, „um auch über den eigenen
Dunstkreis hinaus Mitstreiter für Demonstrationen und andere Aktionen zu
finden“. In Chemnitz gebe es eine organisierte rechtsextreme Szene und „das
klassische Pegida-Mitläufertum“, unterstützt durch die Hooligan-Szene.
Auch der sächsische Verfassungsschutz hält eine Beteiligung regionaler
Hooligan-Gruppierungen an den Ausschreitungen für möglich. „Diese Szene war
auch in der jüngeren Vergangenheit wiederholt beteiligt an gewalttätigen
Auseinandersetzungen mit Personen mit Migrationshintergrund“, sagte
Verfassungsschutzpräsident Gordian Meyer-Plath der Rheinischen Post am
Dienstag.
Teil der regionalen gewaltbereiten rechtsextremistischen Szene seien „aus
dem Umfeld des lokalen Fußballvereins agierende, feste rechtsextremistische
Hooligan-Strukturen“, wie etwa die „NS-Boys“ oder [3][die Gruppe „Kaotik
Chemnitz“]. Der sächsische Generalstaatsanwalt Hans Strobl lässt die
Sondereinheit „Zentralstelle Extremismus Sachsen“ ermitteln.
## Inszenierte bürgerkriegsähnliche Zustände
Derweil warnte der SPD-Innenexperte Burkhard Lischka vor der Gefahr
inszenierter bürgerkriegsähnlicher Zustände. „Es gibt in unserem Land einen
kleinen rechten Mob, der jeden Anlass zum Vorwand nimmt und nehmen wird,
seine Gewaltfantasien von bürgerkriegsähnlichen Zuständen auf unsere
Straßen zu tragen“, sagte Lischka der Rheinischen Post.
Dass im Bundestag eine Partei diese Exzesse gegen ausländische Mitbürger
als gerechtfertigte Selbstjustiz beklatsche, zeige, „dass die Mehrheit
unseres Landes noch viel lauter werden muss, wenn es um Rechtsstaat,
Demokratie und Zusammenhalt in unserer Gesellschaft geht“. Lischka spielte
damit auf die AfD an. Ihr Bundestags-Abgeordneter Markus Frohnmaier hatte
auf Twitter geschrieben: „Wenn der Staat die Bürger nicht mehr schützen
kann, gehen die Menschen auf die Straße und schützen sich selber. Ganz
einfach!“
Regierungssprecher Steffen Seibert verurteilte „Hetzjagden auf Menschen
anderen Aussehens“. Sachsens Innenminister Roland Wöller (CDU) sprach von
einer „neuen Dimension der Eskalation“. Sein Regierungschef Michael
Kretschmer (CDU) sagte: „Es ist widerlich, wie Rechtsextreme im Netz
Stimmung machen und zur Gewalt aufrufen. Wir lassen nicht zu, dass das Bild
unseres Landes durch Chaoten beschädigt wird.“
27 Aug 2018
## LINKS
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