Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Lidokino 5 – Hinweise auf Verletzlichkeit: Es gab Buhrufe
> Die Coen-Brüder zeigen ihren Western, der Horrorfilm „Suspiria“ erlebt
> sein Remake und Lady Gaga singt. Nicht alles kommt beim Publikum gut an.
Bild: Schauspielerin Chloe Grace Moretz spielt im Remake „Suspiria“ mit
Lady Gaga war da. Auf der Leinwand. Auf dem Lido. Und in der Presskonferenz
zu „A Star Is Born“, in dem sie ihre erste Hauptrolle spielt. Das jüngste
Remake des Klassikers aus dem Jahr 1937, in Venedig außer Konkurrenz zu
sehen, erzählt von einer jungen Musikerin, die auf einen alternden Rockstar
trifft und so ihren eigenen Durchbruch erlebt.
Bradley Cooper, der die männliche Hauptrolle spielt, hat damit zugleich
sein Regiedebüt vorgelegt. Alles sehr solide, auch die Songs, die Lady Gaga
beigesteuert hat. Aber letztlich so nichtssagend wie ihre Statements vor
der Presse, dass ihr Venedig als Italoamerikanerin viel bedeute, dass die
Zusammenarbeit mit Cooper toll war. Am offensten ihr Hinweis auf die eigene
Verletzlichkeit.
Ein ambitionierteres Remake-Vorhaben bietet der italienische Regisseur Luca
Guadagnino. Nach dem großen Erfolg von „Call Me By Your Name“ vom
vergangenen Jahr hat sich Guadagnino im Wettbewerb von Venedig jetzt an
einem Horrorklassiker seines Landsmanns Dario Argento versucht. „Suspiria“,
im Original aus dem Jahr 1977, wird von Guadagnino um einige Facetten der
Zeitgeschichte ergänzt.
Spielte das Original in einer von Hexen besessenen Ballettschule im
beschaulichen Heidelberg, verlegt Guadagnino die Handlung nach Berlin. Das
Jahr ist bei ihm ebenfalls 1977, im Radio laufen Nachrichten zur
Landshut-Entführung, die Ballettschule steht direkt an der Mauer, und ein
jüdischer Psychoanalytiker namens Klemperer, der in Westberlin praktiziert,
fährt regelmäßig in den anderen Teil der Stadt auf seine Datscha.
## Tom Waits als hartnäckigen Goldgräber
„Suspiria“ leistet handwerklich so einiges. Die Choreografien sind
wunderbar dynamisch und direkt, die Besetzung kann sich sehen lassen –
Tilda Swinton gibt eine der Tanzlehrerinnen, ebenso Ingrid Caven und Angela
Winkler, und anscheinend hat man sich einen Scherz bei der Rolle des
Psychoanalytikers Klemperer erlaubt: Über den Darsteller Lutz Ebersdorf ist
wenig zu erfahren, es geht das Gerücht, hinter dem faltigen Gesicht
verberge sich noch einmal Tilda Swinton.
Doch bleibt die Zeitgeschichte bei Guadagnino bloßes Kolorit, der Hexenplot
wird weniger als Schrecken denn als krude Nazi-Allegorie und als Geschichte
der zunehmenden Komplizenschaft zwischen den alten Lehrerinnen und der
Elevin Susie (Dakota Johnson) inszeniert, mit ausnehmend blutigem,
getanzten Finale, das schon der pathetischen Dialoge wegen den Vergleich
mit dem Original nicht gut verträgt. Es gab Buhrufe.
Gut gelaunt reagierte das Publikum dafür auf die Coen-Brüder und ihren
Wettbewerbsfilm „The Ballad of Buster Scruggs“. Bloß startet der
Episodenwestern mit einer so großspurig zynischen Episode über einen
singenden Revolverhelden, der seine Gegner mit erfindungsreicher Raffinesse
erledigt, dass man leicht auf dem falschen Fuß erwischt werden kann und in
den farbig gefilmten Panoramen wenig mehr als opulente Leere finden mag.
Auch wenn der Film später schöne Überraschungen bietet. Allein schon für
den gealterten Tom Waits als hartnäckigen Goldgräber in von Menschenhand
unberührter Natur lohnt der Film.
Erst recht lohnt sich der postum fertig geschnittene Film von Orson Welles,
„The Other Side of the Wind“. Ein Ungetüm von ineinander montierten
Bildern, schwarz-weiß, farbig, mit sorgfältig mikrofoniertem oder
provisorisch gemischten Ton. Eine Geschichte über einen alten Filmemacher
(John Huston), der an einem unvollendeten Projekt gearbeitet hat, als Film
im Film zu sehen, und die Resultate auf einer Party zeigt. Das
verschachtelte Ebenenspiel ist ein wild-wütender Leidensbericht über das
Filmemachen, über die charakterlichen Abgründe von Regisseuren – Orson
Welles scheint als Figur durch – und ein hektisches, mit vielen Handkameras
erstelltes Puzzle. Ob am Ende virtuos gescheitert oder auf heftige Art
brillant, soll offen bleiben.
2 Sep 2018
## AUTOREN
Tim Caspar Boehme
## TAGS
Kino
Lady Gaga
Schwerpunkt Filmfestspiele Venedig
Joel und Ethan Coen
Spielfilm
Spielfilm
Horrorfilm
Schwerpunkt Filmfestspiele Venedig
Schwerpunkt Filmfestspiele Venedig
Florian Henckel von Donnersmarck
Schwerpunkt Filmfestspiele Venedig
Digitalisierung
Schwerpunkt Filmfestspiele Venedig
Schwerpunkt Filmfestspiele Venedig
## ARTIKEL ZUM THEMA
„Macbeth“-Verfilmung von Joel Coen: Das Unheil bleibt in der Welt
Der Regisseur Joel Coen hat William Shakespeares „The Tragedy of Macbeth“
verfilmt. Denzel Washington gibt den Königsmörder.
Modekrimi „House of Gucci“ im Kino: Groschenroman auf Leinwand
Regisseur Ridley Scott versucht sich in „House of Gucci“, am Schicksal des
Modehauses – mit großer Optik und Stars. Es spielen Lady Gaga und Adam
Driver.
Horrorklassiker „Suspiria“ neu verfilmt: Mit Schuld und Scham
Luca Guadagnino macht den Kultfilm „Suspiria“ zur feministischen Orgie. Er
hat ein Meisterwerk geschaffen, das die menschliche Natur seziert.
Lidokino 11: Der Abschluss: Die Größe kleiner Geschichten
Der Goldene Löwe geht in Venedig an den Film „Roma“ des Mexikaners Alfonso
Cuarón. Und damit erstmals an eine Netflix-Produktion.
Lidokino 8 – Lange Filme: Erzählen und mahnen in unserer Zeit
Lidokino 8: Von lautem Kreischen, der Dauer als Dauer, dem Zerfall und den
Breivik-Attentaten – lange Filme im Überblick.
Lidokino 7 – Zwei Künstlerleben: Zu viel Brust und harte Kurven
Zwei, die konkurrieren: In Venedig treten ein Film über die letzten Jahre
Van Goghs und ein an Gerhard Richters Leben angelehntes Werk gegeneinander
an.
Lidokino 6 – Präzise Beobachtungen: Die Wut aufgreifen
Das Venedig-Filmfestival zeigt die Ferrante-Saga als Serie, einen Western
mit Potenzial und eine Dokumentation über rassistische Morde in den USA.
Lidokino 4: Gute Beiträge im Wettbewerb: Signale der Unruhe
Lidokino 4: Filme von Olivier Assayas, Alfonso Cuarón und Yorgos Lanthimos
konkurrieren im Wettbewerb mit starken Bildsprachen.
Lidokino 3 – Start der Nebenreihen: Versehrte Männer
Lidokino 3: Mit starken Bildern über die Kommunikation mit den Toten und
einem spektakulären Gerichtsfall haben die Nebenreihen begonnen.
Lidokino 2 – Virtual Reality und Film: Eintauchen ohne Ausweg
Die Filmfestspiele in Venedig setzen mit der Sektion „Venice Virtual
Reality“ auf virtuelle Realitäten. Das kann auch Angst machen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.