# taz.de -- Lidokino 2 – Virtual Reality und Film: Eintauchen ohne Ausweg | |
> Die Filmfestspiele in Venedig setzen mit der Sektion „Venice Virtual | |
> Reality“ auf virtuelle Realitäten. Das kann auch Angst machen. | |
Bild: Bisher vor allem beim Gaming im Einsatz, nun auch immer mehr im Kino: Vir… | |
Mit der Zukunft anfangen. Die liegt beim Kino nicht im Netz, sondern in der | |
Brille. Genauer, in Geräten wie Oculus Rift, einem am Kopf montierten | |
Display, das man für [1][Virtual Reality (VR) Cinema] verwendet. Die | |
umgeschnallte Brille ermöglicht Bilder rundum, Eintauchen ohne Ausweg, | |
solange das Programm läuft. | |
Die [2][Filmfestspiele von Venedig] setzen große Stücke auf das VR Cinema, | |
so sehr, dass sie ihr auf der Insel Lazzaretto Vecchio vor dem Lido eine | |
eigene Sektion eingeräumt haben. Man muss das Festival für das Zutrauen in | |
die junge Kinoform loben. Denn die Ergebnisse lassen noch einige Wünsche | |
übrig. Immerhin kann man in vielen Fällen erkennen, wo die Technik | |
hinsteuert. | |
VR kann jedenfalls ordentlich Angst machen. So die Erkenntnis nach der | |
interaktiven Arbeit „Kobold“ von Max Sacker und Ioulia Isserlis. Die beiden | |
Betreiber der Berliner Firma „AnotherWorld VR“ schicken ihrem „Spiel“ e… | |
kleinen Gruselfilm voraus, damit man sich auf die Geschichte einstimmen | |
kann und weiß, worum es geht. In einem Haus in Brandenburg ist ein | |
Verbrechen geschehen, seitdem steht es verlassen. Mysteriöse Dinge scheinen | |
dort vorgegangen zu sein, der Sohn der Familie hatte mit der verstorbenen | |
Mutter kommuniziert und mit seinem Freund „Pixi“, von dem der Vater meinte, | |
der existiere gar nicht. | |
Im Spiel ist man diesen Geschehnissen auf der Spur, durchstreift das Haus | |
auf der Suche nach Hinweisen. Und schon allein der Umstand, dass man sich | |
vermeintlich mit dem eigenen Körper durch die verfallene Architektur des | |
alten Hauses mit seinen langen Fluren und diversen vernagelten Türen | |
bewegt, ist bestens geeignet, einem kribbelnde Schrecken zu bereiten. | |
Optisch mag nicht alles restlos aufgehen, die Wirkung stimmt gleichwohl. | |
## Echtzeittechnik von Computerspielen | |
Weniger überzeugend dafür der VR-Film „The Great C“ nach einer | |
Kurzgeschichte des Science-Fiction-Autors Philip K. Dick. Der Kanadier | |
Steve Miller wählte für das postapokalyptische Setting mit schön | |
verfallenden Zivilisationsruinen als Kulisse die Echtzeittechnik von | |
Computerspielen als Grundlage. Was dem eigenen Anspruch, die | |
Erzählverfahren in VR voranzubringen, nur bedingt gerecht wird: Die Technik | |
hat den Preis, dass die Figuren höchst grobschlächtig entworfen sind und | |
bestenfalls maskenhafte Gesichtszüge tragen. | |
Ambitionierter erscheint das Tanzstück „VR_I“ von Gilles Jobin, Caecilia | |
Charbonnier und Sylvain Chagué. Man bekommt Sensoren an Hände und Füße | |
gesteckt, dazu einen Rucksack auf den Rücken, damit man sich und die | |
anderen Teilnehmer als Avatare durch eine virtuelle Umgebung laufen sehen | |
kann. Man beginnt in einer Art Höhle, die bald von Riesen gelüpft wird. | |
Nachdem man eine Weile von den Riesen beobachtet wurde, bauen sie ein Haus | |
um die Teilnehmer, die sich bald in Gesellschaft einer Gruppe von Tänzern | |
wiederfinden. Wenn sie einem zu nah kommen, tauchen sie durch den „eigenen“ | |
Körper hindurch, wie man es aus neueren Gespensterfilmen kennt. Kurzzeitig | |
hat die ungewohnte Perspektive Witz, verliert sich aber bald in Spielerei. | |
Fantasievoller ist da immer noch „Der Golem, wie er in die Welt kam“ von | |
Paul Wegener aus dem Jahr 1920. Den gab es am Vorabend der Festspiele in | |
digital restaurierter und kolorierter Fassung zu sehen, in dezenten Blau-, | |
Gelb-, Braun- und Rottönen. Die Geschichte um den Homunkulus aus Lehm, der | |
ein jüdisches Schtetl erst retten hilft und sich danach gegen seine | |
Schöpfer wendet, hat großartig surreale Schiefhausbauten und verhandelt in | |
seiner schlicht anmutenden Geschichte die technologie-ethischen Fragen, die | |
Roboter aufwerfen. 1:0 für den Stummfilm. | |
30 Aug 2018 | |
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## AUTOREN | |
Tim Caspar Boehme | |
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