| # taz.de -- Ausstieg aus der Kohleverstromung: Niedersachsen will sich Zeit las… | |
| > Niedersachsens Umweltminister Olaf Lies (SPD) lehnt einen „zu schnellen“ | |
| > Kohleausstieg ab. Das sei die falsche Position für ein Energiewendeland, | |
| > meinen die Grünen. | |
| Bild: Ein Kraftwerk der Firma Dow Chemical. Das in Stade geplante Modell soll z… | |
| HANNOVER taz | Der niedersächsische Umwelt- und Energieminister Olaf Lies | |
| (SPD) will den Kohleausstieg nicht beschleunigen. „Die Forderung, morgen | |
| alle Kohlekraftwerke abzuschalten, ist doch absurd“, sagte er im Landtag. | |
| Zunächst müsse man eine Antwort auf die Frage haben, woher der Strom | |
| stattdessen kommen solle. Und auch die Bergbauregionen Deutschlands dürften | |
| bei dem Strukturwandel nicht abgehängt werden. | |
| Mit eben diesem Tenor hat der Minister in der vergangenen Woche ein Papier | |
| unterzeichnet, das sich gegen einen schnellen Kohleausstieg richtet. Er | |
| schließt sich darin mit Brandenburg, Nordrhein-Westfalen, dem Saarland, | |
| Sachsen und Sachsen-Anhalt zusammen – im Gegensatz zu Niedersachsen | |
| allesamt Länder, in denen noch Arbeitsplätze an der Kohleförderung hängen. | |
| Der letzte niedersächsische Braunkohletagebau im Helmstedter Revier wurde | |
| 2016 geschlossen. „Wir haben den Strukturwandel schon vollzogen“, sagt | |
| Lies. „10.000 Arbeitsplätze im Bergbau haben wir schon verloren.“ Die | |
| finanziellen Auswirkungen seien für die Region noch immer dramatisch. | |
| In der Berliner Kohlekommission (siehe Kasten) wolle er Niedersachsen als | |
| Modellland präsentieren und zeigen, wie man so einen Strukturwandel | |
| organisieren könne. Die Abgeordnete Imke Byl von den Grünen findet jedoch, | |
| dass sich der Minister mit seiner Unterschrift zu sehr mit Bundesländern | |
| gemein macht, die ein wirtschaftliches Interesse daran haben, dass | |
| möglichst lange Kohle abgebaut und verbrannt wird. „Als Küstenland sind wir | |
| direkt vom Meeresspiegelanstieg bedroht und was macht Lies?“, fragt Byl. | |
| „Er unterstützt die Forderung der Zukunftsverweigerer.“ | |
| Damit meint sie wohl Politiker wie Brandenburgs vergangene Woche | |
| zurückgetretenen Wirtschaftsminister Albrecht Gerber (SPD). Auch er hat | |
| unterzeichnet. „Mit einem vorzeitigen Ausstieg aus der Kohleverstromung ist | |
| niemandem gedient – auch dem Klima nicht“, sagt er. „Flexible | |
| konventionelle Kraftwerke gewährleisten, dass die Energieversorgung sicher | |
| und bezahlbar bleibt.“ Zumindest für den Übergang würden sie gebraucht. | |
| Lies betont, wie wichtig der Ausbau der erneuerbaren Energien sei. „Niemand | |
| möchte zurück zur Kernkraft und allen ist klar, dass der Einsatz von Kohle | |
| heruntergefahren werden muss“, sagt er. Es dürfe jedoch keine „Verengung | |
| auf den Ausstieg“ geben. | |
| Die Kommission solle die Folgen eines vorzeitigen Kohleausstiegs auf die | |
| Strompreise und die Versorgungssicherheit stärker berücksichtigen, fordert | |
| Lies zusammen mit seinen Amtskollegen – die fünf Wirtschaftsminister sind | |
| jeweils auch für Energie zuständig, nur in Niedersachsen liegt das Thema | |
| beim Umweltminister, der allerdings vor einem Jahr selbst noch | |
| Wirtschaftsminister war. | |
| Lies befürwortet zudem, dass in Stade ein neues Kohlekraftwerk gebaut wird. | |
| „Das lässt einen doch völlig verzweifeln“, sagt Byl. „Als Umweltminister | |
| muss er sich doch für unser Klima einsetzen.“ | |
| Das Unternehmen Dow Chemical plant an seinem Stader Standort für 1,2 | |
| Milliarden Euro ein Kraftwerk, das zu 80 Prozent mit Steinkohle und je zehn | |
| Prozent mit Biomasse und Wasserstoff betrieben werden soll. Lies hält das | |
| für „einen klugen Weg.“ Schließlich sei es kein Kohlekraftwerk. „Was das | |
| Unternehmen Dow dort vorhat, ist etwas ganz anderes. Dow will ein | |
| Industriekraftwerk bauen.“ | |
| Diese Wortwahl ärgert jedoch die Initiativen vor Ort, die vor Gericht | |
| bislang mit dem Bemühen gescheitert sind, das Kraftwerk zu verhindern. „Das | |
| ist genau die Greenwashing-Rhetorik der Dow“, sagt Holger Becker von | |
| Greenpeace Hamburg über den Minister, der auch Kern- statt Atomkraft sagt. | |
| Auch wenn man es Industriekraftwerk nenne, bleibe der Hauptbrennstoff | |
| Kohle. „Das sollte die Politik eigentlich verhindern“, sagt Becker. | |
| ## Widerstand gegen das Kohlekraftwerk in Stade | |
| Silke Hemke von der BUND-Kreisgruppe in Stade hält die Worte des Ministers | |
| gar für eine „Täuschung des Landtages und der Öffentlichkeit, wenn er den | |
| großen Anteil der Kohlekraft verschweigt“. Die anderen Brennstoffe seien | |
| nur Deko, sagt Hemke. | |
| Gegen die Abweisung der Klagen von Umweltverbänden und einer Anwohnerin | |
| hatte das Oberverwaltungsgericht Lüneburg keine Revision zugelassen. Sie | |
| haben Beschwerde eingelegt und warten auf eine Entscheidung. Hemke und ihre | |
| Mitstreiter wollen alle juristischen Mittel ausschöpfen – und auch der | |
| Landespolitik zeigen, was sie von dem Kraftwerk halten. Am 8. September ab | |
| 11 Uhr wollen sie in Stade demonstrieren. Das Motto: „Wir lassen uns nicht | |
| verkohlen.“ | |
| 27 Aug 2018 | |
| ## AUTOREN | |
| Andrea Maestro | |
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