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# taz.de -- Iran-Experte über US-Sanktionen: „Trump will den Iran destabilis…
> Iraner protestieren gegen die Wirtschaftskrise, während die USA
> Sanktionen verhängen. Politikberater Adnan Tabatabai über den Druck auf
> Präsident Ruhani.
Bild: „Die einfachen Bürger leiden am meisten“, sagt Adnan Tabatabai über…
taz am wochenende: Herr Tabatabai, was hat dem iranischen Präsidenten
Hassan Ruhani diese Woche mehr Kopfschmerzen bereitet: [1][die neuen
US-Sanktionen] oder die [2][Proteste auf den Straßen] Irans?
Adnan Tabatabai: Beides zusammen. Auffällig war, dass sich Ruhani in seiner
TV-Ansprache kurz vor Inkrafttreten der neuen Sanktionen auf
außenpolitische Themen konzentriert hat. Viele Leute waren davon
enttäuscht, dass er sich nicht an die eigene Bevölkerung wendet, sondern
damit beschäftigt ist, Donald Trump zu antworten. Ruhani argumentiert
elitenorientiert.
Die Demonstranten protestieren gegen die Wirtschaftskrise im Iran. Die
Arbeitslosenquote ist hoch, und der Rial verliert an Wert. Sind die neuen
US-Sanktionen schuld?
Nicht allein, aber ein sanktioniertes Land hat natürlich kein gesundes
Wirtschaftssystem. Es gibt Einfuhrverbote, die umgangen werden müssen.
Davon profitieren bestimmte Leute. Korrupte Netzwerke bereichern sich. Auf
der anderen Seite hat der Iran aber auch hausgemachte Wirtschaftsprobleme:
Missmanagement und Korruption sind nicht durch US-Sanktionen entstanden.
Die Sanktionen verschärfen den ungesunden Wirtschaftskontext aber.
Dabei sind die Sanktionen doch erst am Dienstag in Kraft getreten. Die
Wirtschaftskrise und die Protestbewegung hingegen sind viel älter.
Die US-Administration erzeugt schon lange eine wahnwitzig negative Stimmung
gegen den Iran. Das fing schon während Trumps Wahlkampf 2016 an. So ein
Klima wirkt sich auf die strategische Planung von Unternehmen aus. Lange
vor Inkrafttreten der Sanktionen hat die Debatte Wirkung gezeitigt.
Was will Trump erreichen?
Die US-Administration will den Iran destabilisieren. Die Politik der
Destabilisierung bedeutet nicht nur, dass man eine Partei, die sich an das
Atomabkommen von 2015 gehalten hat, zu Unrecht bestraft. Sie läuft auch
europäischen Sicherheitsinteressen fundamental entgegen. Die US-Politik
kann über den Iran hinaus zu einer Destabilisierung der gesamten Region
führen. Aus europäischer Sicht ist das eine große Bedrohung.
Andersherum gedacht: Je schlechter es dem Iran geht, desto stärker wird
sich der Protest gegen das Regime richten. Auf den Straßen waren schon
Slogans gegen die [3][Rolle des Iran in Syrien, Libanon und Palästina] zu
hören. Die Leute wollten, dass sich die Regierung um sie kümmert und nicht
um Assad, die Hisbollah oder die Hamas. Vielleicht zieht sich ein schwacher
Iran aus den regionalen Konflikten zurück.
Das glaube ich nicht. Früher waren die Sanktionen gegen den Iran viel
härter als jetzt unter Trump. Der Westen stand geschlossen dafür ein.
Damals hat sich der Iran in keiner Weise anders aufgestellt. Er beteiligte
sich am Krieg in Syrien, die Verbindung zur Hisbollah besteht seit Anfang
der achtziger Jahre, und die Präsenz im Irak baut der Iran seit dem Sturz
Saddam Husseins 2003 aus. Die Außenpolitik wird sich durch die
Unzufriedenheit in der Bevölkerung nicht ändern. Vielmehr wird der Iran
versuchen, in den Konflikten der Region seine Verhandlungsmasse gegenüber
den USA zu stärken.
Was bedeuten die Sanktionen für die einfache Bevölkerung?
Iranische Unternehmer, die internationale Handelspartner haben, müssen
Güter einführen oder exportieren. Dafür muss es Zahlungswege geben. Diese
werden jetzt wieder kriminalisiert. Also muss es Umgehungsmechanismen
geben, illegale Kanäle. Oft wird über einen Drittstaat gehandelt. In
Malaysia oder der Türkei zum Beispiel platzieren sich dann geschickt
agierende Unterhändler, die ihrerseits Geschäfte machen wollen. Am Ende
werden dadurch Komsumgüter im Iran teurer, die Bevölkerung kann sich also
weniger leisten.
Keine Smartphones mehr …
Es ist vielleicht nicht so tragisch, wenn sich jemand kein iPhone oder
keine Markenklamotten mehr leisten kann. Wenn die Währung aber insgesamt an
Wert verliert, dann sinkt die Kaufkraft drastisch. Es trifft dann auch
Lebensmittel und Medikamente. Am Ende sind es die einfachen Bürger, die am
meisten leiden.
Und wer profitiert?
Die alternativen Handelswege sind denen vorbehalten, die über die Grenzen
des Landes hinweg Handel betreiben können – zum Beispiel dem Militär und
den Revolutionsgarden sowie den Unternehmen, die mit ihnen gut vernetzt
oder sogar in deren Besitz sind. Die haben einen unverhältnismäßigen
Wettbewerbsvorteil gegenüber privaten Unternehmen.
Zurück zu den Protesten: Wer geht auf die Straße, und was konkret erregt
den Unmut?
Arbeiter, Lkw-Fahrer, Taxifahrer und Fabrikarbeiter, deren Löhne nicht
gezahlt wurden oder zu niedrig sind. Und auch diejenigen, die wirklich ums
Überleben kämpfen und darunter leiden, dass die Lebensmittelpreise steigen.
Der Anteil der Menschen, die unterhalb der Armutsgrenze leben, liegt im
Iran laut IWF bei ungefähr 9,5 Prozent. Und schließlich beteiligt sich eine
schwer zu greifende Gruppe von zumeist jungen Leuten an den Protesten, die
gegen die gesamte politische Struktur aufbegehrt und sagt: Ihr habt das
ganze Land heruntergewirtschaftet!
Das klingt nach einer breiten Bewegung.
Ja, aber der Protest ist momentan recht diffus. Eine politische
Programmatik ist nicht erkennbar. Es ist die Wut, die sich angestaut hat.
Der Klimawandel verschärft die Not der Menschen noch: Hitze, Dürre,
Stromausfälle, Klima- und Kläranlagen funktionieren nicht, der
Wasserzufluss in den Haushalten ist defekt. Das zeigt die Bandbreite der
Probleme im Iran.
Sind die jüngsten Proteste eine Fortsetzung der Demos um die Jahreswende?
Damals erlebte der Iran [4][die stärksten Proteste seit 2009.] Es kam zu
Zusammenstößen, mehr als 20 Menschen wurden getötet.
Auch zu Jahresbeginn ging es um die alltägliche Lebenssituation und nicht
in erster Linie – wie bei der Grünen Bewegung 2009 – um politische
Teilhabe. Außerdem sehen wir heute wie schon im Januar, dass Gegner der
Regierung Ruhani die Proteste anstacheln. Auch vergangene Woche war zu
beobachten, dass ein einflussreicher Freitagsprediger seiner Gefolgschaft
sagte, sie solle ihre Unzufriedenheit auf die Straße tragen. Und auch jetzt
wird von außen versucht, Einfluss zu nehmen – sowohl von Exilgruppen als
auch von der US-Regierung und regionalen Rivalen wie Saudi-Arabien oder
Israel. Sie versuchen, aus einem genuin iranischen Protest Nutzen zu
ziehen.
Ist das der Anfang vom Ende der Regierung Ruhani?
Die Proteste werden Ruhani nicht die Präsidentschaft kosten. Es ist zudem
unwahrscheinlich, dass sie zu einem Massenphänomen werden. Ruhani muss auch
nicht fürchten, abgesetzt zu werden. Gleichzeitig muss die Regierung
anerkennen, dass sie so nicht weitermachen kann. Ihr fehlt der Bezug zum
wirtschaftlich schwachen Teil der Bevölkerung.
Am Mittwoch hat das Parlament dem Arbeitsminister Ali Rabiei das Vertrauen
entzogen. Ein klassisches Bauernopfer?
Es wurden Köpfe gefordert. Das zeigt, dass die Politik auf den Unmut
zumindest reagiert. Ob ein neuer Minister die Arbeitslosigkeit und
Unterbeschäftigung in den Griff bekommt, bleibt abzuwarten. Für den Moment
ist das nur Symbolik.
Und die Zukunftsaussichten sind nicht gut: Die zweite Runde der
US-Sanktionen tritt im November erst noch in Kraft. Dann soll der Ölsektor
ins Visier genommen werden.
Die zwei Runden der US-Sanktionen dienen als weitere Eskalationsstufe.
Zwischendurch will die US-Administration erreichen, dass der Iran sich zu
Verhandlungen über ein neues Nuklearabkommen bereit zeigt. Entscheidend ist
die Frage, wie Europäer und Chinesen sowie Irans Nachbarn auf das Ölembargo
reagieren werden. Und ob die Amerikaner wirklich bereit sind, auch
Maßnahmen gegen Europäer zu ergreifen, die mit dem Iran weiterhin Handel
treiben. Je nachdem, wie hörig die anderen Länder den USA sind, wird der
Effekt im Iran zu spüren sein.
10 Aug 2018
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## AUTOREN
Jannis Hagmann
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