| # taz.de -- Repression gegen Sufis im Iran: Tränengas gegen die Derwische | |
| > Mit großer Härte geht das Regime im Iran gegen die Sufis des | |
| > Gonabadi-Ordens vor. Mehr als 200 Anhänger sind verurteilt worden. | |
| Bild: Februar 2018: Beerdigung eines Polizisten in Teheran, der im Zusammenhang… | |
| Berlin taz | Sicherheitskräfte haben am Mittwoch das Gefängnis Faschafujeh | |
| im Süden der iranischen Hauptstadt Teheran gestürmt, um dort inhaftierte | |
| Gonabadi-Derwische für ihren Sitzstreik zu bestrafen. Sie setzten Tränengas | |
| ein und griffen die Gefangenen mit Schlagstöcken an. Zahlreiche Menschen | |
| wurden verletzt. Einige Häftlinge wurden in Einzelzellen verlegt. | |
| Das berüchtigte Gefängnis – offiziell als „Stätte der Reue“ bezeichnet… | |
| wurde zur Inhaftierung von Schwerverbrechern eingerichtet. Die Derwische | |
| wurden in Haft genommen, weil sie gegen die Misshandlung ihrer inhaftierten | |
| Frauen protestiert hatten. Human Rights Watch [1][bezeichnete] die | |
| Repression gegen die Derwische im Iran am Mittwoch als „eine der größten | |
| Niederschlagungen einer religiösen Minderheit im vergangenen Jahrzehnt“. | |
| Die Menschenrechtlerin Shirin Ebadi verurteilte das Vorgehen gegen die | |
| Derwische am Donnerstag in Berlin scharf. Die im Exil lebende | |
| Friedensnobelpreisträgerin warnte vor einer Unterwanderung des Ordens. | |
| Dessen religiöses Oberhaupt Hadsch Nour Ali Tabandeh, das unter Hausarrest | |
| steht, könne nur noch über regimetreue Mittelsmänner mit seinen Anhängern | |
| kommunizieren. „Dr. Tabandeh ist 91 Jahre alt“, sagte Ebadi. Das Regime | |
| werde versuchen, eine Person als Nachfolger durchzusetzen, die der | |
| Islamischen Republik hörig ist. | |
| Der Gonabadi-Orden ist ein Zweig der jahrhundertealten Sufi-Bewegung im | |
| Iran. Die Derwische berufen sich auf den persischen Poeten Schah Nematollah | |
| Wali, der im 14. und 15. Jahrhundert lebte. Der Sufi-Meister empfahl seinen | |
| Anhängern, sich sozial zu engagieren statt ein Leben in Einsamkeit zu | |
| führen. Die Derwische betrachten sich als gläubige Muslime, lehnen aber das | |
| politische System des Irans, das republikanische Elemente mit der | |
| Herrschaft der Religionsgelehrten verbindet, ab. Sie fordern eine Trennung | |
| von Staat und Religion, was von der iranischen Führung als politisches | |
| Statement verstanden wird. | |
| In der 1979 gegründeten Islamischen Republik wurden die Derwische zunächst | |
| geduldet. Seit Revolutionsführer Ali Chamenei sie vor etwa zehn Jahren als | |
| Abtrünnige bezeichnete, gelten sie jedoch als Feinde des Gottesstaats. | |
| Gebetshäuser sind in Brand gesteckt und Versammlungen verboten worden. In | |
| Büchern und Zeitungen versuchen ihre Gegner nachzuweisen, dass die | |
| Derwische – insbesondere die des Gonabadi-Ordens – den schiitischen Glauben | |
| ablehnen. | |
| ## Tote nach Protesten | |
| Die Auseinandersetzung mit den Derwischen eskalierte, als Sicherheitskräfte | |
| im Februar das Haus von Ordensleiter Tabandeh in Teheran umstellten. | |
| Hunderte Anhänger kamen aus allen Teilen des Landes, um ihren Führer zu | |
| schützen. Gewaltsame Auseinandersetzungen folgten. | |
| Bei den Protesten setzte sich nach Angaben der Polizei ein Bus auf Seiten | |
| der Derwische in Bewegung und töte drei Sicherheitsbeamte. Dutzende | |
| Menschen wurden verletzt. Laut Staatsanwaltschaft wurden 285 Derwische in | |
| Haft genommen, Human Rights Watch geht von mehr als 300 aus. 208 Derwische | |
| wurden den Menschenrechtlern zufolge seit Mai verurteilt. | |
| Einer der Derwische, Mohammad Sallas, wurde zum Tode verurteilt und am 18. | |
| Juni hingerichtet. Er hatte zunächst gestanden, den Bus gefahren zu haben. | |
| Später erklärte er jedoch, das Geständnis sei erzwungen gewesen. | |
| Ein zweiter Derwisch, Mohammad Radschi, starb zwei Wochen nach seiner | |
| Festnahme im Gefängnis. Angehörige erklärten, er sei infolge von Folter | |
| gestorben. Auch andere Insassen berichteten von schwerer Folter in dem | |
| Gefängnis | |
| ## Kritik von Geistlichen | |
| Zuletzt verurteilte das Teheraner Revolutionsgericht am 15. August acht | |
| Mitglieder des Gonabadi-Ordens in Abwesenheit zu insgesamt 84 Jahren | |
| Gefängnis. Die Angeklagten erschienen nicht vor Gericht. Sie hatten | |
| gefordert, dass der Prozess öffentlich geführt werde und sie von Anwälten | |
| ihrer Wahl vertreten würden. | |
| Die Urteile waren selbst für iranische Verhältnisse ungewöhnlich hart. Zu | |
| langjährigen Gefängnisstrafen kamen Peitschenhiebe, Verbannung und das | |
| Verbot der Mitgliedschaft in politischen Parteien und sozialen | |
| Gemeinschaften hinzu. | |
| Den Umgang mit den Derwischen, die in weiten Teilen der iranischen | |
| Bevölkerung Sympathie genießen, heißen nicht alle Geistlichen gut. Immer | |
| wieder melden sich kritische Stimmen zu Wort. Als ein Gebetshaus der | |
| Derwische in der heiligen Stadt Ghom in Brand gesteckt wurde, sagte | |
| Ayatollah Hossein Ali Montazeri, eine der populärsten religiösen Instanzen | |
| des Landes: „Für die Zerstörung gibt es keine legitime religiöse | |
| Begründung. Der Islam ist die Religion der Barmherzigkeit. Auch die Rechte | |
| religiöser Minderheiten werden im Islam geachtet.“ (Mitarbeit: Jannis | |
| Hagmann) | |
| 31 Aug 2018 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.hrw.org/news/2018/08/29/iran-over-200-dervishes-convicted | |
| ## AUTOREN | |
| Bahman Nirumand | |
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