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# taz.de -- Giftige Stoffe in der Modeindustrie: Fast Fashion macht Detox
> Die Textilindustrie gehört zu den Hauptverschmutzern von Trinkwasser.
> Aber immer mehr Firmen verzichten auf giftige Chemikalien.
Bild: Viele Klamotten – viele Probleme
Die [1][Modeindustrie] verzichtet Schritt für Schritt auf elf Chemikalien,
die etwa Krebs auslösen können oder Unfruchtbarkeit fördern, also besonders
gefährlich sind. Es gebe einen „tiefgreifenden Wandel in der
Bekleidungsindustrie“, erklärte die Umweltorganisation Greenpeace am
Donnerstag. Insgesamt hätten 80 Firmen zugesagt, sauberer zu produzieren.
Diese stünden für etwa 30 Prozent der deutschen Textilindustrie, weltweit
für 15 Prozent.
Unter den Firmen sind [2][Modekonzerne wie H&M,] Primark und Zara, aber
auch Sportartikelhersteller wie Adidas, Nike und Puma. Und Handelsketten:
Aldi, Lidl und Tchibo. Genauso Luxusmarken wie Burberry.
Was wie ein Lob von ungewöhnlicher Seite für die Firmen klingt, ist auch
eins für die Umweltschützer selbst. Denn für diese Entwicklung haben sie
einigen Aufwand betrieben. Vor sieben Jahren startete Greenpeace den Aufruf
„Zeit zum Entgiften“ und forderte die Textilbranche auf, ihre Kleidung zu
entgiften.
Kurz zuvor hatten Forscher der Organisation die Abwässer zweier großer
Textilhersteller in China untersucht. China ist Textilienproduzent Nummer
eins in der Welt. Und die Chemie steckt nicht nur in der Kleidung, sondern
verschmutzt dort auch die Flüsse und macht das Trinkwasser ungenießbar. Die
Umweltschützer gingen davon aus, dass die Abwässer häufig zur Nachtzeit
abgelassen werden, um Kontrollen zu umgehen. Also zogen sie tags und nachts
Proben und entdeckten eine ganze Reihe gefährlicher Chemikalien.
Alkylphenole etwa, die Textilproduzenten in Europa längst nicht mehr
verwenden dürfen, auch perfluorierte Chemikalien, die wasserabweisenden
PFC. Einige von ihnen können Krebs auslösen oder die Fortpflanzung
schädigen. Selbst die modernen Kläranlagen vor Ort hielten die Schadstoffe
nicht zurück. Ihr Fazit: Zumindest die elf Superschadstoffe müssen weg.
## Strippen vor den Läden
Anfangs seien sie bei den Textilmanagerinnen und -managern „auf jede Menge
Widerstand und Zweifel“ gestoßen, sagt Bunny McDiarmid, Geschäftsführerin
von Greenpeace International. „Sie sagten, es sei ein Ding der
Unmöglichkeit, in ihrer Lieferkette für Reinhaltung zu sorgen.“ Also
organisierten die Umweltschützer weltweit Massenstripteases vor den
Sportklamotten-Läden von Adidas und Nike, so was.
Nur wenige Wochen nach dem Kampagnenauftakt verpflichtete sich Puma als
Erstes öffentlich dazu, bis zum Jahr 2020 alle gefährlichen Chemikalien aus
seiner Produktion zu schmeißen. Bald darauf folgten plötzlich auch Nike und
Adidas, wenig später entschied sich als erste Modemarke H&M.
Heute machen 80 Markenfirmen und Lieferanten von Mode, Sport- und
Outdoor-Kleidung oder Luxusartikeln sowie Einzelhändler mit. Sie erstellten
erst eine schwarze Liste von Chemikalien, die verbannt werden sollen, dann
mit den Umweltschützern gemeinsam Ziele und Fristen zur Klärung ihrer
Abwässer.
Nun hat Greenpeace zum ersten Mal bei den Detox-Firmen nachgefragt, was
sich tatsächlich getan hat, und dies in einem [3][Fortschrittsbericht,
Titel: „Destination Zero“], zusammengetragen. Ergebnis: 72 Prozent geben
an, dass sie mittlerweile auf die gefährlichen PFC verzichten.
Outdoor-Firmen – weniger die Modebranche – setzen die Substanz oft für
wasserdichte Beschichtungen und Membrane sowie Sportbekleidungsprodukte
ein.
## Detox kein Nischenthema mehr
Im Bericht heißt es nun: „Die Outdoor-Marke Vaude setzt den Ausstieg aus
PFC nach Produkttypen bis 2020 fort.“ Und: „Nike hat nun 2021 als PFC-freie
Zielmarke festgelegt.“ Bei anderen Chemikalien ist die Entwicklung ähnlich.
Vor der Detox-Kampagne habe sich die Branche vor allem auf die
Produktsicherheit konzentriert, erklärt Thomas Rasch vom Deutschen
Modeverband Germanfashion. Das habe sich geändert. „Detox ist kein
Nischenthema mehr“, sagt Kai Falk vom Handelsverband Deutschland (HDE).
Es ist ein Erfolg für die Umweltaktivisten, aber er reicht noch nicht.
Greenpeace-Geschäftsführerin McDiarmid meint: „Die enorme Materialschlacht
im Verbrauchszyklus von Textilien kann niemals nachhaltig sein, egal auf
wie viele Chemikalien man verzichtet.“
Das Problem ist Fast Fashion, schnelllebige Mode. Seit dem Jahr 2000 gebe
es eine „explosionsartige Expansion“, steht in dem Bericht. Und:
Voraussichtlich werde der Kleiderkonsum weiter zunehmen, von 62 Millionen
Tonnen im Jahr 2017 auf 102 Millionen Tonnen im Jahr 2030 – das wäre eine
Steigerung von 63 Prozent.
## Neue Modebewegung gesucht
Ein Stoff begünstige diese Entwicklung besonders: Polyester. Schon heute
mache er 60 Prozent der Bekleidung aus, Tendenz steigend. Das habe Folgen:
Ein einziges Kleidungsstück setze beispielsweise bis zu eine Million
winzige Partikel der Textilfasern in nur einer Wäscheladung frei – diese
landen schließlich als Mikroplastik im Meer.
Anders gesagt: Die Detox-Kampagne war nur der Start. Gesucht ist eine neue
Modebewegung.
12 Jul 2018
## LINKS
[1] /Trend-zu-nachhaltiger-Kleidung/!5512473
[2] /Designerin-ueber-Wiederverwertung/!5519300
[3] https://www.greenpeace.de/sites/www.greenpeace.de/files/publications/s02231…
## AUTOREN
Hanna Gersmann
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