# taz.de -- Trend zu nachhaltiger Kleidung: Textilbranche entdeckt Recycling | |
> Sie reparieren, vermieten oder bieten Secondhandware an. Immer mehr | |
> Bekleidungs-Unternehmen setzen auf Kreislaufwirtschaft. | |
Bild: „Aus den Textilverkäufern werden – Dienstleister“ | |
Nicht dreimal anziehen und dann wegschmeißen – sondern sogar Gebrauchtes | |
weiterverkaufen: Mit The North Face setzt nun eine weitere große | |
Outdoor-Marke auf Kreislaufwirtschaft: ein Konzept, das geschlossene | |
Rohstoffkreisläufe und damit maximale Wiederverwertung von Textilien | |
anstrebt. „Das ist jetzt ein echter Hype“, sagt Kirsten Brodde, | |
Textilexpertin bei Greenpeace. | |
Mit Nachhaltigkeit in der Textilbranche lässt sich offenbar richtig Geld | |
verdienen: Selbst große Investmentbanken wie Goldman Sachs investieren | |
inzwischen in Unternehmen aus der Kreislaufwirtschaft. Dies sei ein | |
entscheidendes Nachfragesignal dafür gewesen, selbst aktiv zu werden, sagt | |
Letitia Webster, Vize-Präsidentin des North-Face-Mutterkonzerns VF | |
Corporation. Der führt Marken wie Wrangler Jeans, Eastpak oder Timberland. | |
Hat sich das Konzept der Nachhaltigkeit in der Textilindustrie also | |
durchgesetzt? „Nein“, sagt Brodde, „die Branche ist immer noch ein | |
ökologischer und sozialer Notfall.“ Aber richtig sei auch, dass die | |
Konzerne seit einigen Jahren ihre Kollektionen T-Shirt für T-Shirt, Hose | |
für Hose auf mehr Nachhaltigkeit trimmen. | |
Es gebe verschiedene Modelle, die unter dem Label Kreislaufwirtschaft | |
verkauft werden. Der Textilriese H&M verspricht beispielsweise „100 % | |
zirkulär“ zu werden. Sein Programm zur Rücknahme von Altkleidern dient | |
jedoch laut Brodde vor allem dazu, neue Kaufanreize zu setzen und damit die | |
Produktion von Textilien noch weiter anzukurbeln: Für eine Tüte voller | |
Altkleider bekommt man in den Filialen einen Einkaufsgutschein. | |
Ressourcenschonend sei das in der Summe nicht. | |
## Retouren werden repariert – und wieder verkauft | |
Der aktuelle Trend hin zur Wegwerfkleidung – auch „Fast Fashion“ genannt … | |
hat zur Folge, dass sich der Absatz von Kleidung weltweit zwischen 2002 und | |
2015 fast verdoppelt hat: von 1 Billion auf 1,8 Billionen US-Dollar. Die | |
Weltbevölkerung wuchs im selben Zeitraum nur um rund ein Sechstel. Auch das | |
Konsumverhalten hat sich gewandelt. US-amerikanische 18- bis 24-Jährige | |
entledigen sich neu gekaufter Klamotten durchschnittlich, nachdem sie sie | |
ein- bis fünfmal getragen haben. | |
Auch deshalb kaufen 40 Prozent dieser Altersgruppe Secondhandmode, besagt | |
eine unternehmenseigene Studie des Secondhand-Onlineportals ThredUp. | |
Während der gesamte Bekleidungseinzelhandel in den USA 2017 um lediglich 2 | |
Prozent gewachsen sei, habe der Online-Wiederverkauf von Klamotten um fast | |
50 Prozent zugenommen. | |
Während Mittelständler wie Vaude aus dem baden-württembergischen | |
Tettnang-Obereisenbach seit Jahren mit Recyclingstoffen experimentieren, | |
hat mit The North Face nun auch ein Schwergewicht der Branche das | |
Kreislaufpotenzial erkannt. Anfang Juni startete das Unternehmen aus den | |
USA mit einem Jahresumsatz von 2,3 Milliarden Dollar die Probeversion einer | |
Homepage, auf der es wiederaufgearbeitete Klamotten der eigenen Marke | |
verkauft. „The North Face Renewed“ heißt die neue Kollektion. Retouren oder | |
Artikel zweiter Wahl werden gereinigt und repariert, bevor sie wieder in | |
den Verkauf kommen. | |
## Secondhand muss nicht muffig sein | |
Berndt Hinzmann, Textilexperte beim entwicklungspolitischen Netzwerk | |
Inkota, ist dennoch nicht überzeugt. Bei Arbeitssicherheitsstandards, | |
Löhnen und Transparenz schneide North Face nicht gut ab. Wenn man ein | |
erweitertes, über ökologische Gesichtspunkte hinausgehendes Verständnis von | |
„Nachhaltigkeit“ zugrunde lege, habe die Secondhand-Vermarktung eher eine | |
Alibifunktion. | |
Greenpeace-Expertin Brodde hingegen ist zufrieden. Das Reparieren und | |
Anbieten von Secondhandware sei der richtige erste Schritt, meint sie. „Die | |
Lebensdauer von Kleidung zu verlängern ist ökologisch gesehen eine | |
Superlösung.“ Technische Verbesserungen beim Recycling seien zwar ebenso | |
wichtig, aber zweitrangig. | |
Perspektivisch müssten aus den Textilverkäufern „Textildienstleister“ | |
werden. Und tatsächlich böten Unternehmen wie Vaude da schon einiges an: | |
Reparaturservices, Zelt- und Rucksackverleih und den Wiederverkauf alter | |
Klamotten. Es helfe, Secondhand das Stigma der Muffigkeit zu nehmen, so | |
Bodde. „Hierzulande ist es zunehmend gesellschaftlich akzeptiert, dass man | |
nicht alles immer neu braucht.“ | |
25 Jun 2018 | |
## AUTOREN | |
Frederik Richthofen | |
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