# taz.de -- "The North Face"-Näherinnen in El Salvador: "Kaum jemand wehrt sic… | |
> Die Näherinnen von Outdoor-Textilien der Marke "The North Face" in El | |
> Salvador können von ihrem Lohn allein nicht leben, sagt Gewerkschafterin | |
> Jeaneth Pineda. | |
Bild: Hergestellt in El Salvador? Outdoor-Textilien der Marke "The North Face". | |
taz: Frau Pineda, als Gewerkschafterin haben Sie die Arbeitsbedingungen in | |
einer Fabrik in El Salvador dokumentiert, die für die Marke "The North | |
Face" Outdoor-Textilien fertigt. Können die ArbeiterInnen dort von den | |
Löhnen leben? | |
Jeaneth Pineda: Nein, für eine Familie mit zwei Kindern reicht das Geld | |
nicht aus. Die Bezahlung liegt nur auf der Höhe des staatlich festgesetzten | |
Mindestlohns. Dieser beträgt umgerechnet 174 Dollar pro Monat, wovon drei | |
Prozent Krankenversicherung und 6,2 Prozent für Rente abgezogen werden. | |
Welche durchschnittlichen Lebenshaltungskosten stehen dem Einkommen denn | |
gegenüber? | |
Die Miete für ein Haus kostet beispielsweise 64 Dollar monatlich. Hinzu | |
kommen zwölf Dollar für Strom, 36 für das Schulessen der Kinder und etwa 60 | |
Dollar für die öffentlichen Busse. Damit ist der Lohn fast aufgebraucht - | |
aber die Erwachsenen selbst haben noch nichts gegessen. Im Gegensatz zu den | |
Versprechen der Firmen ist die Existenz vieler Arbeiterinnen durch die | |
niedrigen Mindestlöhne nicht gesichert. | |
Wie kommen die Beschäftigten dann über die Runden? | |
Indem sie Nebenjobs machen. Nach der Fabrikarbeit gehen die Frauen ins | |
Restaurant, wo sie als Kellnerinnen arbeiten. Oder sie verkaufen am | |
Wochenende Altkleider auf der Straße. Sie schuften quasi den ganzen Tag. | |
Können die ArbeiterInnen mehr verdienen, wenn sie in der Textilfabrik | |
Überstunden leisten? | |
Ja, es gibt bezahlte Überstunden, die den Lohn aufbessern. Manche | |
Überstunden werden aber auch nicht honoriert. | |
Wieso wird diese Zusatzarbeit denn nicht vom Arbeitgeber entlohnt? | |
Das Unternehmen Brooklyn in der Freihandelszone von San Marcos, das wir | |
untersucht haben, lässt die ArbeiterInnen unterschreiben, dass sie an | |
bestimmten Tagen bezahlte Überstunden leisten. Außerdem kommen die meisten | |
Beschäftigten aber fast jeden Morgen eine Stunde früher zur Arbeit, damit | |
sie das Tagessoll der Produktion schaffen. Dieses ist nämlich so hoch | |
angesetzt, dass es ohne die zusätzliche Arbeitsstunde kaum zu bewältigen | |
ist. Aber die Extrastunde morgens bezahlt das Unternehmen nicht. | |
Die Beschäftigten leisten also regelmäßig fünf unbezahlte Überstunden pro | |
Woche, 20 im Monat? | |
So ist es. Obwohl sie kein Geld dafür erhalten, fangen die meisten um sechs | |
Uhr morgens an, statt erst zum normalen Arbeitsbeginn um sieben. Aber kaum | |
jemand wehrt sich - aus Angst, die Arbeit zu verlieren. | |
Versuchen sich die ArbeiterInnen zu organisieren, um gegen diese Zustände | |
vorzugehen? | |
Nein. Das Unternehmen will auch keine Gewerkschaft. Es erklärt, die | |
gesetzlichen Bestimmungen und Verträge würden eingehalten. Deshalb sei eine | |
Vertretung der Beschäftigten überflüssig. Um die ArbeiterInnen bei Laune zu | |
halten, macht die Firma ihnen allerdings freiwillige Zugeständnisse. So | |
gibt es einen Fabrikladen, in dem man billige Lebensmittel kaufen kann, | |
einen Kindergarten und Geschenkkörbe zu Weihnachten. | |
Könnten die europäischen Konsumenten etwas tun, um die NäherInnen in El | |
Salvador und anderswo zu unterstützen? | |
Auch in Deutschland können die Menschen darauf drängen, dass die Firmen der | |
Outdoor-Branche die Arbeitsstandards anheben. Außerdem sollten alle Firmen | |
Mitglied einer glaubwürdigen Initiative werden, die die Bedingungen in den | |
Zulieferfirmen effektiv kontrolliert. Mammut, Odlo und Jack Wolfskin sind | |
einer solchen bereits beigetreten. Um Druck auszuüben, können die | |
Konsumenten zum Beispiel kritische Briefe an die Unternehmen schreiben. | |
3 Oct 2010 | |
## AUTOREN | |
Hannes Koch | |
Hannes Koch | |
## TAGS | |
nachhaltige Kleidung | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Trend zu nachhaltiger Kleidung: Textilbranche entdeckt Recycling | |
Sie reparieren, vermieten oder bieten Secondhandware an. Immer mehr | |
Bekleidungs-Unternehmen setzen auf Kreislaufwirtschaft. | |
Konzept von Attac und Solidar-Ökonomen: Hessnatur soll Genossenschaft werden | |
Es kursieren neue Gerüchte zum Verkauf des Ökotextil-Herstellers Hessnatur | |
an einen Finanzinvestor. Attac und ein Solidar-Netzwerk präsentieren ein | |
Alternativkonzept. | |
Produktionsbedingungen in China: Adidas verstößt gegen seine Standards | |
Wie fair produziert der WM-Ausrüster Adidas? ArbeiterInnen eines | |
Zulieferers in Südchina sagen, sie leisteten viel mehr Überstunden als der | |
Konzern eigentlich zulassen möchte. | |
Interview mexikanische Aktivistinnen: "Lohn reicht nicht zum Leben" | |
Der Konzern Metro muss sich um Produktionsbedingungen seiner Ware kümmern, | |
sagen die mexikanischen Aktivistinnen Merejilda Peñaloza und Rubenia | |
Delgado. | |
Arbeitsbedingungen im Ausland: Auf den Verbraucher kommt es an | |
In einer Dokumentation zeigt der SWR am Mittwoch zur Primetime, wie in | |
Spanien, China und Bangladesch Konsumgüter produziert werden. Das MottO: | |
"Hauptsache billig". | |
Klage gegen Discountkette: Nähen für Lidl bringt Hungerlohn | |
Verbraucherschützer und Menschenrechtler verklagen die Discountkette Lidl | |
wegen niedriger Löhne, überlanger Arbeitszeiten und Diskriminierung in | |
Textilfabriken in Bangladesh. |