# taz.de -- Arbeitsbedingungen im Ausland: Auf den Verbraucher kommt es an | |
> In einer Dokumentation zeigt der SWR am Mittwoch zur Primetime, wie in | |
> Spanien, China und Bangladesch Konsumgüter produziert werden. Das MottO: | |
> "Hauptsache billig". | |
Bild: Schuften für deutsche Discounter: Junge Frauen in der chinesischen PC-Pr… | |
BERLIN taz | Her mit den kleinen Preisen, das mag der Verbraucher. In den | |
letzten Jahren sind im Einzelhandel nur noch die Marktanteile der | |
Discounter deutlich gestiegen. Jetzt, wo in Deutschland fast überall ein | |
Aldi, Lidl, Netto steht, machen sich die Unternehmen gegenseitig erbittert | |
Konkurrenz – und werden noch ein bisschen billiger. | |
Dabei hat Discounterware aufgeholt: In Sachen Aussehen und Produktqualität | |
kann Vieles mit den etablierten Marken mithalten, die Tomaten sind genau so | |
schön rot wie nebenan im Edeka, und Bio gibt es längst auch. Und das auch | |
noch unschlagbar billig. Doch wo kommen die kleinen Preise her, wie sieht | |
es mit der Qualität während der Herstellung aus? | |
Darum kümmert sich am Mittwochabend Mirko Tomics Doku „Betrifft – | |
Hauptsache billig“. Dass das SWR-Fernsehen den Film nicht wie sonst gern in | |
der ARD üblich Richtung Mitternacht verklappt, sondern zur Primetime um | |
20.15 Uhr zeigt, ist schon lobenswert genug. Denn Tomics Expedition ins | |
40.000-Hektar-Plastikfolienreich, unter dem in Spanien unsere Tomaten | |
wachsen, zeigt so unaufdringlich wie deutlich, wer sich bislang höchst | |
erfolgreich aus der Debatte davonstiehlt: Wir, die VerbraucherInnen. | |
Jedes Jahr werden Gemüse wie Tomaten und Paprika auf dem europäischen Markt | |
billiger. Jedes Jahr erhalten die ohne jede soziale Absicherung in den | |
Plastikgewächshäusern arbeitenen Pflücker weniger. Sie sind ohnehin immer | |
nur tageweise beschäftigt, leben in Slums, mitten im EU-Land Spanien. Und | |
jeden Tag versuchen die Einkäufer und Zwischenhändler die Preise im Auftrag | |
ihrer Abnehmer in Deutschland und anderswo weiter zu drücken. | |
Doch die meisten Verbraucher interessiert das genausowenig wie die | |
Arbeitsbedingungen in chinesischen High-Tech-Legebatterien, wo vor allem | |
junge Frauen die günstigen Computer herstellen, um die bei Aldi & Co dann | |
die Schlacht auf der Sonderverkaufsfläche entbrennt. Es sind Menschen 2. | |
Klasse, die in den Sonderwirtschaftszonen Chinas unter miserablen | |
Bedingungen und einem Lohn, der nicht zum Leben reicht, arbeiten. Von | |
moderner Sklaverei zu sprechen, schießt nicht weit über ihre reale Lage | |
hinaus, und Sozialleistungen und Arbeitnehmerrechte stehen sowieso fast | |
immer nur auf dem Papier. | |
Weil er sich als Geschäftsmann ausgab, ist es Tomics gelungen, in den | |
Sweatshops in China genauso zu drehen wie in den Textilfabriken in | |
Bangladesch, wo die Billig-Sweatshirts für Lidl entstehen. Ruhig und ohne | |
moralischen Zeigefinger fängt die Doku überall vergleichbare Bilder ein: | |
Enge, Überwachung, ausgemergelte Menschen. Länger als vier, fünf Jahre, | |
sagt ein Gewerkschafter in Bangladesch, überlebe niemand den Knochenjob an | |
der Nähmaschine. | |
Dass Lidl sogar noch mit angeblich guten Sozialstandards bei seinen | |
Textil-Herstellern warb, ist da ein Treppenwitz – und dem Discounter | |
mitlerweile untersagt. Lidl und die staatliche Gesellschaft für technische | |
Zusammenarbeit (GTZ) unterhalten derzeit ein Medizinprogramm in | |
Bangladesch: Per Kleinbus fährt medizinsiches Personal in die Fabriken – | |
und verteilt Vitamin-Pillen an unterernährte Näherinnen. Damit kann man | |
sich dann wieder in Deutschland schmücken – und hat am anderen Ende der | |
Welt länger was von billigen Arbeitskräften. | |
Und so widerlegt der Film auch ganz en passant den von Ökonomen gern | |
beschworenen Glaubenssatz, dass die Globalisierung hier positive Effekte | |
haben wird. Doch den Markt verantwortlich zu machen für die schlechte | |
„Prozessqualität“ seiner Produkte, greift zu kurz: Es kommt auf seine | |
Akteure an, und in erster Linie auf – die Verbraucher. | |
„Betrifft – Hauptsache billig“, Mittwoch, 20.15 Uhr, SWR-Fernsehen | |
28 Apr 2010 | |
## AUTOREN | |
Steffen Grimberg | |
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