# taz.de -- EU-Pläne für Asylzentren: 6.000 Euro pro Flüchtling | |
> In Papieren, die der taz vorliegen, nennt Brüssel Details für Lager in | |
> und außerhalb der EU. Staaten, die freiwillig aufnehmen, sollen Geld | |
> erhalten. | |
Bild: „Controlled Centers“ ist das neue EU-Schönfärbewort für Flüchtlin… | |
BERLIN taz | Einen Monat nach [1][dem EU-Gipfel] hat die Kommission | |
konkrete Pläne für Asylzentren formuliert, die von der EU gemeinsam | |
errichtet werden. Entsprechende Überlegungen gab es schon seit Jahren, doch | |
in zwei sogenannten Non-Papers, also noch nicht ratifizierten Dokumenten, | |
die der taz vorliegen, sind nun Details benannt. | |
Innerhalb Europas spricht die Kommission dabei von „Controlled Centers“. | |
Die Idee: Flüchtlinge, die Europa erreichen, werden in diesen | |
zentralisierten Lagern untergebracht. Dazu sollen die Mitgliedstaaten auf | |
freiwilliger Basis Asylbeamte entsenden, die EU will Kosten für Betrieb und | |
Versorgung der Flüchtlinge tragen. | |
Nach ihrer Ankunft in den Zentren soll [2][die Grenzschutzagentur Frontex] | |
die Identität der Personen klären, die Polizeibehörde Europol einen | |
Sicherheitscheck durchführen. Wenn die Ankommenden keinen Asylantrag | |
stellen wollen, soll Frontex direkt die Abschiebung einleiten. | |
Stellen sie einen Asylantrag, dann sollen diese in den Zentren innerhalb | |
von acht Wochen geprüft werden. Diese Prüfungen soll das EU-Asylbüro EASO | |
koordinieren, durchführen sollen sie abkommandierte Asylbeamte aus den | |
Mitgliedstaaten. Nach einer Ablehnung soll die Abschiebung schnell | |
erfolgen. | |
Die entscheidende Frage ist: Wird ein Antrag positiv entschieden – in | |
welches Land kommt der Flüchtling dann? Die EU-Kommission in Brüssel will | |
Staaten, die sich zur Aufnahme freiwillig melden, 6.000 Euro pro Flüchtling | |
zahlen. Doch ob das reicht, ist fraglich. | |
## „Ad hoc und temporär“ | |
Die Controlled Centers sollen nicht unbedingt dauerhaft an festen Orten | |
entstehen, sondern könnten „ad hoc und temporär“ dort eingerichtet werden, | |
wo jeweils viele Flüchtlinge und MigrantInnen ankommen. Voraussetzung sei, | |
dass der entsprechende EU-Staat dies – auf freiwilliger Basis – gestatte, | |
heißt es in dem Papier. Offen ist, ob die Flüchtlinge interniert werden | |
oder das Lager verlassen dürfen. | |
Die Kommission verweist darauf, dass die Controlled Centers Gewähr bieten, | |
dass Asylverfahren einheitlich durchgeführt werden und die | |
Aufnahmebedingungen dem EU-Recht entsprechen. Die Zentren sollen auch | |
Sekundärmigration verhindern – also die Weiterreise von Migranten in andere | |
EU-Staaten, so Brüssel. | |
In Italien und [3][Griechenland hat die EU nach 2016 ähnliche Einrichtungen | |
aufgebaut. Dort heißen sie Hotspots]: Flüchtlinge sind eingesperrt, | |
Menschenrechtsorganisationen haben Grundrechtsverletzungen dokumentiert, | |
die Presse hat keinen Zutritt. Der Unterschied zu Controlled Centers: In | |
den Hotspots wird nur die Identität der Flüchtlinge geklärt, Asylverfahren | |
werden nicht durchgeführt, der Aufenthalt ist eher kurz. | |
Die Kommission will in einem Pilotprojekt ein Controlled Center mit 500 | |
Plätzen „so schnell wie möglich“ errichten und dafür etwa 200 Beamte | |
bereitstellen. | |
Das Pilotprojekt soll der Dublin-Reform nicht vorgreifen, heißt es in dem | |
Papier. Seit Jahren sucht die EU nach einem Kompromiss für die Richtlinie, | |
die bislang regelt, dass immer der Staat für einen Flüchtling zuständig | |
ist, in den dieser zuerst eingereist ist. Bislang war keine Einigung in | |
Sicht. Mit den Controlled Centers könnte die EU versuchen, das Problem zu | |
entschärfen. | |
## Papier bleibt ungefähr | |
Der Chef der Europäischen Stabilitätsinitiative, Gerald Knaus, forderte | |
derweil, ein solches Aufnahmezentrum in Spanien einzurichten. „Derzeit | |
kommen mehr Menschen über das Meer nach Spanien als nach Italien“, sagte | |
[4][Knaus der Welt (Bezahlschranke)]. „Warum richten Deutschland, | |
Frankreich und die Niederlande nicht gemeinsam mit Madrid ein | |
Aufnahmezentrum in Spanien ein?“ Anerkannte Flüchtlinge würden dann auf | |
Deutschland, Frankreich, Spanien und die Niederlande verteilt. Knaus gilt | |
als Vordenker des EU-Türkei-Abkommens. | |
Die EU plant indessen auch, gerettete Flüchtlinge außerhalb Europas, etwa | |
in Nordafrika, abzusetzen. Hierfür hat sie ein Konzept für „regionale | |
Ausschiffungs-Arrangements“ entwickelt. Das dreiseitige Papier bleibt | |
allerdings weitgehend im Ungefähren. Gemeinsam mit dem UNHCR soll in | |
Nordafrika der Schutzanspruch Geretteter geprüft werden. Ein Teil von | |
diesen Menschen soll auf freiwilliger Basis in die EU gebracht werden. Ein | |
reguläres europäisches Asylverfahren sieht das Konzept nicht vor. So will | |
die Kommission Anreize vermeiden, sich auf die Reise zu begeben. | |
30 Jul 2018 | |
## LINKS | |
[1] /EU-Sondergipfel-zur-Asylpolitik/!5515453 | |
[2] /Notrettung-durch-Frontex-im-Mittelmeer/!5518770 | |
[3] /Griechische-Insel-Lesbos/!5342271 | |
[4] https://www.welt.de/politik/deutschland/plus180173608/EU-Fluechtlingskrise-… | |
## AUTOREN | |
Christian Jakob | |
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